Bilder der Hoffnung in Zeiten der (Kirchen-)Krise
Die Texte an Neujahr 2024 (Hochfest der Gottesmutter Maria) des Lesejahres B, die Lesungen (Num 6, 22–27 und Gal 4, 4–7) und das Evangelium (Lk 2, 16–21), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Die Texte für Silvester 2023, an dem in diesem Jahr das Hochfest der Heiligen Familie ist, finden sich mit einer eigenen Predigt unter Gedanken nach dem Fest.
Liebe Schwestern und Brüder,
am Ende dieses Jahres, zu Beginn des Neuen: Vieles gäbe und gibt es zu sagen. Zur Weltlage, über Krieg und Frieden, über die bedrohte Schöpfung. All das wurde und wird von kompetenten und kundigen Menschen in diesen Tagen ausführlich und gut benannt. Ich möchte mit Ihnen – und mit mir selbst – darüber nachdenken, was uns als Christen und Kirchenmitglieder beschäftigt, schmerzt, ratlos macht: der Zustand unserer Kirche.
Darüber bin ich viel im Gespräch, darüber höre ich viel Traurigkeit und Frustration. Wieder sind in diesem Jahr mehr als 200 Gläubige der Pfarrei aus der Kirche ausgetreten. Ist da eine Trendwende überhaupt in Sicht und wenn ja: wie wird sie aussehen? Darüber gibt es ja keineswegs Einigkeit, im Gegenteil. Ich bin sicher, dass auch heute Abend einige hier unter uns sind, die meine persönliche Haltung darüber nicht teilen. Was lässt sich also sagen, ohne zu spalten, zu polarisieren?
Vor einigen Wochen war auf Einladung der Eltviller Kolpingfamilie der Theologe Gotthard Fuchs zu einem Vortrag da, der für mehr Freude am Glauben warb. Dabei bemühte er ein Bild der Schöpfung: Sonne, Mond , Sterne, die er als Hilfe für die derzeitige Situation heranzog.
Dies machte mich neugierig und ich ging dem nach. Worauf Dr. Fuchs sich bezog war ein uraltes Bild der Kirchenväter der ersten Jahrhunderte, die selbst ein Bild aus der Antike aufnahmen, dem ich hier gerne nachgehe:
An Weihnachten feierten wir wieder das Licht, das in die Welt gekommen ist, die „Sonne der Gerechtigkeit“, wie es in einem unserer Kirchenlieder heißt. Die Sonne steht als Symbol für Christus. Von Ihm kommt das Licht, die Wärme. ER allein macht das Wachstum, das Gedeihen erst möglich. Hier und jetzt.
Der Mond erhält sein Licht von der Sonne und er strahlt nachts. Der Mond ist so ein Symbol für die Kirche. Sie strahlt nicht von sich aus, sondern sie gibt das Licht weiter, das sie von Christus erhält. Dafür ist sie da. Wie hell das scheinen kann, merkten wir in den letzten Tagen wieder, als Vollmond war. Wir wissen, dass der Mond seine Phasen hat: Nach dem Vollmond geht es über den abnehmenden Mond hin zum Neumond und dann wieder hin zur vollen Gestalt.
Nach den Kirchenvätern ist das ein treffendes Bild für die Kirche: Sie hat Vollmondzeiten – und sie hat Zeiten, in denen ihr Licht abnimmt, ja ganz zu verschwinden scheint. Anders als beim Mond sind die Gründe für das Schwinden des „Kirchenlichtes“ vielschichtig und haben meistens mit der menschlichen Schwäche, seiner Begrenztheit zu tun. Wir beklagen es, zu Recht. Und wir beobachten es ja nicht nur in der Kirche: Nach einer Zeit des Glanzes, der Wohlfahrt, der Solidarität scheint alles „den Berg runter“ zu gehen. Es ist das eine, den Gründen dafür nachzugehen und das sollte sicher auch geschehen, um daraus für die Zukunft zu lernen.
Das andere ist aber – und hier wird für mich das Bild der Kirchenväter wirklich zu einem Hoffnungsbild – die Einladung zu entdecken, was durch diese „Mondfinsternis“ der Kirche möglich wird. Wir werden es in einigen Tagen an unserem Himmel auch wieder sehen können: Die Sterne strahlen dafür umso heller!
Die „Sterne“ sind in diesem Bild das Symbol für die Heiligen, für diejenigen also, die als Einzelne das Licht Christi in und durch ihr Leben strahlen lassen wollen und können. Immer dann, wenn im Laufe der Jahrhunderte das Licht durch die Kirche nicht mehr weitergegeben wurde, traten sie auf: Männer und Frauen, die bewegten, berührten, strahlten, weil sie von diesem Licht lebten: von Christus!
Viele ihrer Namen kennen wir, viele auch nicht. Was haben z.B. in den dunklen Zeiten der Diktatur in unserem Land Christen durch ihr Leben und ihr Beten Wunder bewirkt, Licht in die Dunkelheit gebracht und so den Glauben an den Christus, der unser Leben begleitet und trägt, am Leben erhalten.
Jetzt ist bei uns wieder diese Zeit angebrochen. Wieviel Energie wird freigesetzt, wenn wir uns davon frei machen, wer in der Kirche gerade Macht hat und welche Entscheidungen getroffen werden, an denen hier niemand beteiligt ist.
Wenn wir im neuen Jahr gemeinsam auf Christus schauen und so hier als „Sterne“ Christus, das Licht weitergeben: Ist das nicht ein erfüllendes Projekt? So könnten wir daran mitwirken, dass das Heilige Jahr, das 2025 wieder stattfinden wird und unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht, wirklich vorbereitet werden kann – und jetzt schon die herzliche Einladung, im April 2025 dafür auch gemeinsam nach Rom zu pilgern.
Die Sonne – Christus; der Mond – die Kirche; die Sterne – die einzelnen Zeugen.
Es sind nur Bilder. Aber diese Bilder geben mir selbst Kraft, mich inmitten der unruhigen und oft chaotischen Welt auf den zu besinnen, der alles trägt und hält – und dem ich mit meiner kleinen Kraft gerade hier und jetzt den Weg bereiten will.
Amen.