Wovon leben wir?
Liebe Schwestern und Brüder,
unter normalen Umständen hätten wir heute den Gottesdienst im Elzer-Hof gefeiert und wären zum Abschluss mit einer Prozession durch unsere Straßen gezogen. Tradition, es gehört dazu. Für Besucher des Weinstandes ein interessantes Fotomotiv: Tradition und Fachwerk bei Riesling und Sonnenschein. Und: das anschließende Pfarrfest wäre dann wieder der Höhepunkt des gemeindlichen Jahres gewesen und wir hätten uns sicher gefreut, dass wir es auch in diesem Jahr wieder geschafft hätten – mit vereinten ehrenamtlichen Kräften, am Abend dann glücklich und total erschöpft. Fronleichnam wie es singt und lacht, jedes Jahr „the same procedure“. Zwangspause in der Corona-Zeit. Gelegenheit zum Nach-Denken über das, was wir sonst so tun.
- Die Ordensfrau und Mystikerin Juliana von Lüttich hatte anfangs des 13. Jahrhunderts eine Vision, die die Verehrung der Heiligen Eucharistie zum Thema hatte. Dann kam das sogenannte „Blutwunder von Bolsena“: ein böhmischer Priester auf den Weg nach Rom feierte in Bolsena eine Messe; es hieß, er zweifelte an der Gegenwart Jesu im Sakrament und daraufhin tropfte Blut aus der Hostie. Dies veranlasste Papst Urban IV., das Fronleichnamsfest (das Fest vom „Leib des Herrn) 1263 für die gesamte Kirche einzuführen.
Am Anfang des Festes stand also – der Zweifel! Es wurde kirchlich betont, was das einfache Volk eher anzweifelte. Dazu: ein magisches Verständnis von der Gegenwart Jesu. Ein magischer Schutz in unruhigen Zeiten und den Unwägbarkeiten des Lebens.
Den Zweifel an der Gegenwart Christi in einem unscheinbaren Stück Brot teilen heute wohl die meisten Zeitgenossen, eine Vielzahl von Katholiken eingeschlossen. Ein magischer Schutz wird offen belächelt, auch wenn er in Ausnahmefällen einzeln durchaus gesucht wird – und wehe, dann ist kein Priester da, der einen Talisman segnet!
- Wenn wir also heute unser Fronleichnamsfest nicht in der üblichen Weise feiern, können wir uns fragen: was tun wir da überhaupt?
Eine sinnvolle Antwort kann nur darin bestehen, dass wir sagen: Zeugnis geben. Zeugnis davon, wer Jesus für uns ist und was wir da in der Eucharistie empfangen.
In der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium hörten wir, wie Mose das Volk Israel vor dem Einzug ins Gelobte Land ermahnt, nicht zu vergessen: „“Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr … dich während der vierzig Jahre in der Wüste geführt hat“ (Dtn 8,2). Gott hat Seinem Volk gegeben, was es brauchte. Er war da, immer. Diese Erfahrung soll auch die Zukunft prägen – und wir wissen, dass dies oft nur ein frommer Wunsch blieb. Das Volk vergaß, wir vergessen so schnell. Wir vergessen, was uns wirklich trägt, was wir wirklich brauchen. Krisenzeiten lassen es uns wieder neu suchen und entdecken.
- In einer solchen Krisenzeit befinden wir uns gerade wieder und Menschen fragen: Was trägt, wenn nichts mehr trägt?! Müssten wir da als Christen nicht gerade jetzt unser Fronleichnamsfest feiern und zeigen: Hier, schaut mal!
Ja, und genau das sollten wir auch tun und Corona wird uns daran nicht hindern können, denn: die Monstranz, das Gefäß, in dem der gewandelte Leib des Herrn herumgetragen und gezeigt wird, sind wir! Ist jeder einzelne von uns! Durch die Krise bedingt verzichten wir auf ein folkloristisches Moment – die Prozession – und ein geselliges – das Pfarrfest. Das sind aber doch nur Äußerlichkeiten, auch wenn sie uns liebgeworden sind. Unvergessen bleibt mir der Kommentar eines sehr engagierten Mannes meiner ehemaligen Frankfurter Pfarrei. In der Vorbereitung auf das Fronleichnamsfest war mir sehr an einer stimmigen Gestaltung der Messe auf dem Gelände des Kindergartens gelegen, an einem würdigen Fest also – und irgendwann meinte er: „Ach, Herr Pfarrer, das eigentliche Fest beginnt doch eh erst nach der Messe!“ Auch ein solcher Geist – ob eine Einzelstimme oder nicht – prägt die Feier. Und wir wundern uns, warum dieses großartig Fest so wirkungslos verpufft?
Wir haben heute wieder die Gelegenheit zu zeigen, wovon wir leben. Indem wir selbstbewusst, dankbar und demütig der Welt zeigen, was wir nach jeder Messe sind: Die Monstranz des Leibes des Herrn, die Träger von Fronleichnam. Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der unser Leben trägt und hält, bitten wir:
- Du bist das lebendige Brot: Lass uns als Deine Gemeinde davon Zeugnis geben, dass die Freundschaft mit Dir von der Angst und zu wahrem Leben befreit.
(Gesungener Ruf)
- Du hast Dein Blut für uns vergossen: Schenk uns den Mut, mit Dir scheinbar Unmögliches zu wagen, um so zu erfahren, dass das Leben siegt.
- Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Sicherheit und Schutz, sie brauchen Vorbilder und sie brauchen Menschen, die ihnen von Deiner Liebe erzählen. Wir bitten Dich: Lass sie auch durch unser Reden und Tun Deine Nähe erfahren und so das Vertrauen in Dich lernen.
- Menschen sind in diesen Wochen tief verunsichert und haben Angst. Andere bangen um ihre wirtschaftliche und berufliche Zukunft. Hilf uns, ihnen beizustehen und ihnen Solidarität zu schenken.
- Du schenkst das ewige Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, dass Du sie aufnimmst in Deine Gemeinschaft.
Denn mit Dir sind wir auf dem Weg zum Vater, der mir Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.