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Die Sehnsucht nach Sicherheit

Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore zum 33. Sonntag im Jahreskreises (Lesejahr C)
Die Sehnsucht nach Sicherheit
Die Sehnsucht nach Sicherheit
Die Klagemauer in Jerusalem ist der Rest der Westmauer des Zweiten Tempels, der 70 n. Chr. bei der Eroberung Jerusalems durch die Römer geplündert und zerstört wurde nachdem die Provinz Judäa 66 den Aufstand gegen das Römische Imperium geprobt und der Jüdische Krieg begonnen hatte. Im Evangelium ist von eben diesem Tempel die Rede. © Jean-Léon Gérôme (1824–1904)
  • Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 33. Sonntag im Jahreskreis zum Download.

Die Texte des 33. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C, die Lesungen (Mal 3, 19–20b und 2 Thess 3, 7–12) und das Evangelium (Lk 21, 5–19), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist gar nicht so lange her, da kreisten – grob gesprochen – unsere Gedanken um folgende Themen: Welche Reisen wollen wir nächstes Jahr unternehmen? Verbringen wir Weihnachten zu Hause oder woanders, am besten im Schnee? Haben wir als Gemeinde im Dezember schon genug Vorträge für die beginnende Fassnachtssaison parat? Renovieren wir den Flur des Hauses im Frühling oder warten wir noch ein Jahr, bis auch das letzte Kind zum Studium das Haus verlassen hat und wir uns dann ganz neu einrichten? …

Diese Liste unserer Planungen ist variabel und ließe sich beliebig verlängern – und sie hört sich heute beinahe an wie eine Erzählung aus der guten alten Zeit. Diese „alte Zeit“ war vor drei Jahren beendet. Erst kam Corona: Das Sicherheitsgefühl bezüglich unserer Gesundheit und der Planbarkeit unseres Lebens löste sich auf. Dann kam der Ukrainekrieg: Die sichere Überzeugung in Sicherheit zu leben, offenbarte sich als Illusion. Und jetzt macht die Energiekrise deutlich: Die Sicherheit eines ständig wachsenden Wohlstandes beruht nicht auf einem Naturgesetz. Die Sicherheit einer warmen Wohnung kann für nicht wenige in diesem Winter zu einer Zitterpartie werden.

Wer hätte das vor drei Jahren gedacht? Als Schwarzseher und Unheilspropheten wären diejenigen bezeichnet worden, die vor Katastrophen gewarnt hätten.

- Von einer Katastrophe spricht Jesus, Er kündet eine Apokalypse an. Ausgerechnet im Blick auf den Tempel von Jerusalem, der in seiner Pracht mehr als ein nationales Symbol war: Gott wohnt unter uns – dieser Tempel ist ein sichtbares Zeichen, ein Bollwerk unserer Sicherheit. Nein, das ist er nicht. Jesus durchkreuzt solche Gedanken. Wo finden wir da noch Frohe Botschaft? Dafür ist ER doch gekommen, so hat ER doch zum Beginn Seines öffentlichen Wirkens geworben: denken wir an die Worte der Bergpredigt!
Jesus verkündet Frohe Botschaft, das ist sicher! Was ER jedoch demaskiert: Falsche Sicherheiten. Was allein Halt gibt: die Beziehung zu Ihm!

- Liebe Schwestern und Brüder, schon zum dritten Mal erleben wir es, dass die Kirchenführer in unserem Land angesichts der Krisen kein Wort der Stärkung, der Zuversicht und Hoffnung bereit halten. Sie können es nicht! Auch weil in diesen Herausforderungen keine Durchhalteparole Kraft schenken würde. Das Einzige, das wirklich überzeugt: das persönliche Zeugnis. Das Glaubenszeugnis derer, die Tiefen und Täler durchschritten haben und erfuhren, dass „der Herr ihr Hirt ist und nichts ihnen fehlt“ (vgl. Ps. 23).

So gesehen kann diese Zeit der Krisen wirklich eine Zeit der Kirche sein, der Kirche als Gemeinschaft derer, die sich um den Herrn versammeln und Ihm vertrauen. Jetzt kommt es mehr als zu früheren Zeiten darauf an, dass wir einander stärken.

Wir haben sie unter uns: die Zeugen und Zeuginnen, die erfahren haben und erfahren, dass ER uns Halt und Sicherheit schenkt, auf die das Leben aufgebaut werden kann. Gerade dann, wenn das zerbricht, was meinem, unserem Leben Halt und Sicherheit gegeben hat. Und das wird immer wieder geschehen.

- Nach dem Wunsch des Papstes begehen wir heute den „Welttag der Armen“. Dabei geht es nicht einfach darum, sie nicht zu vergessen und ihnen auch materiell beizustehen. Von ihnen, die im Vergleich mit uns sehr „unsicher“ leben, können wir viel lernen…

Ein Priester, den ich in Indien kennenlernen durfte, ist mir ein solches Beispiel geworden: Materiell ist da nicht viel – und doch ist er nicht bedürftig; die Eltern sind verschuldet und die einzige Schwester lebt im Ausland und hat selbst wenig. Wenn es passt, fährt er – zurzeit ist er im Promotionsstudium – mit dem Nachtbus 10 Stunden nach Hause, um seinen kranken Vater ins Krankenhaus und zurück zu begleiten.

„Komm, wir gehen einen Tee trinken“, rief er mir zu und ließ nicht zu, dass ich bezahlte, und ich wusste, dass diese wenigen Rupien doch auch der Grundstock für seine nächste Fahrt nach Hause waren.  Als ich mit ihm Messe feierte und konzelebrierte, sah und erlebte ich jemanden mit einem solch tiefen Vertrauen zum Herrn, das mich beschämte. Wie gut, dass wir Freunde geworden sind und ich so noch viel von ihm lernen kann.

Amen.

Dr. Robert Nandkisore
Leiter des Pastoralteams, Vertretung der Pfarrei nach außen und Ansprechpartner für Tauf- und Eheseminare und Kirchenentwicklung
Kirchgasse 165343Eltville
Tel.:06123-703770

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