Hochfest "Verkündigung des Herrn"
Gedanken zum Fest "Verkündigung des Herrn" von Pfarrer Ralph Senft
Schwestern und Brüder in Christus!
Nachdem wir nun schon eine Woche lang keine Gottesdienste mehr gemeinsam feiern konnten, wende ich mich auf diesem Weg an Sie, um Ihnen zu sagen, dass ich die Feier der Eucharistie mit Ihnen allen schmerzlich vermisse. Auch wenn wir Priester die Eucharistie nun ohne Beteiligung der Gemeinde feiern, so feiern wir doch diese für Sie und für alle, die Ihnen verbunden sind. Das ist das Großartige an der Feier der Eucharistie, dass wir sie zu keiner Zeit und auch in unserer gegenwärtigen für uns alle schwierigen Zeit nie als Einzelne feiern, sondern immer in der weltweiten Gemeinschaft der Kirche, zu der auch die bereits vollendeten Glieder der Kirche im Himmel gehören. Das ist für mich ein sehr tröstlicher und Kraft gebender Gedanke. In der Feier der Eucharistie sind wir über die Grenzen von Raum und Zeit beieinander.
In diese Zeit der Herausforderung fällt nun auch das Fest der Verkündigung des Herrn. Neun Monate vor dem Fest der Geburt des Herrn wird es gefeiert: Der Engel Gabriel verkündet Maria, dass sie zur Mutter des Messias, des Gottessohnes, erwählt ist. Und Maria spricht als Vertreterin ihres Volkes und der Menschheit Ihr Ja zum Heilsplan Gottes.
Wie vor Maria liegt nun auch vor uns eine Zeit, in der unser Leben in anderen Bahnen verläuft, in der wir vor ganz neuen Herausforderungen stehen, in der wir mehr als sonst Beschränkungen, Beschwerden und Schmerzliches erleben. Zu diesem Weg gilt es nun, Ja zu sagen und ihn zu gehen – im Vertrauen darauf, dass Gott sein Ja zu uns und zu seiner ganzen Menschheit nicht zurücknimmt, sondern uns durch diese Krise begleitet und uns zum Heil führt. Dazu hat er seinen Sohn in die Welt gesandt, ihn unseren Heiland, der gekommen ist, „damit wir das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Und so hoffe ich, dass auch in uns in den kommenden Monaten vieles wachsen und reifen kann, das uns zu einem neuem Leben führt: zu einem Leben mit mehr Tiefgang, wo wir erkennen, was für ein erfülltes Leben wirklich wichtig ist, zu einem nachhaltigen und solidarischen Leben, zu einem Leben in der Gemeinschaft mit Gott und mit der ganzen Menschheitsfamilie.
In diesen Wochen nun erleben wir besonders, dass tief in uns eine Sehnsucht lebt nach Worten, die gut tun. Ob über Telefon, WhatsApp, Facetime oder Skype, ob über E-Mail oder in gebührendem Abstand beim Spaziergang, wir möchten erfahren, dass wir jemandem wichtig sind: Wir möchten Aussagen vernehmen wie: „Du bist mir wichtig.“ „Ich mag dich.“ „Mich interessiert deine Meinung.“ „Du hast Qualitäten, die man so bei keinem anderen findet, und ich möchte, dass du das von mir persönlich erfährst."
So eine Erfahrung macht Maria, als der Engel des Herrn zu ihr kommt und ihr ankündigt, dass sie von Gott für eine große Aufgabe ausersehen war. Damit bringt er ihr wirklich eine gute Nachricht. Und diese ist eingebettet in Worte, die Halt geben: „Fürchte dich nicht Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.“ Das hat vorher noch nie jemand zu Maria gesagt, und das hat Gott außer zu ihr so auch noch zu keinem anderen Menschen gesagt. Und so ist Maria von dieser Begegnung tief berührt. Sie spürt, dass es hier nicht um irgendeine Nachricht geht. Die Botschaft des Engels betrifft sie ganz persönlich und hat zugleich Bedeutung für das ganze Menschengeschlecht: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären“.
Der Frau von Nazaret tut es gut, wie ernst sie der Engel nimmt. Gott lässt ihr zugleich die Freiheit. Sie darf nachdenken und nachfragen: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“
Und Maria erhält eine Antwort. Gott würdigt sie als Partnerin: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“
In diesen Worten und durch diese Aufgabe entdeckt Maria in sich das gute Gefühl, in den Augen eines anderen wichtig, ja sogar sehr wichtig zu sein. Denn Gott selbst ist es, der sie anspricht und sie um die Übernahme eines Auftrages bittet.
Zugleich spürt sie die Schwere und die Last, die mit dieser Anfrage verbunden sind. Denn ausgerechnet sie hat der große Gott ausgewählt. Sie soll einwilligen, damit der neue und ewige Bund mit der Menschheit durch ihr „Ja“ geschlossen werden kann. Und sie tut es schließlich im Vertrauen auf die Zusicherung Gottes, dass ihm nichts unmöglich ist. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Maria spürt und weiß: Egal, was jetzt auch kommen mag, egal, welche Beschwernisse diese Zusage Gott gegenüber mit sich bringen wird, Gott ist derjenige, der sie in ihrem „Ja“ zu seinem Weg hält und zu ihr stehen wird. Dessen ist sie sich nun sicher und darauf vertraut sie.
Diese Erfahrung Mariens darf und soll jeder von uns sich zu Herzen nehmen. Wie unsere Vorfahren in den großen und kleinen Krisen ihres Lebens, so dürfen auch wir in allen Lebenslagen und gerade jetzt in dieser Krisenzeit unser Vertrauen auf die Fürsprache der Gottesmutter setzen und ihr Vertrauen in Gott als Beispiel nehmen, es uns zu Herzen nehmen.
Gott sagt durch seinen Engel auch mir heute eine gute Botschaft. Er bedeutet mir, dass er mich über alles liebt. Er erinnert mich an meine Talente und Stärken. Er beruft mich und traut mir etwas zu. Er spricht mich ganz persönlich an. Und überall, wo ich in diesen Tagen und Wochen gute Worte höre, darf ich sie als persönlichen Liebesgruß meines Gottes auffassen. Das gibt mir wie Maria Kraft und Mut, auch mein „Ja“ zu sprechen und den Weg zu gehen, den Gott für mich in den Blick genommen hat, ohne Angst, mit einem gläubigen und festen Vertrauen in ihn, um so das Ziel meines Lebens zu erreichen – hier auf Erden und einmal ganz bei Gott.
Verbunden in der Feier der Eucharistie und im Gebet grüße ich Sie herzlich.
Gott schütze und segne Sie.
Ihr Pfarrer Ralph Senft
Sie können täglich die Heilige Messe im livestream aus der Kapelle des Bischofshauses mitfeiern.