Mut zu neuen Wegen
Predigt von Pfarrer Ralph Senft zum Pfingstmontag 2020
„Ich wünsche dir,
dass dich das Feuer des Heiligen Geistes täglich neu
mit Mut und Lebenslust,
mit Kraft und Phantasie entzündet,
dass du aus einer unerschöpflichen Lebendigkeit heraus
deine Träume verwirklichen kannst,
um ganz du selbst zu sein,
und dass sich dein Leben darin sinnstiftend erfüllt.“
So lautet ein kurzer Text der Autorin Christa Spilling–Nöker.
Schwestern und Brüder! Ist das ein Glückwunsch, jemandem den Heiligen Geist zu wünschen?
Wer hat ihn schon gern in seiner Nähe, den Heiligen Geist?
Der Heilige Geist ist bei uns eher schlecht dran. Einerseits kennen wir ihn nicht – andererseits haben wir Angst vor ihm. Wir haben das Gespür für Gottes Geist in der Welt verloren, weil wir ihn mit dem Etikett „Heilig“ versehen haben: Damit gehört er in die Kirche und in den Herrgottswinkel – und damit stört er uns nicht weiter.
Wenn wir aber sagen, der Heilige Geist sei der Geist des Friedens und der Freiheit, der Geist des Lebens, der Hoffnung und der Freude, der Geist der Phantasie und der Kraft, der Lebenslust und des Mutes – dann müssten eigentlich alle Menschen nichts mehr tun, als diesen Geist herbeizusehnen.
Aber dieser Geist schenkt seine Gaben, wie und wo er will – und nicht, wie und wo wir wollen. Darum haben wir Angst. Denn wir wollen in unserer Lebensrechnung keine Unbekannten. Wir wollen klare, überschaubare Posten, die wir dann zu unserer Lebenssumme zusammenzählen können. Bitte nur keine Experimente. Die bringen unsern Alltag durcheinander. Wir können den Heiligen Geist nur gebrauchen, wenn er schön theoretisch bleibt: im Katechismus, in frommen Texten, im Gottesdienst. Heiliger Geist, theoretisch ja! Aber bitte nicht im Leben.
Wie gern singen wir in unseren Pfingstgottesdiensten das Lied „Der Geist des Herrn erfüllt das All“ (GL 787), und wie vermissen wir in diesen Tagen, dies gemeinsam tun zu können. Vielleicht aber kommen wir dadurch, dass wir es nicht routinemäßig gemeinsam tun, dem eigentlichen Kern näher.
„Der Geist des Herrn durchweht die Welt, gewaltig und unbändig. Wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes Reich lebendig.“ – Wird da Gottes Reich lebendig – hier in unserer großen Pfarrei und an ihren Kirchorten, in unseren Häusern, Familien und Lebenszusammenhängen?
„Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.“ (GL 645, 3) – Glauben wir das wirklich?
Schwestern und Brüder! „Der Heilige Geist ist nicht die beruhigte Mitte, ist nicht die Heiligkeit spießbürgerlicher Mittelmäßigkeit“, sagt Karl Rahner. Der Heilige Geist will uns mitreißen – auf neue Wege und auf Gott hin. Er lässt uns nicht in Ruhe. Er bewegt, er schreckt auf, er experimentiert, ja er verunsichert.
Die Rede vom Heiligen Geist ist die Frage an jeden einzelnen von uns, ob er den Mut zum Wagnis hat, den Mut zu neuen Wegen; ob er bereit ist, sein Leben auf eine Karte zu setzen, die für ihn auch unberechenbar bleibt, ob er sich einlassen will auf diesen Heiligen Geist und auf die Liebe Gottes.
Die Kraft dieses lebendigen Geistes Gottes wünsche ich Ihnen und mir nicht nur an diesem Pfingstfest, sondern jeden Tag neu.
Amen.