Verzicht – oder: Auf die Motivation kommt es an


Liebe Schwestern und Brüder,
Verzicht ist angesagt und liegt zurzeit auch wieder im Trend: Verzicht auf Fett und Kalorien; Verzicht auf Fleisch und Flugzeug; Verzicht auf Auto und Plastikmüll; Verzicht auf rechte Hetze und Vorurteile. Ja beinahe ist es so, dass derjenige, der nicht verzichtet, sich rechtfertigen muss. Verzicht für ein besseres Leben, für ein gesünderes Aussehen, für Umwelt und nachfolgende Generationen, für ein friedvolleres Miteinander und gerechteres Leben für alle. Was sich vor wenigen Jahren eher in einer religiösen Nische abspielte – „Weniger ist mehr!“ – das erfreut sich heute einer breiten Akzeptanz. Irgendwie scheint sich das Bewusstsein durchzusetzen, dass Haben und ein Immer-Mehr nicht alles sind, ja dass ein Weniger gut ist, auch weil es anderen nutzt; dass uns ein „wir“ weiterbringt als ein bloßes „ich“.
- So gesehen könnten wir uns freuen: Mit der Fastenzeit sind wir „up to date“, keine religiösen Sonderlinge, sondern mittendrin in einer Bewegung, die durch den Verzicht etwas bewegen, verbessern will.
Das ist für mich ein guter Grund, auf den besonderen Beitrag zu schauen, den wir als Christen in dieser Verzichts-Bewegung leisten oder leisten können.
Fasten, Almosen, eine besondere Zeit des Gebetes – das war für Jesus und Seine Zuhörer eine bekannte und gültige Praxis, da wird nichts Neues eingefügt. Dahinter stand ein religiöses Bedürfnis: Mein Verhältnis zu Gott zu klären! Das gerät immer wieder in eine Schieflage und so beginnt Jesus Seine Verkündigung mit dem Wort: Kehrt um, denkt um – Metanoia! Denn: Nicht ein Fasten, Almosengaben und eine besondere Zeit des Gebets wird etwas qualitativ verändern, sondern nur eine Änderung meines Denkens, meiner Haltung.
Das ist aber noch kein spezifisch christlicher Beitrag – denn Klimabewusstsein und „Fridays for Future“ – Bewegung setzen ja gerade auf dieses Umdenken, das erst eine Veränderung außen bewirkt. „Denkt um! – Kehrt zum!“ – das rufen uns auch die Klimaaktivisten zu!
- Was mich jedes Jahr neu berührt, ist der Satz des Paulus in seinem 2. Brief an die Korinther: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2Kor 5,20). Wenn Jesus sagt „Kehrt, denkt um“, sagt Paulus: „Lasst euch versöhnen!“ Dieses Umdenken zielt auf etwas ganz Bestimmtes: Auf mein Unversöhntsein! Dabei geht es nicht einfach darum, das ich mit mir, meinem Verhalten, meinem Aussehen, meiner Leistung unzufrieden wäre – oder mit „unserem“ Verhalten. Nein, es geht tiefer, grundsätzlicher: Es geht um meinen Widerstand gegenüber Gott!
Es ist ein feines Wissen um menschliches Verhalten und Fühlen, das Paulus auszeichnet: Dass ich mich gegenüber anderen, der Umwelt und auch gegenüber mir selbst oft unsensibel, ja rücksichtslos und schädlich verhalte, hat seine Wurzel, seinen Ursprung in meiner Auflehnung gegenüber Gott. Gerade scheinbar frommen Menschen ist dieser Gedanke schwer zugänglich: Ich? Ich bin doch auf der „Seite“ Gottes! Das verborgene Rebellieren gegenüber Gott zeigt sich im Abwerten anderer, in religiöser Härte, in Gebotsgerechtigkeit! Dahinter steckt: ich glaube nicht, dass Gott mich liebt! So denken wir dann: Damit ER mich lieben kann muss ich mich ändern! Das gelingt mir aber nur sehr bedingt – nie ganz.
Mich mit Gott versöhnen – mit dem Menschen, der ich bin, der Geschichte, den Anlagen und Begabungen, die ich habe und mich auszeichnen. Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen und auch gegenüber der Umwelt sind nur Zeichen eines tiefe Grolls –weil ich meine, dass Gott mir gegenüber rücksichtlos ist!
Denkt um – kehrt um – lasst euch mit Gott versöhnen! Das ist der spezifische Beitrag, den Christen in dieser Zeit des Verzichtes leisten können. Und das ist ein Dienst, der weit über uns hinausgreift!
Der liebende Gott – nicht einfach der „liebe“ Gott! Seine Liebe erst macht es möglich, dass ich mich ändern kann, ja ändern will! Dass ich meinen Platz im Ganzen akzeptiere und darin Frieden finde. Mein Platz ist der, durch den die Schöpfung mit dem Schöpfer verbunden wird, sich an ihn erinnert. Wenn mir das erst einmal aufgeht, ahne ich etwas von der Heiligkeit von allen und allem.
Damit dies wieder neu durchbrechen kann, verzichten wir Christen in dieser Fastenzeit wieder.
Amen.
Fürbitten
Zu Gott, der uns diese Gnadenzeit schenkt, um uns der Gleichgültigkeit und unseren Wüsten zu entreißen, bitten wir:
- Hilf uns als Deiner Kirche, in diesen Wochen durch den Verzicht zu entdecken, wie wir Dir und Deiner Botschaft neu Gehör verschaffen können und damit die Kirche werden, die Du Dir ersehnst.
(Herr, erhöre uns – Herr, erhöre uns)
- Sei allen nahe, die sich in dieser Fastenzeit wieder neu um eine lebendige Beziehung zu Dir mühen und komme ihnen mit Deiner Liebe entgegen.
- Hilf Deiner Kirche und allen Getauften, dass wir umkehren und so der Welt helfen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Nöten vieler Menschen und der Umwelt zu überwinden.
- Begleite unsere Gemeinde in dieser Fastenzeit durch Deine heilende Gegenwart: in unseren Familien und Gruppen, an unseren Arbeits- und Wirkungsstätten.
- Begleite unsere Kommunionkinder und Firmlinge und alle, die sich in diesen Wochen auf die Feier Ihrer Taufe vorbereiten.
- Lass unsere Verstorbenen die Gemeinschaft erfahren, zu der wir alle berufen sind.
Gott, unser Vater, wir danken Dir für diese 40 Tage der Gnade, die Du uns jedes Jahr schenkst. Begleite und stärke uns. So bitten wir Dich durch unseren Herrn Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen
