Sendung des Geistes – oder: die Kraft der Vergebung
- Sendung des Geistes – oder: die Kraft der Vergebung
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore zu Pfingsten 2022 zum Download
Die Texte zu Pfingsten 2022 des Lesejahres C der Lesungen (Apg 2, 1–11 und 1 Kor 12, 3b–7.12–13 oder Röm 8, 8–17) und das Evangelium (Joh 20, 19–23 oder Joh 14, 15–16.23b–26) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
das erste, was durch die Gabe des Heiligen Geistes ermöglicht wird: Vergebung! Eigenartig. Wären wir gleich darauf gekommen? Wenn man uns fragte: „Was bewirkt der Heilige Geist?“, dann würden wir doch eher antworten: Kraft, Trost, Zuversicht, Hoffnung, Glaubensstärke … Das ist ja alles richtig und doch steht hier bei Johannes: Vergebung!
Es steht so deutlich da und doch höre ich es seit der Corona-Pandemie mit neuen Ohren, vielleicht auch, weil ich den Satz des damaligen Gesundheitsministers so bemerkenswert ehrlich fand, der meinte, dass wir nach der Corona-Krise einander vieles verzeihen müssten! Das ist bisher noch nicht geschehen …
- „Wem ihr die Sünden erlasst, vergebt“: Versuchen wir uns einmal von der Vorstellung zu befreien, hier ginge es um die Beichte vor dem Priester und dessen Macht, im Namen Gottes zu vergeben oder es nicht zu tun. Denn damit gehen wir an dem Text vorbei und packen ihn in eine zu enge Kiste.
Nähern wir uns dem Text: Zunächst heißt es, dass Jesus „in die Mitte“ tritt – und nicht einfach in die Mitte des Jüngerkreises. In die Mitte. In meine Mitte. „Friede euch“, Schalom, Wohlergehen, wiedererlangte Harmonie, Heil. Das ist das erste: Dem verschreckten, aufgewühlten und schuldbeladenen Herzen genau das zu sagen. Friede euch. Dir. In meine aufgewühlte, verängstigte Mitte hinein. Auch jetzt, hier – bei mir, bei Ihnen: Friede dir, euch! Friede in dieser Zeit, die vom Krieg in der Ukraine gezeichnet ist, von so viel Unsicherheit und Ängsten, von Unfrieden in so vielen Teilen dieser Welt.
Die Jünger, so heißt es in dem Text, hätten sich aus Furcht eingeschlossen. Das kennen wir. Und deshalb begegnet ihnen Jesus gerade so: Friede. So begegnet ER uns.
- Und dann öffnet Er ihnen die Augen für das Neue, das geschehen ist: das Leben aus dem Tod. An Ihm selbst zu sehen, anzufassen, zu „begreifen“. Nicht das Leid, nicht die Angst und der Tod haben die letzte Macht, sondern das Leben. Und Leben meint: die Gemeinschaft mit Ihm. Und deswegen möchte Er den Jüngern auch wieder die Gemeinschaft untereinander schenken, und das gelingt nur durch Seine Kraft, die Kraft des Geistes: die Kraft der Vergebung!
Natürlich haben sich die Jünger gegenseitig viel vorzuwerfen, alle haben irgendwie versagt, sind weggelaufen, haben Verrat geübt. Das bleibt in einer solchen Gemeinschaft doch nicht ohne Spuren! Das merken wir doch.
„Empfangt den Geist zu Vergebung“: Erkennt euch selbst und seht so, wie auch der andere sich nach Leben sehnt, nach Sicherheit, Glück, Annahme. Erkennt euch selbst darin – und vergebt.
Das ist ein Wunsch Jesu, keine moralische Forderung, mit der Generationen von Menschen geplagt wurden: Du musst vergeben! Nein, es ist ein Wunsch, der zur Befreiung führt. Es nicht zu tun hat eben auch Konsequenzen. Wenn wir nicht vergeben oder wörtlich: Wenn wir sie – das Versagen, die Sünde – jemandem behalten, dann bin ich weiterhin an ihn gebunden, dann bin ich nicht frei.
Wie oft erlebe ich es, wie Menschen einander nicht vergeben können und so – auch über Ländergrenzen hinweg, über Jahrzehnte getrennt – dennoch miteinander verbunden sind: Voller Gram und Verbitterung, mit einem verborgenen Stein im Herzen, mit hassverzerrter Stimme, wenn die Sprache auf denjenigen kommt. Da schwärt etwas weiter, etwas Bedrückendes, Unheiles, Friedloses.
Das heutige Pfingstfest lenkt unseren Blick auf die Zukunft, auf unser Miteinander. Wir haben als Gemeinde, als Christen einen wichtigen Beitrag zu leisten. Nicht nur für unsere eigene Kirche in Deutschland. Aber eben auch dort: In all dem Erschrecken über Versagen – es muss dabei auch der Boden für die Vergebung bereitet werden. Und es geht auch um einen Dienst an der Gesellschaft, für unsere Zeit, die kommen wird. Lassen wir uns von Gottes Geist tüchtig durchpusten, anwehen, anfeuern, denn: Vergebung tut gut.
Sie ist möglich. Sie ist die Gabe Gottes.
Das ist Frohe Botschaft.
Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, in der Osternacht haben wir unser Taufversprechen erneuert. Am Pfingstfest wollen wir uns an unsere Firmung erinnern. So lasst uns darum um die Gaben dieses Geistes Gottes bitten, der uns befähigt, SEIN Wort durch unser Leben zu verkünden:
- Komm herab, Du Geist der Weisheit, so dass wir fähig werden, Deine Gegenwart unter uns zu entdecken und anderen Zeugnis Deiner Liebe zu geben.
(Nach jeder Bitte folgt eine Strophe des Hl.-Geist-Liedes GL 342) - Du Geist der Einsicht, wir bitten Dich besonders für die Kriegs- und Konfliktparteien in der Ukraine und auf der ganzen Erde, dass die Sehnsucht nach Frieden und Einigkeit den Wunsch nach Rache und Gewalt überwindet.
- Komm herab, Du Geist des Rates, und stärke besonders diejenigen, die in dieser Zeit Verantwortung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben.
- Du Geist der Stärke, hilf denen auf, die durch innere oder äußere Not nicht mehr ein noch aus wissen und lass sie in menschlicher Nähe auch Deine Gegenwart erkennen.
- Komm herab, Du Geist der Erkenntnis, und stärke unsere Kinder und Jugendlichen, so dass sie die Freude verspüren, die ein Leben aus Deiner Freundschaft schenkt.
- Du Geist der Frömmigkeit, Dir vertrauen wir unsere Verstobenen an, denn an Dich und Deine Führung glaubten sie (hier werden die Namen genannt!). Lass sie nun im Himmlischen Jerusalem Wohnung finden.
Du Geist des Vaters und des Sohnes, der uns die Gottesfurcht eingießt. Du hast die Jungfrau Maria überschattet und wurdest über die Apostel und die ganze Kirche ausgegossen. Belebe Deine Gläubigen und stärke uns mit Deinen Gaben, so dass wir IHM immer ähnlicher werden, unserem Herrn Jesus Christus, der in der Einheit des Vaters mit Dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.