Die Hirtensorge Gottes – oder: Wie nahe kommt Gott an mich heran?
Die Texte am 16. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Jer 23, 1–6 und Eph 2, 13–18) und das Evangelium (Mk 6, 30–34), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ein Hirt, der sich sorgt; der vor Mitleid innerlich aufgewühlt wird. Dieses Bild der Sorge Gottes um den Menschen ist uralt. Und es spricht eine Sehnsucht in uns an: Da ist einer, dem es wirklich um uns, um mich geht. Mögen viele Menschen im Alltag angeblich mit Religion oder Kirche wenig bis nichts am Hut haben – eine Sehnsucht ist da! Gerade in Ferien zeigt sie sich: Ein kurzer Besuch in einer Kirche, das Entzünden einer Kerze … Es möge Einer da sein, dem ich nicht egal bin, mehr noch: der sich kümmert, vielleicht sogar sorgt.
Hier setzt auch die Kritik an Kirche an, an der Institution und ihren Vertretern. Menschen fühlen sich nicht mehr begleitet, ja sogar im Stich gelassen. Personen, die im Alltag mit beiden Beinen fest im Beruf stehen, entscheiden und leiten müssen, Verantwortung übernehmen und tragen – im privaten Bereich zeigen sie eine andere Seite. Und Religion gehört in diese Vorstellung des Privaten: Da sollen Bedürfnisse befriedigt werden, die sonst zu kurz kommen. Vor allem eine Antwort auf die Frage: Bin ich getragen? Gibt es diesen „Hirten“? Kirche scheint dieses Bedürfnis immer weniger befriedigen zu können.
Schauen wir doch einmal von einer anderen Seite darauf: In welcher Weise kann dieser Hirte bei uns überhaupt ankommen? Erlaube ich es Gott überhaupt, eine Rolle in meinem Leben zu spielen? Oder besser: eine entscheidende Rolle? Denn: Für eine Nebenrolle ist ER nicht zu haben!
Nebenrolle: Gott als Lückenbüßer oder Sturmversicherung, wenn anderes nicht mehr geht oder funktioniert (hin und wieder habe ich den Eindruck, dass Sakramente so verstanden werden: Der Arzt sagt, dass nichts mehr zu machen sei – dann muss halt noch der Priester her. Der Glaube an dessen Hokuspokus ist nicht groß, aber sicher ist sicher!)
- Das Bild des Hirten: Es funktioniert nur dann, wenn auch die andere Seite in den Blick kommt, die Seite der Schafe! Wenn kein völliges Vertrauen in den Hirten da ist, sind die Herde und damit auch das einzelne Schaf verloren. Gewiss, der Hirt erwirbt sich das Vertrauen: Futtersuche, Wasserquelle, Schutz vor Gefahren, die Nacht und Unwetter. Dann aber muss es klar sein: Ein Schaf, das bei jeder neuen Herausforderung zögert und zurück bleibt, ist auf lange Sicht verloren.
Im Evangelium heißt es, dass Jesus die Menge lange lehrt. Der Inhalt ist uns letztlich bekannt: das, was uns die Evangelien überliefern. Und da geht es immer um das Vertrauen. Daran hängt alles. Darum dreht sich alles!
Also: Wie nahe kommt Gott an mich heran?
Ja: ich muss es zulassen. Ich muss den Schritt wagen. Meine Erfahrung ist: Dieser Schritt geschieht oft erst dann, wenn ich mit einer Sorge, einer Not ganz unten angekommen bin, wenn mir keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Jesus sieht im Evangelium heute Menschen, die „verloren“ scheinen. ER wendet sich ihnen zu und wir werden in den nächsten Wochen hören, wie das weitergeht: Die wunderbare Speisung und das Brotwunder – aber dann auch die Ablehnung eines göttlichen Anspruchs, gar einer göttlichen Präsenz. Hilfe in der Not? Ja, gerne. Aber bitte zu unseren Bedingungen!
- Sicher: Es ist hilfreich, Menschen von ihren Erfahrungen erzählen zu hören, wie sie aus den Ruinen ihres Lebens auferstanden sind und durch das Vertrauen in Gottes Gegenwart einen neuen Stand im Leben finden konnten (ich erlebte das in diesen Tagen wieder bei der Gemeinschaft Cenacolo, in der ehemalige Suchtabhängige und ihre Familien ein neues Leben geschenkt bekamen).
Letztlich führt aber doch kein Weg daran, vorbei, dass ich selbst den Sprung wagen muss, ohne Netz und doppelten Boden: den Sprung ins Vertrauen gegenüber DEM, der sich sorgt, kümmert und gibt, was gebraucht wird – und viel mehr darüber hinaus.
Wer dies erfahren hat, lebt anders. In seinem Umfeld wird Hoffnung spürbar.
Hoffnung, die die Erfahrung gemacht hat, dass Er wirklich trägt, dieser Hirt!
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der weiß, was wir brauchen, bitten wir:
- Du lädst Deine Jünger ein, an einen ruhigen Ort zu kommen: Wir bitten Dich für diejenigen, die in diesen Tagen in Ferien fahren. Schenke ihnen wahre Erholung an Leib und Seele und lass sie gesund wieder nach Hause kommen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Du sagst denen, die Dich suchen, Dein rettendes Wort: Schenke besonders denen, die nach Sinn und Orientierung suchen, die erschöpft sind und sich nach Ruhe sehnen die Begegnung mit Dir: in einem Wort der Schrift, einem Gespräch, einem Gebet, einer Stunde der Stille.
- Wir bitten Dich für unsere Familien: Lass sie in diesen Wochen wieder neu die Freude des Miteinanders entdecken und so gestärkt wieder in den Alltag starten.
- Wir bitten auch für diejenigen, die in diesen Tagen ihre Einsamkeit und Not besonders spüren: Schenke ihnen den Mut, sich von Dir das rettende und heilende Wort sagen zu lassen.
- Wir bitten in einem Moment der Stille auch in unseren persönlichen Anliegen und Bitten und vertrauen Dir unsere Verstorbenen an
(kurzer Moment der Stille)
Lass uns mit Dir den Vater loben, der in Gemeinschaft mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen