"Wir sind Gesandte an Christi statt"


Liebe Schwestern und Brüder,
was für eine Themenfülle an diesem Sonntag zusammen kommt: Weltmission, hier und da Erntedank, besondere Jubiläen – da kann man schon die Orientierung verlieren. Da bitte ich um Verständnis, wenn ich mich zunächst am Wesentlichen orientiere: Am Wort Gottes, das uns im Evangelium entgegen tritt:
- Da geht es Jesus um die Gerechtigkeit und Er illustriert, was ER meint, an einem Gleichnis. In unseren Ohren klingt dieses Gleichnis heute nach „Selbstgerechtigkeit“ oder „Hochmut kommt vor dem Fall“. Aber damit verfehlen wir die Zielrichtung. Zuerst müssen wir uns dem Wort „Gerechtigkeit“ stellen, denn es hat für uns heute eine ganz andere Bedeutung, als für die Menschen der Bibel. Nicht: Ausgleich, jedem das gleiche, gerecht, sondern: Wie lebt der Mensch in Entsprechung zu Gott? Wie lebt der Mensch als Geschöpf gegenüber seinem Schöpfer? „Richtig“?
Der Pharisäer im Gleichnis ist ein nobler Mann und seine Lebensführung ist hochanständig. Solche Menschen bräuchte es mehr! Er fastet zweimal die Woche, obgleich es im Judentum nur einen Fastentag im Jahr gibt, den Versöhnungstag; er gibt den Zehnten von allem um so ganz sicher zu sein, dass der Tempelbetrieb das seine erhält; und ja: er achtet auf seine Lebensführung. Das ist vorbildlich. Und doch – was ist es, das fehlt? Worin ist der Zöllner besser, „gerechter“ als der Pharisäer?
Jesus spricht von „sich selbst erhöhen und sich selbst erniedrigen“, und das meint: Brauche ich Gott überhaupt? Lasse ich Gott Gott sein? Verdiene ich mir meinen „Lohn“ vor Gott oder lasse ich mich beschenken, entdecke ich also, wer ich wirklich bin? Der Pharisäer kann all das tun, was er beschreibt – aber es fehlt: Was möchtest du, Gott? Wo sieht der Pharisäer die Welt mit den Augen Gottes? Wo erkennt er seine Verantwortung, im Sinne Gottes an ihrer Verwandlung mitzuwirken?
Der Zöllner erkennt, dass er momentan nichts anders vorbringen kann als die Bitte um Vergebung, die Bitte um die Hilfe Gottes. Und damit ist er „gerecht“!
- Mich im Lichte Gottes sehen und selbst dieses Licht weitergeben: „Wir sind Gesandte an Christi statt“ – mit diesem Vers aus dem 2. Korintherbrief ist der heutige Weltmissionssonntag überschrieben. Mich im Licht Gottes sehen – ich bin Gesandter – und dieses Licht weitergeben: an Christi statt. Besser kann es kaum auf den Punkt gebracht werden. Egal, wo ich mich aufhalte, wo ich lebe – es gilt immer!
In Indien, das heute im Blickpunkt von Missio steht, hier vor allem der Norden, wird besonders deutlich, was geschieht, wenn Menschen sich als Gesandte Christus zur Verfügung stellen. Sie markieren einen Unterschied zur umgebenden Bevölkerung, Mentalität. Gerade gegenüber der Not, der Bedürftigkeit, der Hilflosigkeit vieler Menschen.
Wir, eine Reisegruppe unserer Pfarrei, konnten das selbst erst kürzlich wieder in Indien sehen und erleben: An so vielen Orten geben Christen Zeugnis von ihrem Glauben. So berührte mich, wie am Ende der Sonntagsmesse in der Kathedrale von Delhi auf den heutigen Weltmissionssonntag vorbereitet wurde! Die Gemeinde dort, zahlenmäßig klein, unter Repressionen leidend, werben für die Mission – nicht bei ihnen, sondern hoch im Norden, dort, wo es Menschen schlecht geht! Vielen von uns war es in Delhi schon zu viel! Einsatz für sie, die noch weniger haben. Das hat uns beeindruckt!
- Welche Kraft das Christentum hat, wenn sich Menschen als Gesandte Christi begreifen! An Orten, an denen wir sonst Hoffungslosigkeit vermuten würden, ist eine unglaubliche Kraft zu spüren: In der Leprakolonie, von der ich kürzlich erzählte; im Sterbehaus der Mutter Teresa Schwestern in Kalkutta; welche Lebensfreude im Haus für behinderte Kinder im Bistum Nellore und natürlich in „unserer“ Schule inmitten von nirgendwo!
- Die Christen dort zeigen uns, was Gerechtigkeit für sie bedeutet. Wir sind eingeladen zu entdecken, worauf sich der Blick Jesu hier bei uns richtet. Denn wir sind Gesandte an Christi statt – wir sind eingeladen zur Gerechtigkeit. Amen.
Fürbitten
Wir sind Gesandte an Christi statt. Zu Gott, der uns in diese Welt sendet, rufen wir:
- Für die Deine Kirche weltweit und heute besonders in Indien: Hilf ihr auf ihrem Weg, Menschen zu begleiten und auf ihrem Weg in die Zukunft zu stärken.
Gott, unser Vater – wir bitten Dich, erhöre uns
- Wir bitten Dich für unsere Gemeinde: Lass uns aufmerksam darauf achten, zu welcher Gerechtigkeit Du uns heute berufst, um so Menschen Deine Nähe zu bezeugen.
- Wir bitten für uns alle, dass wir mit den Gaben der Schöpfung verantwortungsvoll umgehen und lernen, die Güter der Welt geschwisterlich zu teilen.
- Wir bitten für alle, die in unserer Gemeinde zum Gelingen des Miteinanders beitragen und andere mit ihrem Talent erfreuen.
- Wir bitten für die, die uns vorangegangen sind und die wir vermissen: Lass sie teilhaben am Himmlischen Reich.
Barmherziger Vater, erhöre unsere Bitten, durch Christus, unseren Herrn. Amen.
