Das Sonntagsgebot – oder: Vom Luxus freier Zeit
![Das Sonntagsgebot – oder: Vom Luxus freier Zeit](/fileadmin/_processed_/5/5/csm_boy-5319313_1920_fae9bb272f.jpg)
![Das Sonntagsgebot – oder: Vom Luxus freier Zeit](/fileadmin/_processed_/5/5/csm_boy-5319313_1920_13b26bc3f4.jpg)
Die Texte am 9. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Dtn 5, 12–15 und 2 Kor 4, 6–11) und das Evangelium (Mk 2, 23 – 3, 6), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich erinnere mich gut an einen Besuch in der Frankfurter Synagoge, den ich vor einigen Jahren mit Freunden unternommen habe: Eine Familienmutter führte uns durch das Gebäude und erzählte von ihrem Alltag. Davon, wie sie mit der Familie versucht, den Alltag religiös zu gestalten. Für uns alle damals sehr beeindruckend: Wie sie vom Geschenk des Sabbat – des Schabbat – sprach! Von Freitagabend bis Samstagabend steht das Arbeitsleben still. Ja, auch für sie, die Hausfrau, denn auch die Speisen werden so vorbereitet, dass sie warm bleiben und tatsächlich jeder in der Familie in den Genuss kommt, nicht einfach nur „frei“ zu haben, sondern miteinander diese Zeit zu teilen. Für sie sind die jüdischen Gesetzesvorschriften eine Befreiung und eine Hilfe zum Leben.
„Halte den Sabbat: Halte ihn heilig!“, so haben wir es eben gehört. Dieses Gebot ist Teil der 10 Gebote, die Mose am Sinai von Gott erhalten hatte. In zwei Versionen sind sie uns erhalten und gerade das dritte, das Sabbatgebot, wird dabei unterschiedlich begründet: In der älteren Fassung aus dem Buch Exodus wird der Sabbat mit der Schöpfung in Verbindung gebracht. Da Gott in Seinem Schöpfungswerk am siebten Tag ruhte, soll das der Mensch auch tun. Oder besser: Er darf! Die Ruhe als göttlicher Schutz!
In der jüngeren Fassung, die wir heute hörten, wird der Sabbat mit dem Auszug aus Ägypten verbunden: Gott hat aus der Sklaverei befreit in ein neues Leben. Das gilt es nicht zu vergessen, daran soll erinnert werden. Arbeit ist nicht alles und so darf auch ich erfahren, dass Gott mich - und meine Umwelt! – aus der Tretmühle, die Arbeit auch sein kann, herausholt und mich schützen will. Gott hat mich in dieses Leben gestellt, damit ich es „in Fülle“ habe, wie es Jesus später sagen wird.
Auch im Evangelium hören wir heute über den Sabbat. Jesus steht im Konflikt mit der religiösen Obrigkeit, die das Sabbatgesetz streng auslegt und keinerlei Arbeit erlaubt. Jesus möchte in Seiner Haltung keineswegs den Sabbat aufheben, sondern ER erinnert daran, was damit gemeint ist: die Sorge Gottes um das Wohl des Menschen. Gerade der Sabbat soll deutlich machen, wie sehr dies stimmt. Im Geschenk des Sabbats soll der Geber selbst immer wieder durchscheinen. Die Heiligung des Mannes mit der gelähmten Hand macht dies besonders deutlich.
- Was würde Jesus heute zu uns sagen und welche Worte würde Er dabei wählen. Die Situation ist eine völlig andere: Das Sabbatgebot, das bei uns Christen zum Sonntagsgebot geworden ist, der siebte Tag zum ersten Tag der Woche, erscheint völlig ausgehöhlt. Kirche scheint dabei in vielem mitzumachen.
Wenn wir an den Kern zurückgehen: Es geht um den Menschen, darum, dass er in der Mühle und der Mühe des Alltags nicht erstickt, sondern einen Luxus erfährt, den er nicht verdienen kann, sondern der ihm geschenkt wird: unverfügbare Zeit, um das Geschenk des Lebens im menschlichen und göttlichen Miteinander feiern zu können.
Vielleicht gibt es da im Leben einer Gruppe oder im Leben eines Einzelnen auch verschiedene Phasen, die den beiden Gründen entspricht, die uns in der Bibel für das Sabbatgebot genannt werden: Am Anfang ist es gut, einfach zu lernen, dass der Sonntag ein besonderer Tag ist. Weil es einfach so ist. Weil es gut tut. Weil sonst nichts und niemand in Politik und Welt die Begründung für einen solchen Tag schaffen könnte. Dann wieder kommt es in der Regel in jedem Leben irgendwann zu Krisen, die uns an die Grenzen führen, an die Grenzen des Erträglichen. Wenn ich dann erfahre, wie und das Gott mich befreit und rettet, sollte ich das nicht so schnell vergessen. Der Sonntag kann da helfen. So machen die jungen Männer und Frauen, die durch eine Drogensucht in die Gemeinschaft Cenacolo gekommen sind, die Erfahrung einer Heilung und einer Nähe Gottes. Das betrifft oft auch ihre Familien und es besteht der Wunsch, diese Erfahrung ins Leben einzubauen. Sie entdecken, wie wenig sie oft das Miteinander der Familie gelebt haben – aus welchen Gründen auch immer! – und sehen, aus diesem „Sklavenhaus befreit“, heute ihr Leben anders und leben es anders. Der Sonntag kann dabei helfen, das neue Geschenk des Lebens zu bewahren.
Wir sollten darüber reden – auch öffentlich. Damals, vor vielen Jahren, hat mich das Zeugnis der Frankfurter Jüdin bleibend beeindruckt.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der gekommen ist, damit wir das Leben haben, bitten wir:
- Schenke allen Christen die Bereitschaft, für das Wohl, die Würde und die Freiheit des Menschen einzutreten, auch wenn dies Nachteile nach sich ziehen könnte
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Gib uns ein aufmerksames Gespür und Phantasie dafür, das große Geschenk des Sonntags vor Kommerzialisierung zu schützen und auch den Mut, uns dafür einzusetzen.
- Hilf denen, die ein Leitungsamt in der Kirche ausüben, immer wieder Ordnungen und kirchliche Gebote daraufhin zu überprüfen, ob sie Dir und Deiner Botschaft heute noch entsprechen.
- Stärke die, die schwer tragen an der Last des Alltags und die erleben müssen, dass nicht sie selbst, sondern nur ihre Leistung und Arbeitskraft zählen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass Du schenkst, was sich niemand verdienen kann: Leben in Fülle.
Den Du begleitest uns auf dem Weg, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.
![](/fileadmin/_processed_/d/a/csm_Pfr._Dr._R._Nandkisore_c3c26277d9.jpg)