"Aussatz - oder: Der Glaube, angenommen zu sein"


Liebe Schwestern und Brüder,
abseits der Megastädte, in ländlichen Regionen also, fallen Fremde, vor allem Weiße in Indien auf. Neugierde, Strahlen, Winken begegnet uns – nicht wenige reichen die Hand, vor allem Kinder. Sie wollen berühren, anfassen. Wenn man zudem Gast in einer Kirchengemeinde ist, kennt das kaum mehr Grenzen. Es sei denn: Es handelt sich um Leprakranke, die es dort immer noch gibt. 130.000 Menschen erkranken in Indien jedes Jahr neu daran. Es müsste nicht sein – aber das ist ein anderes Kapitel. Erkrankte bekommen Medizin, die die Ansteckung verhindert und die Krankheit stoppt – doch geschieht das oft erst, wenn erste Symptome sichtbar sind und der Aussatz nicht mehr zu verheimlichen. Dann werden die Kranken zu Aussätzigen. In unserem Partnerbistum Nellore gibt es drei Lepra-Kolonien und der Besuch dort berührt mich immer wieder. Es ist anders als in anderen sozialen Einrichtungen des Bistums. Die Bewohner freuen sich – bleiben aber auf Distanz. Sie sind es so gewohnt, sie müssen sich gesellschaftlich so verhalten, auch wenn keine Gefahr mehr von ihnen ausgeht. Das ganz normale Verhalten – ein Händedruck, ein Anfassen – wird zu etwas Außergewöhnlichem! Man sieht es in den Augen des Gegenübers: Scheu, ein Lächeln, Freude .. und am Gedanken, der plötzlich in einem selbst auftaucht: Passiert jetzt etwas mit mir?
- Aussätzige, Leprakranke kommen Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem entgegen. Kontaktaufnahme aus der Ferne: Sie rufen „Herr, erbarme dich – Kyrie eleison!“ Sie leben so, wie man es von ihnen erwartet – sie haben es sicher schon verinnerlicht, so wie die Kranken in Indien bis heute. Mit ihnen will keiner etwas zu tun haben, schon ihr Anblick ist schädlich. Auch ein Messias muss da sicher auch vor ihnen geschützt werden!
„Hab Erbarmen“ – anders als in anderen Szenen des Evangeliums, in denen Er berührt, heilt, ein Heilungswort spricht, gibt Jesus den Auftrag: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Als sie es tun, auf dem Weg dorthin, werden sie gesund.
Was geschieht da?
Die Priester haben nach dem Gesetz des Mose die Aufgabe zu beurteilen, ob sich ein Kranker, ein Aussätziger, Gott und den Mitmenschen nähern darf. Ein Mensch darf sich Gott nicht nähern – was für ein Gedanken! Und doch ist er auch uns nicht fremd. Mir begegnet dieses Denken immer wieder. Dahinter steht die Vorstellung: Ich bin schmutzig; nicht gut genug; Gott ist böse auf mich; ich muss zuerst eine Bußleistung verrichten, dann – vielleicht – nimmt ER mich wieder an…
„Geht, zeigt euch den Priestern“ – heißt einerseits: Sie werden nichts finden, was euch vom Angesicht Gottes ausschließen könnte. Andererseits – und hier zeigt sich der „Arzt“, der unser Evangelist Lukas in der Tradition auch war – ist es allerdings ebenfalls nötig, dass die Kranken das glauben: Die Priester werden an mir nichts finden, was mich ausschließen könnte! Das ist unbedingt mitzusehen, das gehört dazu: Glaube ich, Gottes würdig zu sein?
- Wie wichtig ist es, einen anderen zu haben, der mir das immer wieder bestätigt: In der Familie, in der Partnerschaft, der Freundschaft – aber auch im Miteinander der Gemeinde. In den Leprakolonien im Bistum Nellore sind es Ordensschwestern, der Pfarrer, Gemeindemitglieder, die den Bewohnern dies im täglichen Umgang zeigen und bezeugen. Und doch ist das ein langer Weg: Die Lepra hat ihren Körper gezeichnet und die Seele wohl noch viel mehr! Zu glauben, zu wissen, wertvoll zu sein – im Evangelium scheint das in wenigen Schritten geklappt zu haben, im wirklichen Leben dauert es oft länger.
Ein ehemals Kranker kommt zu Jesus zurück: Es mag viele Wege zu Gott geben, hier wird der Persönlichste gezeigt: Die Dankbarkeit, die zur Freundschaft mit dem Gottessohn führt. Erst sie „rettet“ wirklich, lässt neue Perspektiven und Wege erkennen. Und im Laufe der Zeit wird sie ganz unterschiedliche Züge annehmen, wie das bei Freunden üblich ist.
Vielleicht müssen wir Menschen, die wie die Aussätzigen einmal ganz unten und außen standen, heute besser zuhören, wenn sie uns berichten, wer für sie Jesus geworden ist. Wer mit den Bewohnern der Kolonie in Nellore Gottesdienst feiert oder betet, spürt, wer Jesus für sie ist.
Amen.
Fürbitten
Herr Christus, Du bist der Heiland. Zu Dir dürfen wir so kommen, wie wir sind:
- Wir bitten Dich für alle, die in der Kirche in der Seelsorge tätig sind: Schenke ihnen das rechte Gespür für die Nöte und Sorgen der Menschen und mache sie so zu aufmerksamen Wegbegleitern und Zeugen Deines heilenden Handelns.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Mache uns, die wir als Christen Deinen Namen tragen, immer mehr zu glaubwürdigen Zeugen dafür, dass das Leben mit Dir gerade auch in schweren Zeiten Kraft und Zuversicht schenkt.
- Wir bitten für die, die sich in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt fühlen: Lass uns aufmerksam werde und Zuwendung schenken.
- Wir bitten dich für die, die in ihrem Dienst an den Menschen immer wieder auch Undankbarkeit erfahren: Lass sie nicht mutlos werden.
- Wir bitten heute auch für unser Partnerbistum Nellore: Stärke Bischof Moses und seine Mitarbeiter in ihrem täglichen Dienst für die Armen und Benachteiligten.
- Lass unsere Verstorbenen die Freude erfahren, die nur das Leben mit Dir schenken kann.
Denn Du lebst und führst uns zum Vater, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.
