Wofür Jesus gekommen ist – oder: das Evangelium als Handbuch


Die Texte am 3. Sonntag des Jahreskreises des Lesejahres C, die Lesung (Neh 8, 2–4a.5–6.8–10 und 1 Kor 12, 12–31a) und das Evangelium (Lk 1, 1–4; 4, 14–21), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron und beim Evangelium in leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„ich habe mich entschlossen, alles für dich, lieber Theophilus, lieber Gottesfreund, aufzuschreiben. Damit kannst du überprüfen, dass es stimmt, was du gelernt hast“.
So beginnt das Lukasevangelium, das uns in diesem Jahr an den Sonntagen begleiten wird. Das Evangelium sozusagen als „Handbuch“: Was hat ER, Jesus, in dieser und jener Situation getan, wie haben die Menschen reagiert – und wie setze ich das in meinem Alltag um? Darum geht es. Schlicht und einfach. Das Evangelium als Lebensregel. Nur so hat es Sinn. Oder besser: nur so können wir Mitarbeiter am Reich Gottes sein.
Worin wurden wir unterrichtet? Stimmt es, was zunehmend konstatiert wird: der religiöse Analphabetismus nimmt zu?! Religionslehrer stellen es fest, ebenso die Katecheten in der Gemeinde. Woran liegt das? Ist das Christentum zu langweilig oder einfach nichtssagend? Gibt es keine Antworten mehr auf die Fragen der modernen Welt, des modernen Menschen? Es ist das eine, ob ich über Kirche, Sakramente, Liturgie Bescheid weiß. Aber über Jesus?! Wer ist Jesus? Was hat ER getan – und wirkt bis heute? Was genau ist Seine Botschaft?
Wer in den Rheingau kommt, der sieht – neben einer schönen Landschaft – wie Kirchen die Orte bestimmen, prägen. Die Türme zeigen in den Himmel, sie sind ein Hinweis auf eine Zeit, die diese Landschaft und vor allem die Menschen hier prägte. Ist das alles vorbei? Wird es uns bald so ergehen wie Kloster Eberbach: Anziehungspunkt, Attraktion, Zeuge davon, was mal war? Gott bewahre! – Wer?
Also: Wofür möchte der Evangelist Lukas ein „Handbuch“ schreiben? Er berichtet davon, wie Jesus am Anfang Seines Wirkens in seine Heimatstadt kommt. Der Ort, an dem man Ihn offensichtlich zu kennen meint – so wie es uns oft geht. Und dann überrascht Er seine früheren Mitbewohner. Lukas berichtet, wie Jesus den Propheten Jesaja zitiert: „Gott hat mich gesandt, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe!“ Und dann, nach einer kurzen Stille fügt Jesus hinzu: „Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt.“ Heute. Jetzt.
Das ist es, worin die ersten Christen unterrichtet wurden und weswegen Lukas sein Evangelium schrieb: Das ist die Mission Jesu und dieser Mission gilt es als Christen zu folgen. Das ist die Mission der Kirche und damit die eines jeden Getauften. Christ sein und Missionar sein ist somit dasselbe! Dieses Evangelium verkünden, mit dem ganzen Leben, in unserer Lebenshaltung, unserem Sprechen – das ist der Zweck unseres Kirche-Seins. Und: Jesus richtet Seine Botschaft an alle. Ohne Unterschied.
- „Ich habe mich entschlossen, alles aufzuschreiben, damit du überprüfen kannst, das es stimmt, was du gelernt hast“. Schon vor einigen Jahren lud Papst Franziskus in einer Predigt zu diesem Evangelium uns alle ein, uns selbstkritisch zu fragen, ob wir diesem Programm Jesu treu sind. Und er mahnt uns, damit nicht einfach auf unser sozial-caritatives Engagement zu schauen. Darauf können wir zu Recht stolz sein und die Kirche ist dafür in unserem Land zu Recht bekannt. Dennoch geht es um mehr: Der Papst bittet uns, die Kraft des Evangeliums anzubieten. Es ist eine Kraft, die die Herzen verwandelt, Wunden heilt und menschliche Beziehungen verwandelt. Die Armut verbirgt sich bei uns unter vielen sehr unterschiedlichen Mänteln und diese Armut zu entdecken und den Menschen die Botschaft Jesu zu bringen: das ist die Mission, um die es Jesus geht.
Ich selbst fühle mich als Christ und Priester am lebendigsten, wo ich dies erleben und begleiten darf: Menschen befreien sich von der Verstrickung in die Schuld, in die sie aus unterschiedlichen Gründen geraten sind; sie unternehmen voller Hoffnung einen Weg des Neuanfangs: im persönlichen und privaten Umfeld, im beruflichen Leben, in einer Lebenskrise oder wenn alle bisherigen Säulen des Lebens schienbar zusammengebrochen sind; eine Versöhnung wird möglich, wo auch dem Mut zur Wahrheit Raum gegeben wird.
Nehmen wir es uns doch zu Beginn des Heiligen Jahres vor und lernen wir Jesus noch besser oder wieder neu kennen. Das Evangelium, Lukas, als Handbuch: als Begleiter in der Tasche, als App auf dem Handy. Mich so vertraut machen mit dem, was Jesus wichtig ist – und uns so überraschen lassen von Dem, der dann ganz neu unter uns wirken kann – und wird!
Amen
Zu unserem Herrn Jesus Christus, der gekommen ist, den Armen eine Frohe Botschaft zu bringen, den Blinden das Augenlicht zu geben und den Gefangenen ihre Entlassung zu verkünden, wollen wir rufen:
- Mache Deine Kirche immer glaubwürdiger in der Verkündigung Deiner Frohen Botschaft und schenke auch jedem von uns den Mut, Dir wirklich begegnen zu wollen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Offenbare Dich auch durch unser Zeugnis denen, die auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens sind und die in ihrem Leben kein Licht mehr sehen.
- Wir bitten dich auch für die, die gefangen sind in sich selbst, die an den Zwängen im Berufs- und Familienleben innerlich und äußerlich zerbrechen.
- Wir bitten für die, die nach Zuwendung und Vergebung hungern und für die, die nicht verzeihen können.
- Lass unsere Verstorbenen die Gemeinschaft erfahren, in die Du uns alle einlädst.
Wir kommen zu Dir, weil Du selbst uns gelehrt hast, es zu tun, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.
