Beruhigen lassen in friedloser Zeit


- Beruhigen lassen in friedloser Zeit
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 6. Sonntag der Osterzeit über die Abwesenheit von Krieg und Frieden zum Download.
Die Texte des 6. Sonntags der Osterzeit des Lesejahres C der Lesungen (Apg 15, 1–2.22–29 und Offb 21, 10–14.22–23) und das Evangelium (Joh 14, 23–29) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
müssen wir nach diesem Evangelium nicht sagen: „Herr, unser Herz ist beunruhigt! Wir haben Angst und machen uns Sorgen. Schenke uns Frieden!“?
Umfragen zeigen es: Menschen in unserem Land haben davor Angst, wozu sich der Krieg in der Ukraine noch entwickeln könnte. Aber: Letztlich braucht es dafür gar keine Umfragen: Unsere täglichen Gespräche zeigen es doch. Auf der Straße, in der Nachbarschaft, im Kollegenkreis – überall der gleiche Tenor: Angst, Unsicherheit, Sorge. Dazu die steigenden Preise. Da fallen jetzt schon manche hinten runter!
Und dann das Evangelium von heute: „Frieden hinterlasse ich euch“! Bitte, tue es! Und jemand, der wie ich den christlichen Glauben und die Worte Jesu noch irgendwie retten will, der weist darauf hin, dass Jesus ja gleich angefügt hat: „Meinen Frieden … nicht wie die Welt ihn gibt“. Von „Schalom“ spricht Jesus, das ist mehr als „Pax“, Waffenstillstand. Das meint Unversehrtheit, Heil, Gesundheit, Sicherheit, Frieden. Nicht umsonst ist genau dies der jüdische Gruß: Schalom – Heil und Gesundheit wünsche ich dir!
Jesus, wir sind beunruhigt! Wir sehnen uns nach dem Frieden, und sei es bloß ein Waffenstillstand!
- Vom russischen Schriftsteller Leo Tolstoi gibt es folgende Anekdote: Zum ruhigen Schreiben zog er sich einmal auf eine Einladung hin in ein abgelegenes Schloss zurück. Ein idealer Platz, um in Ruhe seiner Inspiration nachzugehen, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Doch am Nachmittag des ersten Tages wurde er von lautem Kindergeschrei aus seinem Nachdenken gerissen. Nachdem dies längere Zeit angehalten hatte, machte er sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Störung. Dabei stieß er im schönen Schlossgarten auf eine Gruppe von Kindern, die lautstark miteinander spielten. Neugierig und auch etwas ärgerlich fragte er sie, was sie denn da spielen würden. „Wir spielen Krieg“, kam die Antwort. „Hm“, meinte er, „versucht doch mal, Frieden zu spielen!“ Dabei wandte er sich ab und wollte zurück gehen. Da kam einer der Buben zu ihm, zupfte ihn am Ärmel und fragte ganz zaghaft: „Bitte, Herr, wie spielt man denn Frieden?“
- Wir wissen, was Unfriede ist; wir erleben, was Krieg bedeutet. Wissen wir, wie Frieden „geht“, wie man ihn „spielt“? Das ist keineswegs eine rhetorische Frage! Ich schaue mich um, in meinem Alltag, in meinem Leben und Erleben. Wie gehen wir miteinander um? Wie reden wir mit- und vor allem übereinander? Wie werden Menschen verbal verurteilt, in die sprichwörtlichen „Ecken gestellt“? Wo „zeigt“ man es dem Nachbarn mal wieder richtig? In der Kirche geht es da nicht friedvoller zu: Da äußerst sich ein Bischof etwas ungeschützt in einer Mitarbeiterrunde – und schon ist diese Unbedachtheit an die Presse weitergeleitet, der Skandal perfekt.
Da wird wieder im Supermarkt gehamstert was das Zeug hält – der andere ist mir doch egal, Hauptsache ich habe genug (wovon auch immer)!
Schalom? Davon keine Spur. Und selbst Pax ist meist weit entfernt.
Mich beunruhigt am Krieg in der Ukraine vor allem auch die Erkenntnis, wie schnell es möglich ist, Krieg zu schaffen! Wie schnell es möglich ist, Menschen ins Unheil zu stürzen. Wie leicht es wieder möglich ist, unüberwindliche Gräben aufzuschütten, die die „Guten“ von den „Bösen“ trennen.
Wo lernen wir, den Frieden zu leben? Das ist die Frage, die mich wirklich beunruhigt, umtreibt. Wo lernen wir, nicht nur gerade mal so miteinander auszukommen, sondern einander wirklich „Gesundheit, Heil und Wohlergehen“ zu wünschen?
Hier setzt für mich die tiefe Wahrheit des Evangeliums an: Wir Menschen können es nicht – warum auch immer. Es ist Jesus, der den Frieden schenkt. ER wünscht ihn uns nicht nur, Er schenkt ihn. Das heißt: Dieser Friede, Schalom, ist schon da und ich brauche mich nur noch für ihn zu öffnen.
„Bitte, Herr, wie spielt man Frieden?“ Es geht nicht ohne das Wissen, dass ich getragen bin, komme was da will. Dass ER um mich weiß, dass ER mich nie fallen lässt – auch wenn es für mich im Moment danach aussehen mag. ER will bei mir „Wohnung“ nehmen, wie es heute heißt – ich möchte es mehr und mehr lernen, Ihm meine Tür zu öffnen. Menschen, die Erfahrungen mit dem Glauben gemacht haben, die bezeugen uns, dass dies geht. Das möchte ich lernen, mehr und mehr.
Ich möchte in aller Unruhe dieser Welt wissen, wo mein Herz zu Hause, im Frieden sein kann. Ich möchte den Frieden lernen.
„Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht!“
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns Seinen Frieden schenken möchte, bitten wir:
- Unser Herz ist verzagt im Blick auf den Krieg in der Ukraine: Bitte verhilf den Friedensbemühungen zum Erfolg und lass uns alle lernen, miteinander im Frieden zu leben.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Unser Herz ist verzagt im Blick auf das Versagen Deiner Kirche und das Unvermögen, miteinander im Dialog zu sein: Hilf uns, im gemeinsamen Blick auf Dich unsere Berufung zu leben.
- Unser Herz ist oft verzagt im Blick auf die, die bei uns in der ganzen Welt Not leiden, die krank oder behindert sind, die in Armut und Hoffungslosigkeit leben müssen: Bitte lass uns mutig Schritte gehen, die dieser Not Abhilfe schaffen können.
- Unser Herz ist verzagt im Blick auf uns selbst: Darauf, dass wir Dir oft nicht genug vertrauen und so nicht den Mut haben, Dir die Tür unseres Herzens zu öffnen. Bitte, schenke uns die Erfahrung Deiner Gegenwart.
- Unser Herz ist oft verzagt und traurig, da wir Menschen durch den Tod scheinbar verloren haben. Bitte, lass uns durch das Wissen um Deine Liebe zu ihnen neue Lebenskraft gewinnen.
Dir, dem barmherzigen Vater sei Dank, der Du uns deinen Sohn auch heute schenkst, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und uns liebt in alle Ewigkeit.
Amen.
