Von der Not des Unglaubens und dem Ankommen des Menschensohnes
- Von der Not des Unglaubens und dem Ankommen des Menschensohnes
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore an und über den ersten Adventssonntag 2021 im neu beginnenden Kirchenjahr (und Lesejahr C) zum Download.
Die Texte zum 1. Adventssonntag wie der Lesungen (Jer 33, 14–16 und Thess 3, 12 – 4, 2) und des Evangeliums (Lk 21, 25–28.34–36) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„es war Samstagnacht, 2.00 Uhr, ich war von Drogen benebelt und wusste, dass ich da nicht mehr rauskomme. Da schrie ich laut: «Gott, wenn es dich gibt, dann hilf mir!»“ Er half, sonst hätte es mir der junge, ehemalige Drogenabhängige nicht erzählen können.
Eine andere Person erzählte mir: „Ich hatte nur noch zwei Optionen: Entweder ich setze dem Ganzen jetzt ein Ende oder ich setze mich doch noch einmal in die Kirche und warte, was passiert“. Es passierte etwas, Suizidgedanken lösten sich auf, neues Leben konnte fließen.
Wovon ich erzähle sind Erfahrungen von Weltuntergang. Nicht unbedingt im globalen Maßstab, sondern eher im Blick auf den persönlichen Kosmos, auf die Welt des Einzelnen. Eine Welt, die einzustürzen drohte.
Von einstürzenden Welten spricht auch Jesus im Lukasevangelium, von Bestürzung der Menschen und Ratlosigkeit. Dann aber kommt der „Menschensohn“, auf Wolken des Himmels; als einer, der rettet, so dass Menschen ihr Haupt wieder heben können! In diesem Trostwort steckt aber auch eine Mahnung: Wachsam zu sein, um der Katastrophe wirklich entrinnen zu können.
Wenn wir uns jetzt zusammensetzen würden, um zu erzählen, was für uns Katastrophen sind, im Großen und Kleinen, käme sicher eine lange Liste zusammen. Katastrophen, die erschrecken lassen und ängstigen. Der Priester und Neutestamentler (Exeget) Gerhard Lohfink spricht in Bezug auf unser Evangelium davon, dass es in diesen Bildern nicht um irgendwelche Katastrophen geht, sondern um die Grundkatastrophe der Welt: den Unglauben! (Gerhard Lohfink, Ausgespannt zwischen Himmel und Erde, Herder 2021, 123.)
Der Unglaube, von dem die Heilige Schrift seit der Beschreibung des Sündenfalls spricht und davor warnt, ist nichts, was im Inneren eines Menschen bleibt! Er beginnt im Kopf, im Herz, aber er dringt nach außen und hat dort Wirkung. Was trägt den Menschen, wenn es nicht der Glaube an Gott ist, das Vertrauen in Seine Fürsorge und Vorsehung? Seien wir ehrlich und schauen wir hin: Auf die große und kleine Welt und auch auf uns selbst: Auch in mir will der Unglaube immer wieder Fuß fassen. Der Unglaube, der auf alles andere setzt, nur nicht auf Gott: Auf Geld und Macht; auf Wissen und Überlegenheit; auf Neid und Eifersucht. Im schlimmsten Falle auf die Überzeugung, alles selbst regeln zu können. Dieser Unglaube zerstört die Welt, lässt Katastrophe auf Katastrophe folgen. Was wird da wohl noch alles auf uns zukommen? Die Katastrophe, nicht glauben zu können, getragen zu sein, gehalten, geliebt, mit Würde ausgestattet, die mir von Ewigkeit her zukommt – wenn das um sich greift, ist irgendwann die ganze Welt in Gefahr!
Die beiden Personen, von denen ich anfangs sprach, haben erfahren, wovon das froh machende des heutigen Evangeliums spricht und worauf es in diesem Text auch ankommt: Das Ankommen des „Menschensohnes“ in ihrem ganz persönlichen Leben, ihrem persönlichen Scheitern und Nicht-mehr-Können, ihrer Katastrophe. Das änderte alles!
Sie sind, wie viele andere auch, Zeugen dafür, wer wirklich die Welt und ihre Geschichte in Händen hält. ER, Christus, ist zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort als Mensch geboren – Weihnachten – und kommt am Ende von allem wieder. Und Er ist derjenige, der bei jedem und jeder von uns hier und heute, immer jetzt, ankommen will. Immer als der Retter, der Heiland, der Heilende, als der also, der sagt: „Fürchte dich nicht! Ich bin da. Vertraue nur!“ Wer’s erfahren hat, weiß es – und sollte es auch erzählen, so, wie mir das erzählt wurde und ich selbst das auch immer wieder erzählen möchte.
Das kann den Advent in diesem Jahr ausmachen: Zu entdecken, wie Christus in unserem Leben ankommt. Die beiden, von denen ich erzählte, erfuhren, dass Christus in ihrer, in unserer Geschichte schon längst eingewoben ist; dass ER nicht von außen kommt, nein, von innen, aus unserer eignen Angst, unseren persönlichen Katastrophen, unserer Nullpunktsituation. Da hörten, erfuhren sie: Fürchte dich nicht!
Das wird uns allen heute gesagt. Hören wir’s? Gerade jetzt, In dieser so dramatischen und für viele so beängstigenden Zeit. Das kann alles ändern.
Maranatha – Komm, Herr Jesus.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, den Heiland, dessen Ankunft in unsere Welt wir erwarten, bitten wir:
- Hilf uns als Deiner Kirche gerade denen eine Stimme in unserer Gesellschaft und Welt zu geben, die gerade in dieser Zeit der Pandemie überhört und nicht gesehen werden.
(Komm, Herr Jesus – Komm, Herr Jesus) - Für alle Menschen, die eine Leere in ihrem Herzen verspüren; die einsam sind und sich nach Freundschaft und Nähe sehnen; für die, die sich ängstigen und für die, die trauern – lass sie entdecken, wie nahe du ihnen bist.
- Schenke besonders in diesen Wochen des Advent unseren Familien Zeit füreinander. Festige das Band der gegenseitigen Liebe und heile dort, wo Verletzungen sind.
- Hilf den politisch Verantwortlichen in unserem Land, das Wohl der ganzen Menschheitsfamilie im Blick zu haben, und lass nationale Egoismen nicht bestimmend werden.
- Schenke unseren Kindern und Jugendlichen Vorbilder im Glauben, damit sie sich immer mehr Dir und Deiner Nähe öffnen können.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass die Frohe Botschaft an ihnen in Erfüllung gegangen ist.
Du schenkst das Wollen und das Vollbringen. Dir sei Dank mit dem Sohn, den wir erwarten, und mit dem Geist, der uns führt. Jetzt und in alle Ewigkeit.
Amen.