"In die Knie gehen"
Es war kein Betriebsunfall!
So würde es gerne hingestellt:
Als Versehen, als Verstrickung unglücklicher Umstände. Es hätte nicht so kommen müssen, wenn – da kommen wir ins Stammeln, wenn wir das konkreter fassen sollten.
Es hat so kommen müssen, heißt es in der Schrift. Es hat so kommen müssen, weil das ein Teil der Welt ist, wie sie ist. Ob es uns passt oder nicht, ob wir es verharmlosen, relativieren und entschuldigen wollen oder nicht: So ist die Welt! Und gehen wir noch einen Schritt weiter, so, dass es uns wirklich weh tut und in die Knie zwingt: Weil wir so sind!
Am Karfreitag sehen wir am „Menschensohn“ – dem Menschen – was der Mensch dem Menschen antut. Wir könnten das nicht aushalten, wenn wir nicht wüssten, was uns am Ostermorgen erwartet. Aber gerade deswegen müssen wir es heute anschauen – damit sich Ostern immer wieder ereignen kann, damit wir auch heute erfahren, dass das Leben siegt!
- Gleich wird das Kreuz hereingetragen, Stück für Stück enthüllt. „Ecce lignum – seht, das Kreuz!“ Das reißt mich von den Füßen, da gehen wir in die Knie. Wenn wir begriffen haben, was wir da sehen, dann bleibt uns nichts anderes übrig. Nur was wir anschauen, wirklich anschauen, kann angenommen und auch verändert werden.
Die Botschaft Jesu hat in ihren 2000 Jahren viel Leben gebracht in diese Welt, hat Brutalität umgeformt in Menschlichkeit. Aber es ist nicht genug. Schauen wir richtig hin, es ist nicht genug. Wenn Gott selbst in den Ring steigt, sollte klar werden, wie stark der Gegner ist, wie stark die Kräfte sind, durch die Kreuze aufgestellt werden.
Wir sind heute eingeladen zur „Gewaltanschauung“, weil wir in der Nachfolge Jesu dazu aufgerufen und eingeladen sind, andere Wege zu finden und zu gehen. „Sucht andere Wege“, ruft ER uns zu. Er selbst tut das noch am Kreuz, indem ER neue Bande zwischen den Menschen knüpft: Keine Blutsbande mehr, dafür aber nicht weniger fest – so dass wir einander Brüder und Schwestern werden. Wenn wir damit anfangen: Der andere ist mein Bruder, meine Schwester – das würde schon so manches entschärfen. Dann erinnern wir uns vielleicht auch an den Gründonnerstag: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt“ – das wäre dann der nächste Schritt: Von der Gesinnung zur Tat.
Denken wir nicht zu gering von unseren Möglichkeiten. Jesus glaubt an uns – ER glaubt daran, dass wir Seine Kraft in uns wirken lassen können. Sonst hätte ER diesen Weg nicht gewählt.
- Wir können auch denken: Wir wollen’s anders machen, mit den besten Vorsätzen. Aber was ist mit denen, die vorher waren? Die die Macht des Kreuzes niedergedrückt hat? Auch das dürfen wir dem Herrn überlassen. Im Glaubensbekenntnis steht dieser eigenartige Satz: „Gekreuzigt gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Der Weg Jesu ist noch nicht zu Ende. Der Weg in den Karsamstag. Jesus liebt die Seinen bis zur Vollendung – dazu gehören auch sie, die Toten.
Das Reich des Todes – je älter wir werden, umso konkreter ist es bevölkert: Mit Familienangehörigen und Freunden, mit Adam und Eva, mit Tätern und Opfern, mit Starken und Gestrauchelten.
Er wird die Toten abholen – und damit den Tod in die Knie zwingen.
Auch deswegen gehen wir heute vor dem Kreuz in die Knie.
Amen.