Von der Wahrheit
Die Texte am Christkönigssonntag des Lesejahres B, die Lesungen (Dan 7, 2a.13b–14 und Offb 1, 5b–8) und das Evangelium (Joh 18, 33b–37), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„Was ist Wahrheit?“. Diese Frage des Pilatus ist heute hochaktuell! Diese Frage, die gar keine ist, folgt direkt auf die eben gehörte Aussage Jesu, er sei gekommen, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.
Was ist Wahrheit? Ist nicht alles irgendwie relativ und jeder muss sich seinen eigenen Reim auf die Geheimnisse des Lebens machen? Auch unter Christen ist es immer verbreiteter, so zu denken. Toleranz ist angesagt und der hat ein Wahrheitsanspruch zu weichen. Schon als Glaubenspräfekt hat Papst Benedikt XVI. gewarnt und meinte: „Wenn der Glaube jede Kontur verloren hat“ – also keine Wahrheit verfolgt – „hat das Christentum jede Rechtfertigung eingebüßt“ (Joseph Ratzinger, Gott und die Welt, 224). Er betont: „Das Christentum tritt mit dem Anspruch auf, uns etwas über Gott und die Welt und uns selber zu sagen – und zwar was wahr ist und was uns Licht gibt“ (Ebd. 226).
„Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“, so hörten wir es eben. Wahrheit hat mit Christus zu tun:
Dieser Christus ist Mensch geworden. Das heißt, dass der Mensch in der Lage ist, Gott selbst in sich aufzunehmen. Das hat Konsequenzen. Paulus schreibt an die Korinther: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (1 Kor 6,19). Der Mensch hat eine Würde, eine göttliche Würde – das ist seine Wahrheit. Alle Fragen um Leben und Tod, am Anfang und am Ende des Lebens haben diese Wahrheit zu berücksichtigen. Als Christ durchzieht das mein ganzes Leben bis in meine eigene, ja intimste Lebensführung! Darüber wieder neu zu sprechen wäre lohnend!
- Der Mitmensch ist mir Ort der göttlichen Präsenz – wenn ich diese Wahrheit in den konkreten Alltag durchbuchstabiere, dann finde ich Antworten auf Fragen, die die Gesellschaft umtreiben und ja: damit wird die Kirche parteiisch! Und keineswegs immer bequem. Die Diffamierungen, die Papst Fanziskus auch bei uns erleben muss, manchen das eindrücklich deutlich: Denken wir an seine Positionierung zu Krieg und Frieden!
Aber: Können wir denn ernsthaft behaupten, die Wahrheit „zu haben“? Nein, natürlich nicht, denn: sie ist tatsächlich „relativ“, sie steht in Beziehung zu Jemandem! Wahrheit ist kein Besitz, sie ist die Erkenntnis, dass es sie gibt, nicht von uns gemacht und kein Ergebnis einer demokratischen Abstimmung! Ich kann sie nur erkennen und das im biblischsten Sinne des Wortes: Das hebräische Wort für „Erkennen“ meint, eine Beziehung zu jemandem eingehen, jemandem vertrauen, mich in Liebe an ihn zu binden. Ich habe die Wahrheit nicht, sondern ich vertraue Dem, der sie mir zeigt, mir bezeugt. Das ist Christus. Nicht: „Was ist Wahrheit?“, sondern: „Durch wen erkenne, entdecke ich die Wahrheit?“.
So gesehen kann ich ohne Gott von der Wahrheit nicht sprechen! Wir merken das in den aktuellen Diskussionen über Lebensrecht und Menschenrechte, Genderfragen, Ökologie, Wirtschaft und Waffenexporte, Migration und Globalisierung: Es geht um Meinungen, die sich ändern können und die je nach Mehrheiten durchgesetzt werden. Es kommt eine andere Qualität ins Spiel, wenn ich eine Verantwortung vor Gott ins Gespräch bringe. Es wird damit nicht einfacher: Unser König trägt eine Dornenkrone! Wahrheit hat in dieser Welt oft einen hohen Preis und gleichzeitig sagt Jesus: „Die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,32). Christen leuchteten und leuchten durch die Jahrhunderte eben dadurch, dass sie in und durch ihr Leben deutlich machten, dass ihnen die „Erkenntnis“, die Beziehung zu Christus, wichtiger ist als das Lob und die Anerkennung der Massen. Dass sie eine tiefe Freiheit erfuhren und lebten!
Dass die Kirche in unseren Tagen wieder einmal gereinigt wird, ist gut. Denn die Beziehung zu Christus ging viel zu sehr verloren. Dies sollte uns mahnen, wieder neu die Wahrheit zu entdecken – und diesen Christus in dieser Welt zu verkünden, die Wahrheit über Gott und die Welt – und über den Menschen.
Amen.
In unserem König Jesus Christus erkennen wir die Wahrheit über Gott und über uns selbst. Wir bitten Ihn:
- Lass uns die Wahrheit unseres Lebens erkennen und annehmen: Dass unser Leben gewollt und heilig ist. (Christkönig - wir bitten Dich, erhöre uns.)
- Schenke Deiner Kirche offene Augen, Ohren und Herzen, dass wir die Not und Bedürftigkeit anderer erkennen und in Deinem Namen handeln und so Deine Treue bezeugen.
- Hilf unseren Politikern in dieser bedrängenden Zeit der Kriege und Unsicherheiten, dass sie sich von der Liebe nach Wahrheit und Gerechtigkeit leiten lassen und gib ihnen den Mut, entsprechende Entscheidungen zu treffen.
- Stärke auch durch unser Zeugnis in unserer Gesellschaft die Achtung vor der Würde eines jeden Menschen und lass so das Bewusstsein wachsen, dass menschliches Leben niemals unserer Verfügungsgewalt unterliegen darf.
- Lass unsere Verstorbenen in dem Reich des Friedens wohnen, zu dem wir alle unterwegs sind.
Du wirst dem Vater das Reich übergeben, in dem Er mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.