Advent – oder: menschlich werden
Die Texte am 3. Adventssonntag des Lesejahres C, die Lesungen (Zef 3, 14–18a und Phil 4, 4–7) und das Evangelium (Lk 3, 10–18), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„mach’s wie Gott: werde Mensch!“ – dieser Satz aus einer Weihnachtspredigt von Bischof Franz Kamphaus hat sich nicht nur in das Gedächtnis unseres Bistums eingeschrieben. An diesen Satz musste ich unmittelbar denken, als ich mich mit dem heutigen Evangelium beschäftigte:
Menschen voller Erwartung sind offensichtlich bereit umzukehren, sie kommen zu Johannes dem Täufer in die Wüste hinaus. Johannes geht nicht zimperlich mit ihnen um, nennt die Menge „Schlangenbrut“ (vgl. Lk 3,7) und mahnt sie, gute Früchte hervorzubringen, um nicht wie ein schlechter Baum an der Wurzel umgehauen zu werden! „Was sollen wir also tun?“, fragen sie. Die Antwort verblüfft: Es ist nicht so, dass sie hohen Ansprüchen gerecht werden müssten. Sie sollen auch gar keine großartigen Leistungen vollbringen oder sich in übertriebender Askese und Buße üben. Nein. Wir hören: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines dem, der keines hat; beim Essen ist ebenso zu verfahren; die Zöllner sollen nicht mehr verlangen, als festgelegt und die Soldaten sollen sich mit ihrem Sold begnügen. Somit ist die Antwort schlicht und einfach: Seid menschlich! Seid die, die ihr sein könnt – in dem, was ihr seid, wo ihr euch gerade befindet, was auch immer ihr tut. Seid menschlich!
Wenn ich mit Jesus unterwegs sein möchte, dann ist nicht gefordert, ein anderer zu werden, sondern anders – oder besser: sei der, als der du gemacht bist: Mensch!
Das klingt jetzt so einfach – aber wir wissen: Das ist es nicht! Wir sind nicht nur Kinder unserer Eltern, sondern ebenso der Gesellschaft, die uns prägt; wir sind gezeichnet durch die Umstände, die Zeit und die Ereignisse, deren Zeugen wir sind und werden. Dazu kommen biographische Daten, die uns formen – im Guten und im Schlechten. Manches von dem, was wir sind, haben wir gewählt, manches wurde uns oft auch ungefragt umgelegt.
Wer also bin ich? Und: Was sollen wir tun? Wenn wir uns als Christen auf das Weihnachtsfest vorbereiten möchten, dann gehört die Beschäftigung mit dieser Frage unbedingt dazu – und wir merken, dass der Advent nicht nur einfach eine Vorbereitungszeit ist, sondern darin auch eine Fastenzeit. Damit kann sie zu einer Zeit werden, die einen Unterschied macht zwischen „vorher“ und „nachher“ – dass Dinge und Menschen anders werden. Dass es menschlicher unter uns zugeht.
Damit sind wir in der Spur Jesu, der Mensch geworden ist, damit wir genau das auch werden: menschlich. Er ist dabei der Maßstab, Er ist „der Mensch“, wie Ihn Pilatus am Ende nennt (vgl. Joh 19,5). Es ist schon bemerkenswert: Wenn wir im rechten sinne religiös sein wollen, müssen wir menschlich werden!
Und das ist nichts Fremdes, sondern dem Menschen schon von Anfang an in die Wiege gelegt: Die amerikanische Anthropologin Margaret Mead wurde einmal während eines Vortrages an einer Universität gefragt, welcher Gegenstand ihrer Meinung nach als erstes Anzeichen unserer Zivilisation gewertet werden kann. Nach kurzem Überlegen antwortete sie: „Ein verheilter Knochen!“ Sie legte dann dar, dass ein Tier, dass sich einen Knochen breche, verende, da es keine Überlebenschancen habe, denn es dauere Wochen, bis ein Bruch heilen kann und in dieser Zeit sei Bewegung unmöglich. Wenn also ein menschlicher Knochenfund, der aus einer Zeit mehrere tausend Jahre vor Christi Geburt stammt, einen verheilten Oberschenkelknochen zeige, spreche das dafür, dass sich jemand um diese verletzte Person gekümmert habe, zu essen und trinken brachte, bei ihr blieb, damit sie gesund werden konnte. Der Knochenfund zeigt, was menschlich ist, er zeigt, dass das erste Anzeichen unserer Zivilisation die Fähigkeit ist, dass der Mensch sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um andere kümmern und sorgen kann.
Mach’s wie Gott: werde Mensch! Jesus Christus ist gekommen, um uns wieder daran zu erinnern, um etwas in Lot zu bringen. Wer es mit Christus zu tun bekommt, wird zu dem Menschen, den Gott gewollt hat. Und unser Gott liebt es, wenn Er den Menschen dem Menschen zu Sorge überlassen kann. Dann würde so Vieles wieder ins Lot kommen.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, dem Johannes der Täufer den Weg bereitete, bitten wir:
- Für Deine Kirche, für alle Getauften, für uns: hilf uns, die Freude zu bezeigen, die der Glaube an Dich schenkt.
(Komm, Herr Jesus – komm, Herr Jesus) - Wir bitte dich um die Bereitschaft, wieder neu menschlich miteinander umzugehen: Im gegenseitigen Verstehen und Helfen; im Verzeihen und der Bereitschaft, neu anzufangen; im Denken übereinander und im Sprechen miteinander.
- Wir bitten für die Menschen, die sich in so vielen Ländern dieser Welt nach Frieden sehnen und beten für alle Konfliktparteien um die Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung.
- Für alle jungen Menschen, die sich vor der Zukunft fürchten; für alle, denen Zuversicht und Freude verloren gingen; für alle Kranken, denen die Sicherheit im Leben plötzlich zerbrach.
- Lass unsere Verstorbenen die Freude der Gemeinschaft erfahren, in die Du uns rufst.
Dir danken wir und Dich preisen wir, der Du uns in Christus alles schenkst, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.