Globalisierte Welt - oder: venetzt sein in Christus
Liebe Schwestern und Brüder,
wo wir hinschauen, woher auch immer uns Nachrichten erreichen, in welcher Sprache und von welcher Religionsgemeinschaft: uns alle vereint die Maske! Der Schutz, die Angst vor Corona. Und das global.
Ist Gott allmächtig? Wenn Er das ist, wieso dann das Leiden, wieso eine Pandemie? Nutzt Er Seine Allmacht, um zu strafen? Dann aber ist ER nicht barmherzig! Wenige Fragen, die umreißen, ob Religion in der Pandemie noch etwas zu sagen hat oder ob sie nicht doch das ist, wofür immer mehr Zeitgenossen sie halten: Eine Hilfe für die private Sinnsuche in Zeiten der Langeweile. Aber wenn es einmal darauf ankommt, es um das Leben geht, hören wir auf die Wissenschaft. Mehr gibt es nicht!
- Um es deutlich zu betonen: Wir glauben nicht an einen Gott, er unabhängig vom Menschen die Geschichte der Welt regelt. Wir glauben an einen Gott, der sich – und das zeigt sich in der ersten Offenbarung an Abraham – mit dem Menschen verbindet. Wir glauben an einen Gott, der – und das zeigt sich in Christus, wie wir es gerade an Weihnachten gefeiert haben – bis in Seine „Fingerspitzen“ hinein mit Seinem Geschöpf mitfühlt.
Wenn Gott allmächtig ist, mitfühlend, wieso hört Er dann nicht unsere Bitten? Oder zugespitzt: Wenn ER allmächtig ist, wieso sollten wir dann für etwas bitten? Sollen wir uns erniedrigen, uns vor Augen führen: Wir sind nur schwache Geschöpfe?!
Nein und nochmals nein! Durch uns, durch dich und mich soll es geschehen: Der Gott der Bibel ruft uns zu, uns Ihm zur Verfügung zu stellen. Mit Seinen Augen sollen wir sehen, mit Seinem Herzen fühlen, unsere Hände Ihn sichtbar machen, unsere Füße Seine Wege. Gott geht nicht über uns hinweg, sondern durch uns in diese Welt!
Ja, wir sind global vernetzt in dieser Welt – aber das waren wir schon immer – auch wenn die Sensibilität dafür oft fehlte. Wir haben oft gedacht und so gelebt: Ich! Und neben mir andere „Ichs“, jeder auf der Suche – oder im Kampf – um den besten Platz an der Sonne. Jetzt, globalisiert, merken es alle: ein solches Denken ist nicht nur egoistisch, es ist tödlich! Es fördert nicht das Leben.
Ja, wir sind globalisiert, vernetzt – aber eben nicht nur horizontal, sondern genauso vertikal: die Menschen, die vor uns lebten, sind doch nicht weg! Sie sind angekommen! Wo? Bei Ihm. In der Apostelgeschichte heißt es: „In ihm leben und weben und sind wir“ (17,28). Ja, wir sind alle verwoben miteinander, ein wunderbares Gewebe des Lebens. Ich ziehe an einem Faden – und an einer anderen Stelle bewegt sich etwas.
In dem Film „Avatar“ wird das wunderbar dargestellt: Auf dem Planeten Pandora, auf dem Menschen Rohstoffe abbauen wollen, gibt es das Volk der Na’vi. Sie fühlen sich getragen und beschützt von der Gottheit Eywa. Man nimmt mit ihr Kontakt auf durch den Ahnenbaum. Da wird deutlich: Alles ist mit allem vernetzt, horizontal und vertikal – und Kräfte fließen, wenn das Gute gefördert wird, das Gemeinsame vor dem Eigenen steht. Eine scheinbar primitive Kultur, die dem rein wissenschaftlichen Denken überlegen ist.
- Es mögen sich hier einige gewundert haben, dass ich seit vergangenen März am Ende jeder Messe ein besonderes Fürbittgebet an den Hl. Sebastian richtete, den Patron unserer Stadt, der im 17. Jh. gegen die Pest angerufen wurde. Durch diese Fürbitte soll genau das deutlich werden: Wir sind miteinander verbunden – „überkreuz“, horizontal und vertikal! Durch Weihnachten wissen wir: Gott weiß nicht nur um uns, ER fühlt es mit – unsere Not, unsere Angst, unsere Freuden und Hoffnungen. Und wir können Teil nehmen an Seinem Mitgefühl, bekommen Teil an Seiner Kraft, wenn wir uns dafür öffnen. Das spüren wir, das wissen wir doch: Wenn Menschen sich füreinander einsetzen – das verändert die Welt. Der hl. Sebastian hält „Pfeile“ ab, Pfeile, die die Tradition als Pestpfeile deutet – und als Strafe Gottes interpretiert. Nein, keine Strafe, sondern Ermutigung, das Gute zu tun, das Gemeinsame zu fördern – und darauf zu vertrauen, dass wir alle miteinander verwoben sind. Das kann der Tod nicht auflösen. Im Gegenteil. Der führt zur Fülle!
Die Angst vor dem Tod lähmt seit Monaten das Miteinander und sie lähmt die Kräfte, die fließen könnten, wenn wir der Macht Gottes in uns trauen würden: Welche Zuversicht, welche Veränderung könnte das bewirken. Darum: Hl. Sebastian, bitte für uns. Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns einlädt, miteinander Sorge zu tragen für das Wohl der ganzen Schöpfung, bitten wir:
- Stärke Deine Kirche und alle Getauften, dass wir in der Kraft Deines Geistes das Reich des Vaters täglich neu sichtbar machen.
(Christus, höre uns - Christus, erhöre uns)
- Wir bitten Dich heute für unsere Stadt Eltville: Schenke uns immer neu den Blick für die, die am Rande stehen, und stärke unsere Bereitschaft, dem Wohle aller zu dienen.
- In dieser Zeit der Pandemie bitten wir auf die Fürsprache des Hl. Sebastian, dass wir gemeinsam Angst überwinden und im Miteinander dem Wohl aller dienen.
- Wir bitten Dich auch für Marie-Christin, Ann-Kathrin und Lennart, die heute das Sakrament der Firmung erhalten haben: Dein Heiliger Geist lasse sie lebendige Glieder an dem Leib sein, der Du selber bist.
- Lass unsere Verstorbenen, besonders die aus unserer Gemeinde, die in Folge der Pandemie gestorben sind, auf die Fürsprache des Heiligen Sebastian und aller Märtyrer bei Dir ewige Gemeinschaft erfahren.
Du bekennst Dich zum Vater, mit dem Du in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.