Der König, der sich als Hirt selbst kümmern wird


Die Texte an Christkönigssonntag des Lesejahres A, die Lesungen (Ez 34, 11–12.15–17a und 1 Kor 15, 20–26.28) und das Evangelium (Mt 25, 31–46), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„König“ – ist das noch ein Wort, mit dem wir Jesus Christus beschreiben, benennen können? Es gehört heute nicht mehr zu unserem Sprach- und Denkschatz. Welches andere Wort könnte helfen? Mir fällt kein wirklich treffendes ein, um das zu bezeichnen, was schon das Judentum mit König, Messias und Königsherrschaft Gottes gemeint hat. Und: Wir wissen ja nach wie vor, was mit diesem Wort positiv gemeint ist.
Klar ist für die Bibelkenner auch: Dieser Gott-König hat eine bestimmte Gestalt, eine nachvollziehbare Denkweise, Er hat Vorlieben und „Schwächen“. ER ist König, kein Despot. Und so gesehen gibt es dann doch auch ein anderes Wort, das ausdrückt, wie sich dieser König versteht, was Er Seinem Volk sein will: ein Hirte! Damit setzte die heutige erste Lesung aus dem Propheten Ezechiel ein. Nach der Klage über die Belagerung und Niederlage Jerusalems und das Versagen der menschlichen Hirten Seines Volkes, kündet Gott an: „Ich kümmere mich selbst!“ (Vgl. Ez 34,11)
ER wird nach Seinem Volk fragen, es retten; Er wird Seine Herde weiden und ruhen lassen, sie suchen und zurückbringen; Er wird verbinden, kräftigen, behüten.
Für mich, liebe Schwestern und Brüder, sind das nicht nur Trostworte, sondern Worte der Hoffnung! Gerade jetzt, gerade in dieser Zeit. Die Krise der Kirche in unserem Land ist eine Krise des Machen-Wollens. Es ist die Krise einer Kirche, die „die Sache Jesu“ verwalten wollte. Sicher, es war gut gemeint. Wir waren Teil eines Wirtschaftswunders und eines neuen Kirchenbewusstseins: „Wir sind das Volk“! Ja, aber wessen Volk? Das Volk Gottes! Es geht um Ihn, darum, IHN handeln zu lassen – und nicht, Ihn im Hintergrund immer mehr zu verschleiern!
Weil ich mit Ihm verbunden bin, kann ich die Welt, dort, wo ich bin, aus den Angeln heben. Dies zeigt sich besonders im Einsatz für die, deren Welt in Trümmern liegt. Von ihnen erzählt das heutige Evangelium. Ich tue dies nicht, weil es moralisch von mir erwartet werden würde. Christentum ist kein Moralinstitut! Es ist eine Lebenshaltung. Und diese Haltung zeichnet sich dadurch aus, dass ich weiß, gehalten zu sein.
Ja, uns fehlt diese Erfahrung. Man kann sie aber machen, wenn man das will. Es sind Gemeinschaften, die dazu einladen. Taizé gehört dazu: Jedes Jahr kommen unsere Jugendlichen bewegt und berührt davon zurück. Für mich war es die Gemeinschaft Cenacolo, die sich nicht einfach für ihren Einsatz für Suchtkranke auszeichnet – das wär schon wieder „Caritas“ im deutschen Sinne. Nein, als ich nach meiner Rückkehr vor sieben Jahren unserem damaligen Personalchef davon erzählte, dass die Gemeinschaft aus und von der „Vorsehung“ lebt, dass wir weitergeben, was wir empfangen haben und uns tatsächlich nicht um uns selbst sorgen müssen, da der Herr selbst will, dass die Armen die Frohe Botschaft erfahren, meinte er kurz und entschieden: „Das gibt es nicht!“
Das ist unsere Krankheit! Die Krankheit zum Tode unseres kirchlichen Lebens. Missbrauch, Machtmissbrauch, Klerikalismus, erdrückende bürokratische Strukturen: Sie sind ein Symptome eines viel tiefer liegenden Übels – für den Ausschluss Gottes aus unserem Leben!
Wir sind das Volk Gottes, die sichtbaren Hände, Armen und Füße des unsichtbaren Gottes. ER will handeln – durch uns! ER will uns inspirieren, ER will uns leiten, führen – dorthin, wo Leben ist, für alle.
Ich sagte eben, dass für mich das Wort vom Hirten aus Ezechiel ein Hoffnungswort ist. Ja, ich glaube daran, dass in unserer zerbrechenden Kirche keine leeren Gebäude zurückbleiben, sondern dass das Handeln Gottes an uns Menschen neu sichtbar wird. Über uns fegt ein Flächenbrand hinweg – da wurde gezündelt, da kamen widrige Winde dazu: Das ist schrecklich! Aber danach kommt Neues. Es wird sich ganz klein ankündigen, jung, frisch und grün. An manchen Stellen kann man das schon sehen – wer es sehen will; andernorts flieht man noch vor Rauch und Feuer – und wird kaum das Nötigste retten können. Wie damals, als Ezechiel den Fall Jerusalems beschreib und betrauerte.
Aber all das macht Platz für IHN, den König, den Hirten. Er kümmert sich. Auf Ihn ist Verlass. Immer. Gerade jetzt.
Amen.
Herr Jesus Christus, Du bist der Hirte, der sich selbst um Seine Herde kümmern will. Und Du ermutigst uns, Deine Sorge zu teilen. Wir bitten Dich:
- Lass uns in dieser bedrängenden Kirchenzeit auf Dich als Hirten vertrauen und schenke uns den Mut für die Erfahrung, dass Du tatsächlich Sorge für uns trägst.
(Christkönig – wir bitten Dich, erhöre uns) - Schenke uns offene Augen, Ohren und Herzen, dass wir als Deine Kirche die Not und Bedürftigkeit anderer erkennen und in Deinem Namen handeln.
- Hilf den die Politiker gerade in dieser Zeit der Kriege und Konflikte, ehrlichen Herzens und mit allem Einsatz zu suchen, was dem Frieden und der Versöhnung dient.
- Schenke den Schwachen, Kranken und schuldig Gewordenen jemanden, der ihnen begegnen will, ihnen zuhört und sie würdevoll behandelt.
- Lass unsere Verstorbenen in dem Reich des Friedens wohnen, zu dem wir alle unterwegs sind.
Dir sei Dank, der Du uns das Vertrauen in den Vater lehrst, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
