Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten
Die Texte in der Heiligen Nacht 2024 des Lesejahres C, die Lesungen (Jes 9, 1–6 und Tit 2, 11–14) und das Evangelium (Lk 2, 1–14), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11) – die Gnade Gottes, Seine Freundschaft, Seine Nähe: Sie wird sichtbar in der Krippe, in unseren Krippendarstellungen, so, wie hier in einer wunderschönen Ikonendarstellung der Ostkirche. Auch unsere Krippenspiele zeigen es jedes Jahr auf immer wieder neue Weise: Gott ist da und will uns menschlich machen, ein Neugeborenes lädt uns dazu ein. Ob kleine oder große Darstellungen, kitschig oder künstlerisch, traditionell oder modern: Sie zeigen, was am Ursprung des Christentums steht und Europa seinen Stempel aufgeprägt hat. Gott selbst ist da und nähert sich jedem Menschen. Keiner ist außen vor. In der Spur Jesu, als Christen, ist das die Marschrichtung!
„Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ – ein junger Mann kommt zum Rabbi und fragt: „Was kann ich tun, um die Welt zu retten?“ Der Rabbi antwortet: „So viel wie du tun kannst, dass morgens die Sonne aufgeht.“ „Aber was sollen dann all meine Gebete und guten Werke“, fragt der junge Mann. Darauf der Rabbi: „Sie helfen dir, wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht“. Können wir also getrost und weltvergessen Weihnachten feiern, denn das Große und Ganze können wir eh nicht retten? Unsere Werke machen es nicht, können es nicht leisten – ist das nicht eine etwas einfache und auch gefährliche Sicht? Schicksalsergeben, mit der Gefahr, hartherzig zu werden: auch auf die Tat in Magdeburg darf das nicht die Antwort sein!
Bleiben wir bei der Krippe, bei DEM, um den es heute geht. Da heißt es im Titusbrief an späterer Stelle: „Als aber die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns gerettet“ (Tit 3,4). Wir sehen hier, in der Krippe, die Liebe Gottes zu uns Menschen – zu jedem Menschen! Ochs und Esel stellen nach einer alten Lesart symbolisch das Judentum und das Heidentum dar. Alle sind hierhin eingeladen.
Und ist uns nicht genau das in die Wiege gelegt: Die große Sehnsucht, von einem anderen zu hören, geliebt, gewollt, bejaht zu sein? Angenommen und wichtig zu sein, erwünscht. Wer dies erfährt, geht ganz anders ins Leben, stellt sich dem Leben in ganz anderer Weise. Vertrauen und Zuwendung bewirken Wunder!
Schauen wir hin, schauen wir auf die Welt, wie sie um uns herum ist, ja schauen wir auch auf unser eigenes Herz. Umgeben wir uns nicht auch immer wieder deswegen mit so vielen Dingen, um das Seufzen und Klagen unseres Herzens nicht zu hören. Und heute hören wir: Du, Mensch, du bist geliebt. Wenn wir das ins Miteinander einbauen könnten, ja auch auf heikle Themen und Fragen. Wir dürfen unterschiedliche Meinungen haben, auch im Blick auf Migration – aber der Ton macht die Musik. Und das ist so entscheidend!
Ich muss an einen jungen Mann im Cenacolo, in der Gemeinschaft der ehemaligen Süchtigen, denken: Knapp 18 Jahre alt war er, als er kam; ein Hüne, ein Riese; er war Teil der Wasserball-Jugendnationalmannschaft seines Landes. Er bekam viel. Liebe gehörte nicht dazu. Dann aber bald die Drogen – und der Absturz. Im Cenacolo: anfangs verschlossen, verhalten aggressiv. Als ich ihn ein halbes Jahr später wieder traf: ein anderer junger Mann. Strahlend. Offen. Er ist geliebt. Die anderen Jungs konnten es ihm vermitteln und in der Kapelle des Hauses hörte er es immer wieder, erfuhr es. Wie ein Kind freut er sich daran – und holt nach: Wer mit ihm kurz spricht, der wird oft von ihm umarmt, herzlich und sehr lange. Man versinkt in seiner Umarmung durch die er sich das holt, was er so lange entbehrte: Du bist einfach ein liebenswerter Mensch! „Euch ist heute der Heiland geboren, der Retter“ – so hören wir in der Weihnachtsbotschaft. Und so kann es aussehen, wenn sich ein Mensch dafür öffnet. Irgendwie wird er dadurch ganz neu.
„Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ – was kann das jetzt für uns hier bedeuten, für unseren Alltag, wenn die Weihnachtstage vorbei sein werden? In den orthodoxen Kirchen befindet sich eine solche Ikone der Geburt Christi immer auf oder an dem Tisch, an dem die Gaben für die Heilige Messe bereitet werden. Denn in Bethlehem, dem „Haus des Brotes“(das ist die Übersetzung von Bethlehem), hat Jesus begonnen, sich für uns darzubringen. So wie hier Ochs und Esel von der Futterkrippe, in der das Kind liegt, fressen, so sollen, können auch wir uns von diesem Kind ernähren: von Seiner Gegenwart. Und dann kann Unglaubliches geschehen. Und wir werden hellwach sein, eine „große Freude verkünden“, wenn die „Sonne der Gerechtigkeit“ immer wieder neu aufgeht in unserer Welt.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der Mensch geworden ist und uns einlädt, Ihn in unserer Welt groß werden zu lassen, bitten wir:
- Für alle Christen, dass wir das Licht Deiner Gegenwart in unserer Welt verbreiten können, und so denen neue Hoffnung schenken, deren Leben von Finsternis geprägt ist.
(Christus, höre uns - oder: gesungener Ruf) - Für alle, die unter Krieg und Verfolgung leiden und sich nach Frieden sehnen; für die, die auch bei uns unter materieller Not leiden und für all die, die heute in besonderer Weise ihre Dunkelheiten und Einsamkeit spüren. Wir gedenken auch der Opfer und ihrer Angehörigen von Magdeburg: Lass sie Deine Nähe erfahren.
- Für Deine ganze Kirche, unseren Papst Franziskus und alle Hirten, dass sie in Wachsamkeit gegenüber den Zeichen der Zeit Deine Frohe Botschaft der Barmherzigkeit glaubwürdig vorleben und verkünden.
- Für die Männer und Frauen, die die Geschicke dieser Welt in Politik und Wirtschaft mitbestimmen: Öffne sie für Deinen Geist des Friedens und der Verständigung und hilf ihnen, Entscheidungen zum Wohle aller zu treffen.
- Wir bitten Dich für alle Menschen, denen wir uns heute auf besondere Weise verbunden fühlen und vertrauen Dir unsere Verstorbenen an. Sei besonders denen nahe, die einen nahen Menschen verloren haben und an diesem Fest schmerzlich vermissen. (Kurze Stille)
In der Freude über Deine Nähe loben und preisen wir Dich mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.