"Jesus nachfolgen - oder: Warum wir das tun"
Liebe Schwester und Brüder,
was feiern wir hier heute? Das Abendmahl – das Wunder der Brotvermehrung? Oder letztlich doch nur den feierlichen Auftakt für unser Pfarrfest? Vergewissern wir uns selbst: Die Volkskirche ist am Ende. Das geht hier nicht alles so weiter, weil es immer schon so war. Auch für uns selbst: Warum also?
- „Gib, dass wir die heiligen Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, dass uns die Frucht der Erlösung zuteilwird“, so heißt es im Tagesgebet, das uns eine Richtung zeigen will. Sehen wir klarer? Was antworten wir Menschen die uns fragen, was wir da machen? Wenn ich das Evangelium richtig verstehe, dann hat Jesus uns dort kein einziges Mal dazu aufgefordert, Ihn „anzubeten“! Dagegen aber mehrfach und eindringlich: „Folgt mir nach!“
Einen anderen verehren, Maß an ihm zu nehmen, mich in seinem Glanz zu sonnen – das heißt doch ganz wesentlich, etwas von ihm anzunehmen. Da färbt etwas ab, da prägt mich etwas. „Leib und Blut“ sagt Er im Abendmahlssaal, das heißt Er selbst. Er gibt sich hin, stellt sich selbst zur Verfügung, immer und überall, und sagt so unaufhörlich: „Folgt mir nach!“
Das wäre also der erste Teil einer Antwort, die wir anderen – aber auch uns selbst – auf die Frage, was wir hier tun, geben können: Wir versuchen, Jesus nachzufolgen und hoffen, dass sich das nicht darin erschöpft, Ihn bei der Prozession in die Mitte zu nehmen
- Die Frage zielt aber, wenn sie ehrlich gemeint ist, viel tiefer: Warum tut ihr das? Ja warum? „Damit uns die Frucht der Erlösung zuteilwird“. Verflixt! Immer dann, wenn es entscheidend wird – ich sage ja gar nicht „spannend“ – verhindert unsere religiöse Sprache jede wirklich Kommunikation, sowohl nach innen, als auch nach außen. Erlösung, Frucht der Erlösung!? Wovon sind wir erlöst? Ganz Eifrige sagen dann: Von der Sünde. Noch so ein Wort!
ER hat uns erlöst von der Angst um uns selbst. Mal ehrlich: Wenn wir das Kreuz anschauen – DEM nachfolgen?! Den möchte ich sehen (oder lieber doch nicht!). Aber genau darum geht es: Das Kreuz ist der extremste Ausdruck meiner Angst, zu kurz zu kommen. Und ER sagt mir: Das brauchst du nicht, im Gegenteil.
- Damit sind wir beim heutigen Evangelium der Brotvermehrung. Jesus ermutigt Seine Jünger, etwas zu tun, sich zu engagieren – ganz ohne Absicherung: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Stehlt euch nicht aus eurer Verantwortung!
Aber das ist doch unmöglich: 5000 Menschen. Wer bekommt so etwas hin? Ist es nicht unverantwortlich, so etwas überhaupt beginnen zu wollen, Hoffnung zu wecken? Wie oft hören wir das – argumentieren wir so? Wir benutzen die Vernunft, um unserer Angst Herr zu werden! Der Angst vor unserem Scheitern, der Angst, selbst nicht genug zu bekommen!
Wozu Jesus einlädt – und das ist Nachfolge: Vertraut! So zu vertrauen, wie ER es tat und dann das zu tun, was jetzt ansteht, auch das scheinbar Unmögliche. Wir können nicht – nie! – wissen, was daraus wird. Aber wer es wagt, in Seinem Sinne zu handeln, etwas zu wagen, der Not zu begegnen so wie ER, der kann es von Fall zu Fall neu erfahren!
Ich gebe zu: All diese und ähnliche Überlegungen waren für mich lange nichts anders als erbauliche Gedanken, kaum mehr. Bis ich vor einigen Jahren eine italienische Ordensfrau kennenlernte, die in der Nachfolge Jesu Unglaubliches wagte: Junge abhängige Menschen zurück ins Leben zu führen – sie hatte dafür nicht mehr als fünft Brote und zwei Fische! Und das reichte, es reicht noch. Als ich dem begegnete, fragte ich mich: Warum habe ich so etwas nicht schon viel früher kennengelernt? Ob nun diese Schwester Elvira oder Mutter Teresa von Kalkutta oder Don Bosco von Turin oder Franz von Assisi oder Katharina Kasper von Dernbach – egal: Menschen, die es wagten und wagen!
Das Wunder des Evangeliums ist nicht die Brotvermehrung – das Wunder ist das, was daraus folgt: Die Verwandlung der menschlichen Herzen bei denen, die sich darauf einlassen. Ich wünsche mir, dass wir es wagen!
Also: Warum tut ihr das? Weil wir an ein anderes Leben glauben und so die Kraft bekommen, dieses hier zu bestehen und zu verwandeln. Weil wir so von der Angst befreit wurden, zu kurz zu kommen, arm zu werden.
Und deswegen geht die Feier nachher weiter: Im miteinander Essen und Trinken. Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns einlädt, das Leben in Seiner Gemeinschaft zu wagen, bitten wir:
- Du bist das lebendige Brot: Lass uns als Deine Gemeinde davon Zeugnis geben, dass die Freundschaft mit Dir von der Angst befreit und zu wahrem Leben befreit.
(Gesungener Ruf)
- Du hast Dein Blut für uns vergossen: Schenk uns den Mut, mit Dir scheinbar Unmögliches zu wagen, um so zu erfahren, dass das Leben siegt.
- Lass uns unsere Verantwortung besonders für die Menschen auf der Welt erkennen, die in Armut, Unterdrückung, Unfreiheit und Krieg leben, und zeige uns Wege, ihnen tatkräftig zu helfen.
- Führe diejenigen, die Dich suchen; stärke die, die zweifeln; führe wieder heim, die sich von Dir getrennt haben.
- Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Sicherheit und Schutz, sie brauchen Vorbilder und sie brauchen Menschen, die ihnen von Deiner Liebe erzählen. Wir bitten Dich: Lass sie auch durch unser Reden und tun Deine Nähe erfahren und so das Vertrauen lernen.
- Du schenkst das ewige Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, dass Du sie aufnimmst in Deine Gemeinschaft.
Denn mit Dir sind wir auf dem Weg zum Vater, der mir Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.