20.06.2025

Ein Leib und viele Glieder – Dialogpredigt mit Bischof Moses

Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore an Fronleichnam 2025 (Lesejahr C)

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn ich Bischof Moses in seiner Diözese Nellore besuchen darf und ich eingeladen bin, mit ihm zusammen einen Gottesdienst in einer seiner vielen Gemeinden zu feiern, kann es passieren, dass er mir kurz vor Beginn der Messe zuflüstert: „Du hältst die Predigt!“ Dies ist heute Morgen nicht geschehen – allerdings habe ich ihn gebeten, dass wir gemeinsam diese Predigt halten.

Wir feiern Fronleichnam. Auf dem Altar werden nachher Brot und Wein stehen. Als Katholiken wissen wir: Leib und Blut Christi – Sein Leib. Wir nennen das Sakrament, weil wir etwas glauben, was man nicht einfach sehen kann! Was wir sehen ist etwas Körperliches – was wir damit verbinden ist etwas Geistliches!

Es geht in dieser Feier ausdrücklich um Seinen Leib. Der Apostel Paulus sagt im 1. Korintherbrief (12,27) zu uns, wir seien Christi Leib, Seine Glieder! Wenn das stimmt, dann liegt gleich auf dem Altar – und dann tragen wir nachher durch die Straßen – nicht „etwas“, sondern auch wir selbst liegen dort! Kann das sein? Dass wir Menschen Geschöpfe sind, können viele noch irgendwie glauben. Dass wir aber irgendwie auch „göttlich“ sind, „Leib Christi“ ist doch ein besonderer Gedanke. Zumindest hier für uns. Wie ist das in Indien?

Bischof Moses

Lieber Robert, liebe Gemeinde, zuerst möchte ich sagen, dass ich mich freue, hier bei Euch zu sein. Danke für die Einladung. Ich fühle mich hier bei Euch zu Hause! Durch Pfarrer Suresh weiß ich, dass Ihr hier oft an uns denkt. Danke!

Wer schon einmal Indien besucht hat, der weiß, dass wir ein sehr religiöses Land sind: Überall gibt es Tempel, Kirchen und Moscheen. Viele Menschen beten und man sieht das auch auf den Straßen. Viele Götterstatuen kann man überall sehen – und auch Tiere sind bei uns heilig, z.B. Kühe! Wir begrüßen uns mit „Namasté“, egal welcher Religion wir angehören. Namasté bedeutet: „Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir“. Das ist ein sehr schöner Gruß und es erinnert uns im Alltag daran, dass wir respektvoll miteinander umgehen sollen.

Aber gerade die vielen armen Menschen, die es bei uns gibt, erleben oft, dass man keinen Respekt vor ihnen hat. Besonders auch für sie wollen wir in unserer Diözese Nellore da sein. Eure Schule, die Schule, die Ihr so wunderbar unterstützt, die „Infant Jesus School“, ist ein Ort, für die vielen armen Kinder der Tagelöhner. Viele von ihnen sind Hindus und Moslems. Sie kommen in unsere Schule und sie erfahren dort, dass sie wertvoll sind. Jedes Kind. Herzlich soll ich Euch von Euren Kindern grüßen, die Euch sehr dankbar sind.

Pfarrer Nandkisore

„Sie erfahren, dass sie wertvoll sind“ – wir sind hier nicht in Indien, aber ich glaube, dass auch viele Menschen hier bei uns erfahren möchten, dass sie wertvoll sind, Menschen, die vielleicht auch jetzt hier sind.

Wir feiern und zeigen heute hier nicht nur, dass uns Jesus Christus, unser Glaube wertvoll ist. Wir zeigen: Wir sind in den Augen Gottes so wertvoll, dass ER selbst unter uns ist, unter uns sein möchte! Ja in Jesus sagt uns Gott: ihr alle seid ein Teil von mir – lasst es zu, dass ich ein Teil von euch werden darf! In einem Bild der Heiligen Schrift heißt das eben: Auch wir sind der Leib Christi.

