"Die Wunden leuchten - oder: Der Stein kam ins Rollen"
Liebe Schwestern und Brüder,
in diesen Tagen war ich im Gespräch mit einer Frau, die manch Schweres hinter sich hat, Schweres, das aus der Vergangenheit in die Gegenwart hineinleuchtet. Ich fragte sie, ob sie sich auf Ostern freuen würde. „Und wie!“, antwortete sie. Was es denn sei, was sie besonders berühre? Und sie erwiderte: „Wenn die Osterkerze am Feuer gesegnet wird und es heißt: «Durch seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit, behüte und bewahre uns Christus, der Herr»!“ Das sei es, so meinte sie, das sei ihre Hoffnung, dass ihre eigenen Wunden auch einmal so strahlen würden, damit sie nicht nur das „warum“ wüsste, sondern auch das „wozu“!
- Die Segnung der Osterkerze – damit ist alles gesagt. Christus ist erstanden. Fertig. Was tun wir hier eigentlich jetzt noch? Auf, lasst uns feiern!
Wir brauchen Zeit. Wir lieben es beinahe, der Frage nach dem „Warum“ nachzugehen. Warum ist dies geschehen, warum wurden diese Wunden geschlagen? So sind wir erst einmal hinabgestiegen in die Abgründe unserer Geschichte mit Gott – eines Gottes, der sich immer anders gezeigt hat, immer überraschend, nicht planbar. Damit eben göttlich.
Aber das „Warum“ – ohne das erlösende “Wozu“ quält es uns. Und an diesem Morgen bekamen wir hier gesagt: Wozu? Damit der Stein ins Rollen kommt!
Wir sind in diesen Tagen einen Weg gegangen und haben das Kreuz angeschaut, ja sogar den Tod. Heute bekommen wir im Zwielicht des neuen Tages etwas gesagt, was von uns her nicht möglich ist – damit der Stein ins Rollen kommt.
- Wir bekommen heute neu gesagt, dass Gott Partei für das Leben ergreift. Immer. Dies aber nicht in wohlfeilen Sonntagsreden, sondern mit Seinem ganzen Einsatz. Die uralte Ostersequenz spricht vom „Duell zwischen Leben und Tod“ (vgl. GL 320). Klar, dass dabei Wunden geschlagen werden. Das sehen wir – immer, wenn wir auf’s Kreuz schauen. Aber diese Wunden – sie leuchten in Herrlichkeit. Sie sind der Preis, damit der Stein ins Rollen kommt.
An den Wunden wird man zukünftig den Auferstandenen erkennen – an ihnen wird man uns erkennen. Wenn wir das begreifen – dafür müssen wir tief in uns hineinspüren und hören, wie die Seele das umarmen möchte – werden wir anders leben. Unsere Einstellung zu den Wunden des Lebens bis hin zur letzten großen Wunde des Todes wird sich ändern. Sie sind Teil des Ganzen, das zum Leuchten kommt!
- Gedanklich leben wir dann nicht mehr biologisch vom Leben zum Tod – das bleibt – sondern in Beziehung mit Jesus vom Tod zum Leben. Ein Leben, das bleibt, weil es Beziehung ist, Beziehung mit Ihm, der bleibt!
Am Ostermorgen sagt Jesus zu Maria von Magdala: „Halte mich nicht fest!“ Er ist nicht auferstanden, um festgehalten, gar angebetet zu werden. Er ist gekommen und auferstanden, damit wir Ihm nachfolgen. Nachfolgen auch in diesem Duell auf Leben und Tod. Nachfolgen in Seinem Einsatz für das Leben – und dieser Einsatz sieht für jeden von uns anders aus, je nachdem, wohin wir gestellt sind. Aber es ist eben ein Einsatz für das Leben.
- Wenn man heutzutage im Dunkeln durch die Gegend fährt, sieht man immer mehr, das Gebäude angestrahlt werden. Hübsch. Kirchen gehören auch immer mehr dazu. Von weitem gut zu sehen. Fassade wird angestrahlt. Verlockend. Hauptsache man sieht uns?!
Menschen, die wirklich Ostern gefeiert haben, leben anders. Die haben eine Ausstrahlung. Die werden nicht angestrahlt. Die strahlen eine Zuversicht, eine Freude aus, einfach das Wissen über den Sieg, einen Kampf, der gewonnen ist, auch wenn der Streit bleibt. Und sie bezeugen diesen Sieg ob gelegen oder ungelegen. Christen haben eine andere Sicht auf die Welt – nicht „utopisch“, von einem „Nicht-Ort“ aus, sondern von dem Ort her, an dem der Stein ins Rollen kam.
Gewiss, der Einsatz kostet. Da macht uns das Kreuz nichts vor. Alles andere wäre Verharmlosung. Dabei mag uns das „Warum“ immer wieder einmal plagen – aber wir dürfen das „Wozu“ nicht vergessen: Damit auch heute die Steine, die das Leben verschließen wollen, ins Rollen kommen und die Wunden endlich strahlen in Herrlichkeit.
Halleluja.
Fürbitten Osternacht 2019
Unseren Herrn Jesus Christus, dessen Wunden in Herrlichkeit leuchten und der vom Vater zum Leben erweckt wurde, bitten wir:
- Wir bitten Dich für Deine Kirche weltweit und hier für uns: Dass wir aus der Feier dieses Ostermorgens die Freude für ein Leben in der Nachfolge und im Liebesdienst am Nächsten schöpfen.
(gesungener Ruf)
- Wir bitten Dich für alle, die ihr Leben, ihre Energie und Arbeitskraft für die einsetzen, denen das Leben Wunden geschlagen hat und die nur schwer einen neuen Tritt im Leben finden können.
- Stärke Stefan Bigus und alle Neugetauften auf ihrem neuen Glaubensweg und lass ihr Leben zu einem glaubwürdigen Zeugnis dafür werden, dass Du unser aller Lebensweg begleitest.
- Dieser Morgen führt uns alle zu der Befreiung. So bitten wir für alle, die gefangen sind: In Abhängigkeit und Sucht; in ihrer Schuldgeschichte; in der Not finanzieller Abhängigkeiten; in der sinnlosen Routine ihres Lebens.
- Wir bitten Dich auch für unsere Verstorbenen: Lass sie das neue Leben in Deiner Gemeinschaft erfahren.
Allmächtiger Vater, in Deinem Sohn hast Du uns alles geschenkt. Dir sei Dank, der Du mit ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.