Stürme – oder: Wer gibt wirklich Halt?
Die Texte am 12. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Ijob 38, 1.8–11 und 2 Kor 5, 14–17) und das Evangelium (Mk 4, 35–41), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
das dürfte auch den damaligen Bewohnern Galiläas bekannt gewesen sein: Bei bestimmten Wetterlagen konnte es sein, dass von den Bergen, die den See von Galiläa umgeben, wie aus dem nichts Fallwinde auf das Wasser treffen und es aufwühlen, gefährlich für ein kleines Boot. Und genauso plötzlich kann dieser Spuk auch wieder vorbei sein. Heute können wir das noch besser erklären. Muss daraus ein Wunder Jesu gemacht werden?
Die Vermutung liegt nahe, dass da noch etwas ganz anderes angesprochen wird: Stürme, die uns Angst machen, die uns den Halt im Leben nehmen, die unser Vertrauen erschüttern.
- Die drei synoptischen Evangelien – Mt, Mk, Lk – berichten uns von diesem Sturm auf dem See. Dabei geht es um die Jünger und noch konkreter um ihren Glauben! Sie hatten Jesus bisher nur als Lehrer kennengelernt und so bezeichnen sie Ihn auch: Meister, Lehrer. Von dem, was ER sagte, waren sie beeindruckt. Das ist ja schon mal was! Das klingt nach einem ganz netten Lebensmodell. Darum geht es Jesus aber nicht, dafür ist ER nicht gekommen! Er will nicht „etwas“ sein, das an unserem Leben dranhängt oder auch nicht. Es geht um mehr – um viel mehr! Es geht um Religion im eigentlichen Sinne: Re-ligere, wieder festmachen. Meinem Leben Halt geben, indem ich mich an etwas oder jemandem festmache, so sehr, dass es Fundament meines Lebens sein und werden kann.
- Der Sturm auf dem See: Halten wir uns nicht bei nebensächlichen Themen wie dem Schlaf Jesu oder durchnässten Ruhekissen auf – sie gehen am Gemeinten vorbei. „Habt ihr noch keinen Glauben?“, fragt Jesus. Vertraut ihr nicht dem was ihr vorher gehört, erlebt und gesehen habt? Früher sprach man von „Sonntagschristen“: Sonntags geht es in die Kirche und hört sich Frommes an, aber während der Woche gelten andere Gesetze. Diese Spannung tun sich viele heute nicht mehr an. Der Sonntag wird gestrichen, religiöse Betätigung, wenn überhaupt, dann auf ein notwendiges Maß reduziert.
In meinem Erleben hat das die Corona-Zeit in besonderer Weise verstärkt. Die Kirche hat daran einen gehörigen Anteil – die verschreckten Jünger im Boot können anderen wenig Sicherheit vermitteln! Was trägt, wenn nichts mehr trägt? Was gibt Halt im Sturm, der das Lebensboot im Griff zu haben scheint? Erinnern wir uns noch an das Gebet des Papstes, der in dieser Zeit einsam auf dem Petersplatz vor dem Kreuz stand? Mir gab das Kraft! Der Glaube bewahrt mich nicht vor der Krankheit, aber vor der Verzweiflung; er rettet mich auch nicht vor dem biologischen Tod, aber vor dem Gedanken an einen Untergang!
Jesus weiß sich vom Vater getragen und kann so alle anderen Sicherheiten loslassen. Dazu lädt Er uns ein. Konkret. Immer. Jetzt. Und immer den Einzelnen, der Seine Stimme hört – sei es im Außen durch ein Wort der Schrift, sei es im Echo des eigenen Innern.
Hier helfen auch keine theologischen oder spirituellen Bücher. Sie können höchstens Hinweise sein. Sie können Anregungen geben – mehr nicht. Viel überzeugender sind Menschen die uns erzählen, vorleben, wie das Leben im Vertrauen auf Ihn ganz anders wird, ruhiger. Ich selbst habe solche Menschen vor Augen, die mich durch ihr Vertrauen in Christus beindrucken. Die gelernt haben, die Angst, die bei Stürmen kommt, immer wieder loszulassen und auf Den zu setzen, der mit im Boot sitzt – im kleinen Boot ihres Lebens.
Es gibt sie, diese Menschen, auch unter uns. Es wird Zeit, dass sie, das wir ins Erzählen kommen über die Angst im Sturm und die Gegenwart Jesu.
Vielleicht wäre das ja ein Weg: Ich lade ein. Ich lade ein zur Romwallfahrt im nächsten Jahr, dem Heiligen Jahr. „Pilger der Hoffnung“ ist es überschrieben. Solche Pilger sind wir nicht einfach nur für uns selbst. Wir sind es für die Vielen, die in den Stürmen des Alltags keinen Halt finden. Uns jetzt schon als solche Pilger zu verstehen – egal ob es dann konkret mit nach Rom geht oder nicht. Das könnte ein Anfang sein. Lassen Sie mich Ihre Meinung darüber wissen!
Vielleicht kann dem einen oder anderen auf diesem Weg die Augen dafür geöffnet werden, wer da schon längst mit im Boot sitzt…!
Amen.
Herr Jesus Christus, mit unseren Bitten und Anliegen, mit dem, was uns ängstigt und sorgt dürfen wir zu Dir kommen. Wir bitten Dich:
- Schenke uns die Bereitschaft, gerade in den Stürmen unseres Lebens die Hand nach Dir auszustrecken und mit Deiner Hilfe und Gegenwart zu rechnen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Zeige denen Deine Gegenwart, die durch schwierige Lebensumstände an Deiner Sorge um sie zweifeln.
- Wir bitten Dich für unsere Kinder und Jungendlichen, dass sie auch durch uns den Mut finden, ihr Leben nach dem auszurichten, was Du von ihnen möchtest.
- Sei denen nahe, um die wir uns sorgen, die unter Krankheit leiden, die vereinsamt sind, die dem Tode entgegen sehen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass sie bei Dir geborgen sind.
Denn Du rufst uns in die Gemeinschaft, in der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.