Im heutigen Festevangelium hörten wir, wie Jesus auf die Not der Menschen, die Hunger haben, reagiert. ER zaubert nicht. Zuerst sagt ER: Gebt ihr ihnen zu essen! Das Wenige, was da ist, wird gebracht. Wenn die Menschen damals, wenn wir heute nur auf unsere eigene Kraft vertrauen würden, dann würde das niemals reichen. Aber wer hat denn gesagt, dass wir nur auf unsere Kraft vertrauen müssten? Wir sind doch Teil am Leib Christi! Jeder Teil am Leib tut das, was er kann. Und Jesus macht das auch. Immer wieder für viele ganz überraschend. Das feiern wir heute hier – das zeigen wir hier heute in der Prozession!

Bischof Moses

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte Euch heute hier bezeugen, dass ich dieses Wunder Jesu, dass ER sich kümmert, immer wieder erlebe. Ihr wisst, dass ich aus einer armen Diözese komme – aber die Menschen sind reich an Glauben. Sie vertrauen darauf, dass Gott ihnen hilft. Und dass Gott ihnen auch durch den Bischof hilft. Ich gebe zu: Es gibt Momente, da weiß ich nicht, wie ich das tun soll. Und ich würde gerne so viel mehr für sie tun. Dann aber spüre ich im Gebet: „Moses, vertraue mir. Du kümmerst dich um deine Aufgaben und ich kümmere mich um den Rest!“ Und dann zeigt Gott mir oft, wie sehr wir als Leib Christi verbunden sind. Dann erfahre ich, dass die Kirche in Nellore mit der Kirche in Limburg verbunden ist. Dann erfahre ich, dass der Leib Christi wirklich viele Glieder hat. Und dann geschieht wieder das Wunder, dass die Menschen bei mir satt werden, dass die Kinder eine Zukunft haben, dass die Menschen Gott vertrauen dürfen.

Ich danke Euch, dass wir alle ein Leib Christi sind, ich danke Gott, dass ER immer wieder solche Wunder tut.

Amen

Fürbitten

Herr Jesus Christus, mit Dir offenbaren wir unsere Not dem Vater und bitten:

  • Die Menschen damals hatten Hunger. Wir bitten Dich für die Vielen auf der Welt und auch hier bei uns, die nicht wissen, wie sie ihre tägliche Nahrung beschaffen können, die hungern nach menschlicher Nähe, die in einer ausweglosen Situation verzweifeln. Lass uns bereitwillig mit ihnen teilen.
  • Wir vertrauen Dir unsere Kinder und unsere Sorge um eine behütete Kindheit an, und ebenso unsere Jugendlichen auf ihrer Suche nach ihrem Platz im Leben. Zeige Dich als DER, der trägt, führt und begleitet. 
  • Gib denen Kraft und Mut, die sich für den Frieden und die Verständigung zwischen den Völkern und Religionen einsetzen: im Heiligen Land und der Ukraine, im Iran und überall dort, wo Menschen in Unfreiheit und Unterdrückung leben.
  • Als Teil Deines Leibes sind wir mit Bischof Moses und der Kirche in Nellore verbunden. Segne ihn und das Wirken seiner vielen Priester, Ordensleute und Katecheten, der Lehrerinnen und Lehrer, die gerade vielen armen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen.
  • Deine Jünger wussten nicht, wie sie helfen sollten. Schenke uns immer wieder den Mut und die Bereitschaft, unsere Grenzen zu erkennen und Dir anzuvertrauen so dass Du selbst durch uns handeln kannst.
  • Unsere Verstorbenen haben eine Lücke in unserem Leben hinterlassen. Zeige Dich ihnen als der, der ihren Hunger nach Leben stillt und lass auch die, an die keiner mehr denkt, bei Dir ewige Heimat finden.

Du bist Der, der uns zum Vater führen will, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Amen

Die verschiedenen Texte des Fronleichnams 2025 des Lesejahres C finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron und beim Evangelium in leichter Sprache.

Fronleichnam?

Fronleichnam wird 60 Tage nach Ostern, also am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert. Die liturgische Bezeichnung ist seit 1970 lateinisch Sollemnitas Sanctissimi Corporis et Sanguinis Christi also "Hochfest des [allerheiligsten] Leibes und Blutes Christi". Vielerorts hat sich daher "Corpus Christi" eingebürgert als Name für das Hochfest. Der deutsche Name "Fronleichnam" stammt aus dem mittelhochdeutschen und bedeutet so viel wie "des Herrn Leib" – eben dieser wird ja in Form der Eucharistie als Allerheiligstes in einer Monstranz durch die Straßen getragen.

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