Mit Vollmacht – oder: über Gotteserfahrungen sprechen


Liebe Schwestern und Brüder,
„und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22).
An diesem Satz bleibe ich hängen und ich versuche, mich in Gedanken hineinzuversetzen: in die Synagoge von Kafarnaum, in deren Ruine ich schon saß. Ich stelle mir dort einen Gottesdienst vor und beobachte, was da geschieht. Predigten gehören dazu – damals wie heute. Da gibt es gute und schlechte, langweilige und spannende – jeder Hörer hat da seine ganz eigenen Kriterien. In Kafarnaum aber staunen plötzlich alle, sie sind betroffen, außer sich, sie werden emotional angesprochen. Nicht, weil da einer provoziert – das kann Menschen ja auch aufpeitschen – sondern weil er mit „Vollmacht“ redet, mit einer spürbaren Freiheit, Macht und Fähigkeit. All das haben die Schriftgelehrten nicht. Im besten Fall reden sie Richtiges und Erbauliches. Aber so, dass es die Menschen von den Stühlen reißt? Nein. Das ist heute nicht anders … .
- Was ist diese „Vollmacht“? Ich glaube nicht, dass es dafür eine Definition gibt – wir müssen es erlebt haben! Wenn Sie es erleben, wissen Sie es sofort! Ich denke an einen Mann, der vor einigen Jahren dazu ermutigte, Gott nicht einfach nur zu vertrauen, sondern Ihn als täglich erfahrbaren Wegbegleiter zu entdecken. Dabei erzählte er von seinem Weg als Alkoholabhängiger, dessen Leben am seidenen Faden hing. Das Beispiel anderer, vor allem einer Ordensfrau, imponierte ihm: Kann Gott wirklich heilen? Konkret mein Leben verwandeln – wenn ich Ihm die Möglichkeit biete? Er hat es erfahren und sein Sprechen von Gott war und ist so authentisch, wie ich es vorher nicht erlebte, nicht kannte. Da war jemand mit „Vollmacht“: Jemand der von eigener Erfahrung berichtete, jemand, der weiß, wie es sich anfühlt, auf Gott zu vertrauen.
Seit damals habe ich ihn noch mehrmals gehört und erlebt, ihn und andere, denen es ähnlich ging und die die Zuhörer ansteckten mit ihrer Begeisterung und ihrem Wissen, dass Religion nicht etwas für den Kopf ist, sondern fürs Leben! Dass es auch nichts mit Bildung zu tun hat oder damit, „würdig“ zu sein. Nein, schlicht und einfach: Macht den Anfang, lasst euch auf das Wort Gottes ein und: sprecht über eure Erfahrung! Ihr werdet staunen.
- Was das bewirken kann, können wir im Evangelium sehen: Ein von einem unreinen Geist Besessener fängt an zu schreien und wird von Jesus befreit. Denken wir jetzt bitte nicht gleich an satanische Besessenheit und winken ab! Es geht um all die – die vielen! – die durch „böse Geister“ am eigenen Leben gehindert werden. Diese Geister können Konsequenzen der Prägung meiner Kindheit sein: ich bin nichts, kann nichts! Ein mangelndes Selbstwertgefühl, das mich nie wagen lässt, das Leben so zu leben, wie ich es gerne leben möchte. Oder die Konsequenz eigener Schuldgeschichte: „Wenn jemand das von mir wüsste…!“
Das erste Wunder, das Jesus im Markusevangelium wirkt: ein Mann wird befreit zu sich selber. ER kann zu sich selbst stehen und die Dämonen haben keine Macht mehr über ihn – egal, wie sie heißen! Da erschrecken die Menschen noch mal mehr: Das ist möglich – ein Mensch beginnt neu zu leben. Als ich selbst diesen Mann kennenlernte – und in der Folge viele andere! – staunte ich über eine Person, die so viel Sicherheit und Überzeugung ausstrahlt, die man ihm früher nie zugetraut hätte, dessen Dämonen ihn verlassen hatten.
- Das ist es, was Religion bewirkt. Und es geschieht. Immer wieder. Überall dort, wo Menschen erleben, dass authentisch, mit „Vollmacht“ über Gott gesprochen wird, wo Menschen Zeugnis ablegen und nicht einfach interessante Weisheiten über den Glauben erzählen – wie Schriftgelehrte eben – überall dort wird etwas bewegt, wird etwas heil in einem Leben. Klar, schließlich ist einer der Titel Jesu ja auch Heiland, Salvator!
Vielleicht sollten wir mehr darum bitten, dass uns solche Zeugen geschenkt werden – Zeugen, die authentisch erzählen. Ich hab’s erlebt … .
Amen.
Fürbitten
So wie damals in Kafarnaum ist unser Herr Jesus Christus jetzt auch hier, mitten unter uns und lädt uns mit Vollmacht ein, dem Vater zu vertrauen. Wir bitten Ihn:
- Schenke uns den Mut, uns auf Dein Wort wirklich zu verlassen und die Erfahrung zu machen, dass Du unser Leben hältst und führst und das „böse Geister“ uns verlassen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Viele Menschen suchen danach, dauerhaft gehalten und begleitet zu werden: Schenke uns Deinen Geist, dass wir sie durch unser Glaubenszeugnis zu Dir führen können.
- Wir bitten Dich für diejenigen, die durch die Corona-Pandemie verängstigt sind; für die, die erkrankt sind oder sich um einen Erkrankten sorgen: Lass sie erfahren, dass wir in allem von Dir getragen werden.
- Für alle Abhängigen, die durch eine Sucht gefangen sind und aus eigener Kraft den Weg ins Leben nicht finden: Lass sie auf Menschen treffen, die sie zu Dir, dem Heiland, führen können.
- Nimm unsere Verstorbenen bei Dir auf und befreie sie von allem Bösen, in das sie sich verstrickt haben könnten.
Dir vertrauen wir uns an, denn Du führst uns zum Vater, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen
