Von der Erwartung und der Bereitung des Weges


- Von der Erwartung und der Bereitung des Weges
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am zweiten Adventssonntag 2021 über Abriss, Sprengung und Bau von Brücken (über Täler und anderswo) zum Download
Die Texte zum 2. Adventssonntag wie der Lesungen (Bar 5, 1–9 und Phil 1, 4–6.8–11) und des Evangeliums (Lk 3, 1–6) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
es braucht Geduld: Wenn man vom Rheingau in Richtung Frankfurt fahren will oder zurück. Es wird wohl noch zwei Jahre dauern, bis auf der Autobahn wieder freie Fahrt herrscht und die neue Brücke endlich gebaut ist (da die alte nach immerhin 6 Monaten endlich gesprengt wurde!). Bis dahin – wir können es sehen – wurden und werden Trümmerfelder beseitigt, Erdmassen bewegt, bis endlich „die Straßen gerade gemacht“ sind, wie es im Evangelium heißt. Es braucht Geduld. Das alles geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Menschen, die ihre ganze Kraft dafür einsetzen. Advent. Aber wenn ich weiß, worauf ich warte, dann wächst die Vorfreude, dann ist das – voller Ungeduld – auch auszuhalten; ja dann tue ich das Meine, um das Ganze vielleicht zu beschleunigen. Advent.
- Für Baruch, den Schreiber des Propheten Jeremia, von dem wir in der 1. Lesung hörten, geht es um mehr als um eine Brücke: Da werden Berge abgetragen, Täler aufgefüllt, damit ein ganzes Volk zurückkehren kann, in die Heimat, nach Jerusalem. Wir müssen diejenigen unter uns fragen, die nach dem 2. Weltkrieg Flucht und Vertreibung erlebt haben, was das für sie bedeutete: Die Sehnsucht nach Rückkehr, die Trauer über das Verlorene. Baruch ist sich sicher: Da kommt eine Wende, das Leben in der Fremde wird nicht das Letzte sein. Es wird eine Zukunft geben, die wir jetzt noch nicht sehen – sie wird aber kommen. Advent.
- Als Johannes der Täufer sechs Jahrhunderte später das Bild von Hügeln, Tälern und Straßen aufgreift, hat sich die Situation geändert: Das Volk ist wieder in der Heimat, auch wenn diese nun von den Römern besetzt ist. Es geht nicht mehr darum, dass das Volk in das Heilige Land zurückkehren kann, sondern darum, dass das Land wieder „Heiliges Land“ wird! Die Menschen leben in der Heimat, aber irgendwie ohne die spürbare Gegenwart Gottes. Das muss sich ändern. Gott will das ändern. ER wird das Seine dazu tun – aber es braucht auch das andere: Die Bereitschaft des Menschen, dass es dazu kommen kann. Es müssen Hügel geebnet, Täler aufgefüllt werden, damit auf einer neuen Straße Gott bei uns ankommen kann.
- Der Advent wird liturgisch in violett gefeiert: Das ist die Farbe des Fastens, der Buße, der Umkehr. Das ist bei uns im Laufe vieler Jahre in Vergessenheit geraten: Wir nennen diese Wochen „Vorweihnachtszeit“ und Bäume und Krippen können gar nicht früh genug beleuchtet und aufgestellt werden. Können wir uns aber so auf Weihnachten vorbereiten? Darauf, was Johannes der Täufer damit meint? Von Umkehr und Sünde spricht er. Sünde meint nicht einfach einen Fehler des Handelns, sondern vielmehr eine Verfehlung in der Grundhaltung des Menschen. Es geht darum, unser Denken und Handeln kritisch anzufragen und zu korrigieren. Dabei ist ganz klar: Der Maßstab ist das Wort Jesu, die Bergpredigt, Seine Verkündigung.
Schauen wir hin: Auf unsere Gesellschaft, die einerseits so verängstigt ist; andererseits wächst die Aggression gegenüber Ungeimpften – und hinter all dem steht das Gespenst des Todes. Wir Christens hätten dazu etwas zu sagen. Etwas Entscheidendes. Ich vermisse hier ganz stark die Stimme meiner Kirche!
Schauen wir hin: Auf die internationale Vernetzung und Globalisierung. Globalisierter Egoismus der führenden Industrienationen ist da zu entdecken. „Wir zuerst“ was das Impfen angeht. Nachrichten drehen sich nur noch um uns und Fallzahlen. Dass z.B. in Südindien eine furchtbare Flutkatastrophe derzeit die Menschen heimsucht, davon haben wir nicht einmal eine Ahnung.
Schauen wir hin: Auf unsere Kirche. Um neue Machtverteilung soll es da gehen und Gleichberechtigung. Dank unserer evangelischen Geschwister könnten wir sehen, dass darin nicht die Lösung des Problems liegt, nicht einmal im Ansatz. Von Neuevangelisierung, Glaubenserneuerung ist hier nichts zu hören – klar, solche Gedanken kommen ja auch aus Rom!
Schauen wir hin: Auf die vielen Bereiche, in denen Not und Einsamkeit herrschen; Konflikte in Beziehungen und Familien; Sinnsuche und Vereinzelung. Das Rezept unserer neuen Regierung: Marihuana für alle!
- Ein gläubiger Mensch weiß, wie ein aktives Rechnen mit dem Handeln des Herrn eine Veränderung bewirken kann. Ja, das braucht Zeit – aber wenn ich weiß, was ich erwarte, dann kann die Vorfreude wachsen. Wenn es mir ein Anliegen ist, dass der Herr ankommen kann, ich mich selbst dafür einsetze, wir als Gemeinde – dann ist diese Zeit wirklich „Advent“.
Amen.
(Mehr Informationen über die Salzbachtalbrücke finden Sie in ihrem Wikipedia-Artikel. Das einleitende Bild stammt ebenfalls dort her und wurde von Martin Kraft (photo.martinkraft.com) unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht.)
Lasst uns dem Herrn den Weg bereiten und Ihn um Sein heilendes Handeln bitten:
- Lass uns alle in dieser Zeit wieder aufmerksam werden für das, was für uns und unser Leben wirklich zählt und hilf uns, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
(Komm, Herr Jesus - Komm, Herr Jesus) - Wir bitten Dich für diejenigen, die in dieser Zeit der Pandemie dafür sorgen, dass es uns nicht am Nötigsten fehlt: In der Medizin und Pflege, in Wirtschaft und Arbeitswelt, in Gesellschaft und Politik.
- Mache unsere Gemeinde immer mehr zu einem Ort, an dem Menschen Deine Nähe und Sorge erfahren können.
- Lass uns diejenigen nicht vergessen, die in diesen Tagen einer helfenden Hand, eines tröstenden Wortes, einer Geste der Nähe bedürfen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass Dein Sohn ihnen entgegen kommt.
Führe uns durch Dein Wort und Deine Gnade zur Gemeinschaft mit dem Vater, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
