Der Auftrag Jesu


Die Texte am 11. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A, die Lesungen (Ex 19, 2–6a und Röm 5, 6–11) und das Evangelium (Mt 9, 36 – 10, 8), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus beruft Seine Jünger, die Apostel. Drei der vier Evangelien berichten von der Berufung der Zwölf. Wenn wir das lesen, denken wir uns meistens nichts dabei: Klar, 12 Apostel, weiß doch jeder!
Es lohnt sich ein zweiter Blick: Ist uns schon einmal aufgefallen, was das für eine kunterbunte Truppe war?! Das war keineswegs ein Freundeskreis, der sich auf Anhieb verstand:
Unter den Aposteln gibt es eine kleine Gruppe von Fischern. Unter ihnen ist auch ein Brüderpaar, das von Jesus als „Donnersöhne“ bezeichnet wird: können wir uns vorstellen, wie solche Menschen auftreten und Konflikte leben? Dazu ein kritisch eingestellter Thomas, der erst nach einer Begegnung mit dem Auferstandenen seine Skepsis überwindet. In die Gruppe wird ein ehemaliger Zöllner aufgenommen. Das wäre nicht so dramatisch, wenn es nicht auch noch Vertreter der Zeloten dabei gäbe, die die Römer und ihre Kollaborateure – wie einen Zöllner – durchaus auch ermordeten; „Dolchmännner“ wurden sie auch genannt. Unter dem Apostelkreis war mindestens ein ehemaliger Jünger von Johannes dem Täufer, der uns durch seine kompromisslos-drastischen Bußpredigten bekannt ist. Die Gruppe achtete wohl nicht sehr gut aufeinander, denn wie konnte es sonst sein, dass sich einer unter ihnen nach und nach zu einem Außenseiter und Verräter entwickelte?
- All diese unterschiedlichen Menschen wurden durch Jesus zusammengehalten – wie die Speichen eines Rades. Und genau wie solche Speichen werden sie nach Pfingsten in die Welt hinausziehen. Nicht ihre Gemeinschaft galt es in erster Linie zu bewahren, sondern den Auftrag Jesu zu erfüllen: Geht und verkündet, dass das Himmelreich nahe ist; heilt Kranke; weckt Tote auf; macht Aussätzige rein; treibt Dämonen aus! An Himmelfahrt hat Jesus diesen Auftrag bekräftigt. Dieser Auftrag ist ein Merkmal des Christentums!
- Wir erleben und erleiden gerade bei uns eine dramatische Veränderung der Gestalt von Kirche und Gemeinde. Die Gründe sind vielfältig. Es wird viel gestritten. Auch in unserer Pfarrei sind wird ratlos angesichts der mit den Händen zu greifenden Schrumpfung! Es gibt Ideen, vor allem – das ist typisch deutsch – Konzepte für neue Strategien. Dabei tun sich neue Gräben auf: Wer ist noch katholisch? Wer ist zu progressiv – wer zu konservativ?
- Von Anfang hatte Jesus eine bunte Truppe von Jüngern zusammengestellt. Aber es ging und geht nicht darum zu bestaunen, wie bunt sie ist – es geht darum, dass sie damit in die Lage versetzt wird, den unterschiedlichsten Menschen Seine Botschaft zu bringen, Seine Nähe zu bezeugen, damals wie heute. Die Tradition erzählt uns, wie die Apostel in die unterschiedlichsten Länder und Kulturen eintauchten, um dort in der jeweils ihnen eigenen Weise dem Auftrag Jesu zu entsprechen. Wie gut, dass sie so unterschiedlich waren. An einem Platz versammelt hätte sie es wohl dauerhaft nicht miteinander ausgehalten.
So sehe ich die Krise, in der wir uns als Kirche bei uns befinden, als große Chance! Ja, wir haben eine Gestalt von Kirche aufgebaut, die vielen Menschen Heimat bot, die zu Gruppenbildung führte. Das ist erst einmal gut. Ich frage jedoch: Waren wir uns dabei des Auftrages bewusst den wir haben: Das Himmelreich ist nahe, Krankheiten heilen, Tote auferwecken …
Hand auf’s Herz: Werden wir so wahrgenommen? Deutlicher nachgefragt: Ist das unser Selbstverständnis? Für mich selbst beantworte ich beide Fragen mit „Nein“!
Ich möchte jetzt nicht nach Gründen fragen. Ich möchte nach vorne schauen und ich weiß: Christus ist treu. ER schenkt immer neu die Kraft, das zu tun, was Sein Herzensanliegen ist. Dafür hat ER uns berufen, in aller Unterschiedlichkeit. Die darf bestehen bleiben, wenn klar ist, dass ER die Mitte ist. Dann werden die Speichen auch von einem äußeren Rad – dem hl. Geist – zusammengehalten!
Das heutige Evangelium beginnt mit der Aussage, dass Jesus die vielen Menschen sieht und Mitleid empfindet: Sie sind müde und erschöpft, wie Schafe ohne Hirten.
Wenn wir neu beginnen, mit diesem Blick auf die Menschen um uns herum zu schauen, dann würde das schon etwas bewirken. Und ich bin überzeugt: Um die konkrete Gestalt von Kirche und Gemeinde wird ER sich dann schon sorgen – wenn wir nur Seinen Auftrag erfüllen.
Amen.
Herr Jesus Christus, Du sorgst Dich um uns Menschen und lädst uns ein, diese Sorge mit Dir zu teilen. So bitten wir Dich:
- Lass Deine Kirche nicht müde werden, weltweit für die einzutreten, deren Stimme durch Armut, Krankheit und Machtlosigkeit nicht gehört wird.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bringen Dir heute alle Kranken, vor allem die, die in Traurigkeit und Resignation gefangen sind. Und wir vertrauen Dir die, an, die sich beruflich oder privat der Kranken annehmen.
- Auch in unserer Gesellschaft gibt es solche, die durch Armut, Schuld, und Schicksalsschläge wie Aussätzige nicht am Leben der Allgemeinheit teilnehmen können oder dürfen. Zeige ihnen auch durch uns Deine Nähe.
- Menschen sind durch Abhängigkeiten und Süchte im Bösen gefangen und finden alleine keinen Ausweg. Mache uns alle aufmerksamer dafür, wo wir an der Befreiung dieser Menschen mitwirken können.
- Unsere Verstorbenen haben uns verlassen, doch wir vertrauen darauf, dass sie in Dir das neue Leben empfangen haben. Wir bitten Dich heute besonders auch für die, die diesen befreienden Glauben nicht teilen können.
Dir, allmächtiger Vater, danken wir für Deinen Sohn, der uns den Weg zeigt und der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
