Tröstet mein Volk – oder: Glaubwürdige Boten


Liebe Schwestern und Brüder,
„tröstet, tröstet mein Volk – ruft den Menschen zu: Die Pandemie ist vorbei. Kommt heraus, kommt zusammen, lasst uns das Leben wieder gemeinsam feiern!“ Was wäre das für eine Botschaft, was wäre das für eine Freude!
Dieser Gedanke kam mir bei der Betrachtung der heutigen 1. Lesung aus dem Jesaja-Buch. Denn: der Prophet verkündet dem Volk genau eine so befreiende, beinahe unglaubliche Botschaft – und im Vergleich dazu, ist der Hintergrund für das Volk Israel um einiges dramatischer als für uns! Das Volk hatte alles verloren, die Heimat war zerstört und die Oberschicht gemeinsam mit allen, die dazu taugten, wurde nach Babylon deportiert. Das war es nun. Da gab es erst einmal keine Hoffnung auf eine Änderung – und falls doch: wann sollte das sein?! Es kam aber, durch – so die biblische Überzeugung – Gottes Eingreifen. Die Rückkehr in die Heimat war plötzlich möglich: „Tröstet, tröstet mein Volk. Ruft: bahnt dem Herrn einen Weg – Zion, steig auf einen hohen Berg, du Botin der Freude!“
- Wir sind im Advent – und warten nicht einfach auf Weihnachten, das wäre doch wirklich kindisch! Die Pandemie zeigt uns, wie verletzlich, wie verwundbar wir alle sind. Sie zeigt, dass Vieles nicht selbstverständlich ist von dem, was unser Leben bisher ausmachte. Wir warten – auf etwas Heilendes!
Auch wenn ein Impfstoff nun wohl bald da sein wird – so schnell wird sich an unserer Situation nichts ändern. Und dennoch ist ein mögliches Ende in Sicht. Aber was ist denn dann? Wenn es wirklich soweit sein sollte – was wird denn dann sein? Einfach alles so, wie bisher? So naiv kann niemand sein.
- Wir Christen sind für Jesus wie Sauerteig. Die Hefe also, die dem Teig helfen soll, aufzugehen. Aber Vorsicht: es geht nicht darum, dass der ganze Teig nun Hefe wird! So ist es nicht gedacht. Die Rolle der Christen: dabei zu helfen, dass das Miteinander genießbar wird.
Der Advent ist eine Zeit der Vorbereitung, der Erwartung. Es stünde uns gut an, in dieser Zeit schon einmal vorzudenken und vorzubereiten, was am Ende der Pandemie sein soll, sein kann. „Dem Herrn den Weg bereiten“ – das ist doch eine genuin christliche Aufgabe. Worin kann die bestehen? Welche Straßen müssen gebaut, Täler gehoben und Berge gesenkt werden?
Wir spüren in der Pandemie unsere Verletzlichkeit: wirtschaftliche Sicherheit ist brüchiger, als gedacht; Arbeitsplätze nicht immer krisenfest; Beziehungen kommen beim Homeoffice an ihre Grenzen; Menschen reagieren unterschiedlich auf Bedrohungen und werfen sich das einander vor. Verwerfungen in der Gesellschaft werden sichtbarer, Gräben zwischen den einzelnen Lagern offensichtlich tiefer. Schon zu Beginn der Pandemie meinte unser Gesundheitsminister, dass am Ende wohl viele einander Vieles zu vergeben hätten!
Ja, überall dort und noch an vielen anderen Stellen ist Heilung nötig, ein Heiland willkommen! Die Kirchen haben in dieser Zeit festgestellt, dass sie, dass wir nicht systemrelevant sind. Beinahe wöchentlich wird dieser Eindruck bestätigt. Aber: Christen, Christus-Träger, Zeugen der Botschaft Gottes in und für diese Welt sind und bleiben unverzichtbar. „Meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31), sagt Jesus. Sie dürfen nicht vergehen, weil wir sie brauchen, weil wir nur aus und durch sie menschlich leben und überleben können. Das merken wir gerade in Zeiten der Pandemie!
- „Bereitet den Weg des Herrn!“ Diese Bedeutung von Advent kann in diesem Jahr länger dauern als bisher, wenn wir die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen ernst nehmen wollen. Wenn wir Christen wirklich einen Dienst an den Menschen leisten möchten, wahrhaft systemrelevant, dann bereiten wir das jetzt schon vor: dass Täler die sich auftaten, Abgründe zwischen den Menschen, Berge, die sich bildeten, Trennwände in Beziehungen, geebnet werden können, Heilung geschehen kann – dann, wenn die Pandemie an ihr Ende gekommen sein wird. Dafür ist es aber auch wichtig – und das sehen wir im Evangelium – dass die Verkünder dieser Botschaft, und das können wir sein, darin so glaubwürdig und überzeugend sind, wie Johannes der Täufer. Diese Zeit jetzt auch dafür neu zu nutzen – das ist wahrhaft Advent. Nehmen wir in Jesu Namen diesen Auftrag an – seien wir Boten der Freude!
Amen.
Fürbitten
Im Advent wollen wir auf das schauen, was wir erwarten und auf Den, der Sein Kommen angekündigt hat:
- Herr Jesus Christus, schenke uns in diesen Wochen des Advents den Mut, das Unheile in uns anzuschauen, damit wir unsere tiefe Sehnsucht nach Leben und Sinn wahrnehmen können, eigenes Versagen benennen und Masken ablegen können.
Komm, Herr Jesus - Komm, Herr Jesus
- Lass uns als Deine Kirche in dieser Welt Stimme Deines Wortes sein und hilf uns so, den vielen Orientierungslosen unserer Tage den Weg zu Dir zu bahnen.
- Lass uns als Christen daran mitwirken, dass die sozialen Folgen der Pandemie heilen können und Versöhnung geschehen kann.
- Lass diejenigen, die in diesen Tagen und Wochen unter dem Verlust eines geliebten Menschen leiden, die einen Schicksalsschlag erlebt oder durch eine Krankheit entmutig sind, erfahren, dass Du um sie weißt.
- Stärke unseren Glauben daran, dass Du unsere Verstorbenen aufnimmst und sie zu ewigem Leben führst.
Du bist der, der vom Vater in unser Fleisch gekommen ist, mit dem Du in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.
