13.06.2025
Trinität – oder: Einheit in Verschiedenheit
Liebe Schwestern und Brüder,
mit dem Pfingstfest am letzen Sonntag haben wir liturgisch gesehen seit dem letzen Advent die ganze Heilsgeschichte von Empfängnis und Geburt des Gottessohnes, Sein Leiden, Sterben und Auferstehen bis hin zur Geistsendung „durchfeiert“. Jetzt geht es darum – bis zum kommenden Advent – dies in unserem Leben, im Leben der Kirche fruchtbar zu machen. Doch davor setzt die Liturgie das heutige Fest: Das Geheimnis Gottes selbst – letztlich in jeder Eucharistiefeier präsent – wird ausdrücklich in den Blick genommen, die Dreifaltigkeit.
Unser Gott ist Einer, und dieser Eine ist Drei; Drei sind eine Einheit. Was in den Jahrhunderten darüber geschireben wurde – es füllt Bibliotheken – ist nichts anderes als ein Nachdenken darüber, was Jesus selbst in den Evangelien gesagt hat und was wir in Teilen heute im Evangelium wieder hörten:
Alles, was der Vater hat, ist mein Quelle: Johannes 14,15
Was theologisch versucht wurde zu sagen, ist: Gott ist kein Herrschergott mit zwei Dienern; auch keine Dreigöttergestalt; auch kein Gott, der sich wie der griechische Göttervater Zeus in unterschiedlichen Gestalten zeigt. Letztlich kann nur gesagt werden: ein Gott und doch nicht allein; drei und doch einer.
- Die Frage stellt sich: Was soll das ganze Gerede und Theologisieren, wenn nichts Genaues gesagt werden kann? Wobei dies zudem dazu führt, dass sich Christen schwer tun, über das zentrale Gottesbild Auskunft zu geben.
Zum einen müssen wir klar vor Augen haben: Wir sprechen über Gott, aber nicht aus einer Position „darüber“ – als ob wir IHN erklären könnten. Wären wir dazu in der Lage, wüssten wir: wir sprächen nicht über Gott, sondern über unser Bild von IHM.
Zum anderen und das ist hier wichtiger: Was heißt es denn, dass wir an einen dreifaltigen Gott glauben? Was bedeutet es für mich, für uns? Hat es Auswirkungen auf unser Leben?
Auf dem Gebiet unserer Pfarrei steht ein Stein gewordenes Zeugnis eines Lebens, das sich an der Dreifaltigkeit orientierte: Kloster Eberbach. Was Bernhard von Clairvaux zu Beginn des 12. Jahrhunderts wollte, war nicht einfach eine Reform eines Klosterideals. Es war vielmehr der Wunsch, gemeinsam mit anderen der Mensch zu werden, den Gott sich gedacht hat: ein Mensch, der in seiner Individualität einmalig ist und gleichzeitig seinen Platz in einer Gemeinschaft findet. Und all das wird zusammengehalten durch das, was die Bibel „Liebe“ nennt.
Kurz gefasst: Stehen wir nicht immer wieder in einer Spannung? Einerseits wollen wir die werden, die wir sind, unsere Fähigkeiten und Talente entwickeln und selbstbewusst unser je eigenes Leben leben.
Andererseits wollen oder müssen wir Rücksicht nehmen auf die anderen: Familie, Freunde, Arbeitswelt, Gesellschaft. Bin ich zu egoistisch? Lasse ich mich von anderen zu sehr einschränken? Wo ist da eine ausgewogene Mitte – und wer bestimmt sie?
Das Maß, so Bernhard, ist die Liebe, wie sie in Jesus Christus zu finden ist. ER spricht von der Einheit mit dem Vater und der Gemeinschaft im Heiligen Geist. Die Individualität Jesu ist einmalig und gleichzeitig ist Er nie getrennt vom Vater, mit dem ER eins ist. Beide ermöglichen im Heiligen Geist, dass das einmalige Werk Jesu weitergeführt wird: in jedem Menschen, der sich Ihm zur Verfügung stellt – immer wieder einmalig. Zwischen Individualität und Gemeinschaft gibt es keinen Widerspruch, solange das Wachsen des Reiches Gottes dabei im Mittelpunkt steht. Liebe, Agape, ist die Haltung die das möglich macht: Ich möchte, dass du der wirst, der du bist! Nur so wächst Gemeinschaft, nur so wird der Mensch wirklich Mensch.
Das konkrete Bild dafür ist für die Kirche die Familie: Liebe in Einheit und Verschiedenheit.
Verschiedenheit ist keine Bedrohung. Im Gegenteil: Es ist Aushalten von Lebendigkeit, Buntheit – Ausdruck des Schöpferwillens. Bernhard wollte damals diesem christlichen Lebensmodell einen Ort geben und fand ihn im Kloster. Heute, unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen, könnte dieses Modell wieder neu überzeugen. Schauen wir auf unsere Gesellschaft, die gerade die Frage des Zueinanders von Individualität und Gemeinschaft so zu zerreißen droht.
Der Glaube an den dreifaltigen Gott – alles andere als eine abstrakte Lehre, vielmehr ein Modell von Leben, das Christen heute neu in die Welt tragen können.
Amen.
Den Vater, der uns erschuf, den Sohn, der uns zum Leben einlädt, und den Heiligen Geist, der uns begleitet, bitten wir:
- Lass uns als Deine Kirche immer tiefer begreifen und bezeugen, dass wir alle in Deiner Gemeinschaft leben und zur Liebe berufen sind.
(Du Gott der Liebe - Wir bitten Dich, erhöre uns) - Wir bitten für alle Christen: Dass wir neu lernen, auf das Wort Deines Sohnes zu hören und so im Heiligen Geist den Menschen heute aufmerksame und ermutigende Wegbegleiter sein können.
- Gib uns ein waches Gespür dafür, wo Dein Heiliger Geist unseren Alltag begleitet und uns die Wege zeigen will, die wir in der Nachfolge Jesu gehen sollen.
- Wir bitten Dich für die, die angesichts von Unrecht und Leid, Krieg und Unterdrückung an Dir und Deiner Nähe zweifeln. Wir bringen Dir die Nöte der Menschen in der Ukraine, und dem Heiligen Land; wir bitten für die Opfer und Angehörigen der Flugzeugkatastrophe in Indien.
- Der Tod und damit der Abschied von lieben Menschen gehört immer wieder zu unserem Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen und diejenigen, die an einem Grab trauern.
Denn wir glauben an Dich, den Vater, der mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebt, herrscht und uns liebt in alle Ewigkeit.
Amen.