Der Sturm auf dem See – oder: was trägt?
- Der Sturm auf dem See – oder: was trägt?
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore über Stürme in unserem Leben und in Evangelium am 12. Sonntag im Jahreskreis zum Download
Die Texte zum 12. Sonntag im Jahreskreis wie der Lesungen (Ijob 38, 1.8–11 und 2 Kor 5, 14–17) und des Evangeliums (Mk 4, 35–41) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ein Wunder, die Stillung eines Sturmes auf einem See in Israel – was kann daran für uns heute „Wort Gottes“, lebendiges und frohmachendes Wort für mein Leben sein?
Schon sehr früh hat die Kirche in der Auslegung der Evangelien einen symbolischen Sinn gesucht – und den möchte ich mit Ihnen in dieser wunderbaren Erzählung entdecken:
Tiefe Wasser, Meere sind in der Bibel immer auch Beschreibungen für Abgründiges, erschreckende Tiefen, die hinter oder unter einer scheinbar friedlichen Oberfläche verborgen liegen. Dies sind Dimensionen, die Angst machen. Wir kennen das: „Stille Wasser sind tief“, sagen wir und meinen dabei einen Menschen, der sein anziehendes oder auch abstoßendes Wesen zu verbergen sucht, jemand also, dem man auf alle Fälle mehr zutrauen muss als der äußere Schein dies vermuten lässt. Wir Menschen haben Tiefen: die Psychologie spricht von den Tiefenschichten des Bewusstseins, die dichterische Sprache vom Abgrund des Herzens, die Glaubenssprache von einer tiefen Frömmigkeit?
Das kleine Boot auf dem großen und tiefen See: Mein Leben, wie es wirklich ist! Mehr und mehr kommt zwar eine Versicherungs-Mentalität auf und wir wollen uns in einer Vollkasko-Gesellschaft einrichten – aber der ganz normale Alltag zeigt, dass das nicht geht: Das Leben ist nicht planbar! Und so gibt es immer wieder Dinge, Ereignisse, Begegnungen, die mich tief erschrecken lassen, die mein kleines Boot zum Kentern bringen können: Eine Aufgabe, die mich überfordert, die objektiv gesehen zu bewältigen ist, die mich aber mit Panik erfüllt; sie lässt mich nicht schlafen, keine Ruhe finden, da mich durch diesen Wind die alte Angst aus den Tiefen einholt: Ich könnte versagen. Am Arbeitsplatz, in der Familie, unter Freunden versuche ich, Konflikten aus dem Weg zu gehen, auch wenn sie dringend zur Sprache kommen müssten, da ich die eigenartige Befürchtung hege, nicht mehr gemocht, geliebt zu werden. Eine Kritik an meinem Verhalten, meinem Tun, die gut gemeint ist und mir weiterhelfen will, verletzt mich so tief, da sie mir zu bestätigen scheint: Ich kann nichts. Die Krankheit eines mir nahe stehenden Menschen, eigene Ängste diesbezüglich.
Mein Leben ist wie ein kleines Boot!
Wir fahren immer wieder über unsere Abgründe, einfach weil es das Leben mit sich bringt, immer wieder über diesen See zu fahren, andere, neue Ufer anzusteuern, Neues zu wagen, Unbekanntes zu beginnen. Christliches Leben bewahrt mich nicht davor, im Gegenteil: Gerade darin zeigt es seine Kraft! Die Jünger sind mit Jesus ins Boot gestiegen – damit kann ihnen nichts passieren, so denken sie! Sie wollen mit Ihm aufbrechen und denken, eine Versicherung abgeschlossen zu haben! Heftiger Wind kommt auf, versetzt die Jünger in Panik - auch in der Nachfolge, in der Nähe zu Jesus kann es diese Momente geben - und eigenartigerweise schläft Jesus im Boot. Merkt er nichts? Ist ihm alles egal? Der Blick auf den schlafenden Jesus relativiert den Sturm, lässt erst erkennen, welche Angst die Jünger plagt: vor der Tiefe. „Habt ihr noch keinen Glauben?“, fragt er sie, und das heißt: Vertraut ihr immer noch nicht? Vertrauen, das es gut wird, nicht: dass mir nichts passieren kann! Das ist etwas anderes. Nein, es geht darum, dass Er mich durch dieses Leben führt und begleitet, wie es eben ist – durch die Stürme hindurch, die Ihn selbst nicht ängstigen können!
Ich kann die Jünger im Boot gut verstehen, die Angst und die Verblüffung, da man doch meinen kann, mit Christus im Boot blieben uns Stürme erspart. Als ich zum Priester geweiht wurde dachte ich auch: Na, jetzt ist alles klar, du kannst dich ruhig dahin treiben lassen, wohin der Geist dich haben will. Ich musste und durfte immer wieder erfahren, dass Gott mir weder erspart, immer neue Ufer anzusteuern und mich der Tiefe auszusetzen. Es geschieht kein Hokuspokus und der Sturm ist vorbei. Es geschieht etwas viel Wunderbareres: Ich darf eine Hand nehmen und mich über den Bootsrand lehnen, den Kopf in den See stecken, hinunterschauen, ich bekomme auch den Mut, mich den Wellen auszusetzen, dem Sturm - denn wenn ER im Boot ist, ist in allem eine tiefe Zuversicht da. Wenn ich die Hand losließe, dann könnt´s kritisch werden - aber dann hätte ich keinen Glauben.
Amen.
Herr Jesus Christus, mit unseren Bitten und Anliegen, mit dem, was uns ängstigt und sorgt dürfen wir zu Dir kommen. Wir bitten Dich:
- Schenke uns die Bereitschaft, gerade in den Stürmen unseres Lebens die Hand nach Dir auszustrecken und mit Deiner Hilfe und Gegenwart zu rechnen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Zeige denen Deine Gegenwart, die durch schwierige Lebensumstände an Deiner Sorge zweifeln.
- Wir bitten Dich für unsere Kinder und Jungendlichen, dass sie auch durch uns den Mut finden, ihr Leben nach dem auszurichten, was Du von ihnen möchtest.
- Sei denen nahe, um die wir uns sorgen, die unter Krankheit leiden, die vereinsamt sind, die dem Tode entgegen sehen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass sie bei Dir geborgen sind.
Denn Du rufst uns in die Gemeinschaft, in der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.