Freundschaft
Die Texte am 6. Sonntag der Osterzeit des Lesejahres B, die Lesungen (Apg 10, 25–26.34–35.44–48 und 1 Joh 4, 7–10) und das Evangelium (Joh 15, 9–17), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
zu meinem persönlichen „Wort-Schatz“ gehört der Begriff „Freund“! Er bezeichnet etwas Besonderes, Menschen, die ein Geschenk sind, denen ich Geschenk sein darf. Sie haben nichts mit der Inflation der „Facebook-Freunde“ zu tun, auch nichts mit dem englischen Ausdruck „to make friends“ – das geht gar nicht: sich einen Freund „machen“! Nein, ganz klassisch, was sich bei großen und kleinen Denkern seit über zwei Jahrtausenden über diesen besonderen Menschentyp findet: den Freund. Jesus benutzt dieses Wort für uns, für mich: „Ich nenne euch Freunde!“
Es sind – kurz zusammengefasst – drei Merkmale, die für mich einen Freund ausmachen: Herzliche Sympathie und Zuneigung; gemeinsame Interessen; Vertrauen. Wenn Jesus den Begriff „Freund“ benutzt, kann Er nichts völlig anderes damit meinen. Diese drei Merkmale möchte ich nun in der Blickrichtung Jesu auf uns, auf mich, anwenden:
- Jesus ist uns, mir, herzlich zugetan. Das können wir nicht künstlich herstellen, nicht „machen“! Freunde entdecken, dass es so ist und freuen sich daran. Unabhängig davon, wie ich mich selbst oder meine Umwelt mich wahrnimmt: Jesus hat sich mir gegenüber positioniert. Bei Ihm können wir vermuten, dass Er weiß warum. Mit dieser Zusage einmal bewusst diesen Sonntag erleben…!
- Jesus entdeckt – oder weckt – bei Seinen Jüngern weiterhin gemeinsame Interessen, Anliegen. Das, was Ihn ausmacht und was Er oft betont, ist, dass Er die Gebote des Vaters hält und halten will. Der Kern der Gebote besteht darin, die Zuwendung Gottes, Seine Liebe, zu leben und zu bezeugen. Das verästelt sich in alle Bereiche des Lebens, ist immer aktuell und immer neu, weil es ständig auf neue Situationen angewendet werden kann. Das kann im Extremfall so weit gehen, den Feind zu lieben, sein Leben hinzugeben. Jesus sieht in uns, in mir nicht nur einen stillen Sympathisanten, sondern jemanden, der diese Interessen, diese Anliegen teilt, so, wie Freunde das eben tun!
Im Blick auf meinen Alltag sagt Jesus: Du bist mir Freund, Freundin, denn du weißt von meinem Anliegen und du teilst es. Bei dir ist es in guten Händen!
Das überrascht: in erster Linie mich, uns, die Kirche. Der Alltag gerade fordert uns oft auch zu Kompromissen auf und immer wieder „heulen wir auch mit den Wölfen“. Viel wird heute von Selbstverwirklichung gesprochen – warum weigere ich mich immer wieder, die Interessen zu pflegen, die in mir schlummern und die der Grund dafür sind, dass Jesus mich „Freund“ nennt? Ich merke, dass neben den drei Merkmalen der Freundschaft noch eine wichtige Haltung hinzukommen muss: das Verzeihen! Was mir Mut macht: Jesus weiß ja, mit wem Er es hier zu tun hat, Er traut mir offensichtlich viel mehr zu, als ich das selbst tue. Veränderung geschieht – im Kleinen und Großen – wenn mir selbst diese Freundschaft wichtiger wird.
- Damit bin ich schon mitten im dritten Merkmal der Freundschaft: dem Vertrauen. Es ist bedingungslos – sonst brauchen wir nicht von Freundschaft zu sprechen. Vertrauen, dass ich beim anderen „zu Hause“ bin und er bei mir. Vertrauen, dass ich mich so zeigen und geben kann, wie ich bin. Ich bin geliebt – deswegen oder manchmal auch trotzdem! Vertrauen, dass die Schwäche des anderen nicht ausgenutzt wird, dass Verletzungen einen Schonraum finden, Träume gepflegt werden dürfen. Es ist das Vertrauen, das auch dann nicht erschüttert wird, wenn mir ein hartes Wort zugemutet wird, da der Freund nur so durchdringt zum Kern meiner Person.
Das heutige Evangelium ist für mich so einerseits Zuspruch, andererseits auch Zumutung: Indem es sagt, was ich bin, was wir sind – Freund – macht es deutlich, wie wir uns immer wieder auch nicht verhalten: als Freunde Jesu!
Es geht in der Osterzeit und jetzt in den Tagen der Vorbereitung auf Pfingsten darum, aus der Freude der Auferstehungsbotschaft zu leben und Leben zu gestalten. Das gelingt nur, wenn ich bereit bin zu sein, was mir zugesagt wird: Freund, Freundin des Herrn.
Amen.
Unser Herr Jesus Christus nennt uns Freunde. So dürfen wir zu Ihm kommen und Ihm unsere Bitten und Anliegen anvertrauen:
- Wir bitten Dich für Deine Kirche, weltweit und hier in unseren Gemeinden: Lass uns glaubwürdige Zeugen der Freundschaft sein, die Du jedem Menschen anbietest.
(Du göttlicher Freund – wir bitten Dich, erhöre uns) - Wir bitten Dich für diejenigen, deren Leben ohne Freunde und ohne Freude ist. Gib Dich ihnen auch durch uns zu erkennen.
- Wir bitten Dich für diejenigen, die eine Verantwortung in Politik und Wirtschaft übertragen bekommen haben. Hilf ihnen, dass Wahrheit und Gerechtigkeit zum Maßstab ihres Handelns werden können.
- Wir bitten Dich in diesen Tagen besonders für die Menschen und Länder, die unter Krieg, Hunger, wirtschaftlichen Krisen und Unterdrückung leiden und nicht wissen, wie es weitergehen kann.
- Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen: Lass sie in der ewigen Freundschaft mit Dir geborgen sein.
Durch Dich erfahren wir, wer wir für den Vater sind, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und uns liebt in alle Ewigkeit.
Amen.