Vom Reich Gottes und der Gefahr von Skandalen
Die Texte am 26. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Num 11, 25–29 und Jak 5, 1–6) und das Evangelium (Mk 9, 38–43.45.47–48), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
manchmal vergessen wir es: dass es um Gottes Werk geht! Dass es darum geht, dass Sein Plan mit der Welt – und mit mir! – zum Zuge kommt. Dass wir Mitspieler sind in einem großen Welttheater, das einem grandiosen Finale entgegen geht – Mitspieler, keine Regisseure!
- Mose, der große Gottesfreund, kommt an einen Punkt seines Lebens, an dem er sagt: Ich kann nicht mehr! Die Verantwortung für das Volk auf der Wüstenwanderung, die ständigen Streitigkeiten und Widerstände zermürben ihn. Und er weiß: Es ist Gottes Volk und seine, Mose, eigenen Grenzen sind nicht die der Möglichkeiten Gottes.
Gott handelt – und ER überrascht dabei: Zwei Männer, die nicht zu einem vorher ausgesuchten Kreis gehörten, erhalten wie diese den prophetischen Geist Gottes. Darf das sein? Gott handelt im Blick auf Sein Werk und da darf es sein, auch über unsere Erwartungen hinaus, ja auch gegen sie. Mose jedenfalls ruft aus: „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde!“ (Num 11,29).
Den Verantwortlichen in der deutschen Kirche – bis hin zu uns Pfarrern – geht es wohl ähnlich wie Mose: In all den Um- und Abbrüchen wird es immer schwieriger, das alles zu überblicken, geschweige denn, es zusammenzuhalten! Wir hoffen auf Entlastung, indem neue Ämter und Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Schön und gut. Aber übersehen wir nicht das, was Gott darüber hinaus wirkt! Dass wir unter unseren Zeitgenossen eine Kirchenferne erleben, ist offensichtlich. Aber verwechseln wir das bitte nicht mit Gottesferne! Jesus sagt das zu Seinen Aposteln heute im Evangelium: Menschen, die nicht zu ihrem – zu unserem – Kreis gehören, wirken in Jesu Namen Wunder. Gott sei Dank! Ja, Gott sei Dank wirkt Gott auf vielen und uns oft verborgenen Wegen Seine Wunder, um Seinem Reich zum Wachstum zu verhelfen. Unsere, meine, Verantwortung ist es dabei, das zu tun, was wir können – Gott tut es auch!
- Das ist die Frohe Botschaft, die ich gerade in dieser Zeit als entlastend und befreiend empfinde. Sie erinnert mich daran, wer den Überblick hat und entsprechend handelt.
Gerade weil es Christus um das Wachsen Seines Reiches geht, steckt in der heutigen Botschaft aber auch eine Warnung: „Wer einem von den kleinen Ärgernis gibt; wenn dir deine Hand, dein Fuß, dein Auge Ärgernis gibt“ – übersetzt werden kann das auch mit „zum Bösen verführen“ oder „Anlass zur Sünde geben“. Das Wort, das hier verwendet wird, heißt „skandalizo“ ( Wir kennen den „Skandal“ und ursprünglich meint er das Fallholz, das als Tarnung über eine Falle gelegt wird und die Jagdbeute täuscht, damit es in die Falle fällt.
Wer durch sein Verhalten den Glauben der „Kleinen“ gefährdet – das kann das unglaubwürdige Verhalten von Christen genauso sein wie die vernichtende Dauerkritik über die Kirche in den Medien – stellt sich dem Plan Gottes in den Weg. Und ich selbst kann mir zum Fallholz werden durch das, was ich sehe, wo ich hingehe und was ich anfasse.
Ja, Jesus benutzt eine eigenartige Sprache und vielleicht kann man sie richtig nur als Orientale verstehen. Mit der Hand greifen wir – ergreifen aber auch, nehmen etwas in Besitz. Mit den Füßen können wir laufen, aber auch einen festen Standpunkt einnehmen. Mit den Augen können wir sehen, aber auch etwas und jemanden fixieren. Wie kann das auch zum „Fallholz“ werden?: Etwas krampfhaft festhalten – einen Menschen, eine Erinnerung, einen Groll und Zorn. Einen festen Standpunkt einnehmen – nicht dialogfähig zu sein, anderen keine Entwicklung zugestehen, andere oder gar sich selbst verurteilen und negativ sehen. Etwas oder jemanden fixieren – nicht fähig sein, eine andere Facette zu sehen, eine andere Wirklichkeit wahrzunehmen. All das führt nicht zum Leben – all das führt dazu, dass ich mich Gott gegenüber verschließe, also im wahrsten Sinne des Wortes „sündige“, da ich nicht Gottes Möglichkeiten Raum gebe, sondern nur meinen eigenen Vorstellungen.
Frohe Botschaft: Gott baut treu an Seinem Reich – und weil ER auf mich zählt, warnt Er mich vor den „Fallhölzern“, vor einem Skandal.
Amen.
(Das verwendete Titelbild der Fallgrube steht unter der CC-BY-SA 3.0 Lizenz und ist eine Foto von Georg Waßmuth (Geowas) entnommen aus WikiCommons)
Jesus Christus, den Herrn Seiner Kirche, der uns einlädt, dem Reich Gottes zu dienen, wollen wir bitten:
- Du bist die Tür, die zum wahren Leben führt: Wir bitten Dich für Deine Kirche und jeden Einzelnen von uns: um den Mut, der Welt ein glaubwürdiges Zeugnis des Lebens zu schenken, dass Du uns allen schenken möchtest.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Du bist das Licht der Welt und Du berufst alle Menschen dazu, mit ihren Gaben Zeuge dieses Lichtes zu sein. Lass uns mit Deinem Licht die Finsternisse dieser Welt und unseres Lebens erhellen.
- Du schenkst Dich uns in Brot und Wein: Hilf uns allen, mit unseren Händen und Füßen, Augen und Zungen den Weg der Nachfolge vertrauensvoll zu beschreiten und Dich selbst gerade zu denen zu bringen, die am Rande der Gesellschaft leben.
- Wir bitten auch um den Frieden in der Welt: im Heiligen Land, der Ukraine und überall dort, wo Eigeninteressen vor das Wohl der Menschen gestellt werden.
- Lass die, die durch die Tür des Lebens gegangen sind, bei Dir ewige Heimat finden.
Denn Du bist mit uns auf dem Weg zum Vater, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.