Außen hui-innen pfui – oder: Wovon lebe ich?
Die Texte am 22. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Dtn 4, 1–2.6–8 und Jak 1, 17–18.21b–22.27) und das Evangelium (Mk 7, 1–8.14–15.21–23), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„außen hui, innen pfui“ – den Spruch habe ich schon als Kind gelernt. Von außen sieht’s toll aus, aber innen hält es nicht das, was es verspricht: „Räum dein Zimmer auf“ – das ganze Spielzeug war verschwunden, doch wehe, man machte die Schränke auf. Von wegen Aufräumen!
„Außen hui, innen pfui“ – könnten wir auf diese Aussage das heutige Evangelium zurückführen? Beschreibt das die Pharisäer? Es läge nahe. Und: Schön, wie hier die Pharisäer und die Schriftgelehrten die verbale Prügel Jesu abbekommen. Aber Vorsicht! Als lebendiges Wort Gottes ist das Evangelium nicht einfach ein Bericht über die Vergangenheit, sondern es will mit seinem Wort Menschen heute erreichen, die, die zuhören. Mich. Uns. „Außen hui, innen pfui“ – trifft das auch mich?
- Schauen wir sie uns an, diese Gruppe der Traditionsträger und Gelehrten. Sie legten darauf Wert, dass Israel seinem Bund mit Gott treu bleibt, dem das Volk alles verdankt. Gerade im Blick auf die Vergangenheit zeigte sich, dass immer dann, wenn Volk und König auf andere Mächte und Götter vertrauten, alles schief ging. Der Bund mit Gott rettet. Das muss bewahrt werden. Und Gott hat uns etwas an die Hand gegeben, einen Leitfaden: die Gebote. Sie zu achten ist Ausdruck der Treue!
Ist dieses Denken so falsch? Sind wir gerade in dieser Zeit nicht dankbar für Menschen, denen Ordnung und Orientierung an Werten etwas bedeutet? Daran scheint es doch in der Gesellschaft zu mangeln. Da geht es doch nicht um „außen hui, innen pfui“!
Wo also liegt das froh Machende am heutigen Evangelium? Kann es darum gehen, dass jeder machen soll, was er möchte, Hauptsache er schädigt keinen anderen? Das wäre ein fatales Missverständnis der Freiheitsbotschaft Jesu!
- Gebote sind Zeichen, Hinweise einer inneren Entscheidung. Sie helfen mir, dem treu zu bleiben, was ich will, was ich im Tiefsten will. Also: Weil es ums Innen geht, soll es auch im Außen sichtbar sein.
Und hier setzt es an: das Evangelium von der Befreiung. Hin und wieder schmerzt es, weil es mich konfrontiert mit meiner Wirklichkeit, die immer wieder faule Kompromisse eingeht und zu wenig auf das Innen schaut: das Innen, das Jesus zum Leben befreien will.
Darum geht es. Um nichts weniger. Um Leben: „Hört und ihr werdet leben“ (Dtn 4,1), ruft Mose dem Volk Israel vor dem Einzug ins Heilige Land zu, und das Volk stimmt zu. Und es vergisst es immer wieder. Das Herz wird lau, die erste Liebe verblasst, der Alltag scheint auch anders bewältigbar.
Darin besteht eine große Gefahr: Lebensgefahr. Für die Bibel bedeutet der Begriff „Leben“ Gemeinschaft mit Gott! Jetzt schon.
Gemeinschaft ist nur möglich, wenn das Herz dabei ist. Ist es dabei, ist der Gemeinschaft viel möglich! Dann ist das Leben in all seinen Facetten möglich. Jesus wirft letztlich das den Pharisäern vor: Dass sie zu viel Wert auf das äußere Befolgen von Geboten legen, aber den Kern der Sache, die Beziehung mit Gott, nicht entsprechend berücksichtigen, dafür nicht werben, die Schönheit dieser Freundschaft nicht bezeugen.
- Außen hui: Ich erinnere mich an ein Gespräch, in dem mir eine Frau von ihrer Mutter erzählte, die an Krebs verstarb. In den letzten Monaten der Krankheit war es der Tochter möglich, das Verhältnis zur Mutter neu zu vertiefen, Dinge zu besprechen, die schon lange gesagt und geklärt werden mussten. Die Mutter war immer eine sehr strenge Frau, gerade auch in der religiösen Erziehung. Es galten die traditionellen Formen, sonntäglicher Kirchgang wurde nie in Frage gestellt, es war klar, was in dieser Hinsicht zu tun und zu unterlassen war. Für die Tochter war es erschütternd und ernüchternd, wie die Mutter auf ihrem Krankenbett die Feststellung traf, dass sie angesichts der Erkrankung keinerlei Halt, Trost oder Orientierung im Glauben finde. Krankenkommunion, Krankensalbung – das war für die Sterbende bedeutungslos.
Außen hui: Ich bin Christ, ich will es sein und dann kommt mir jemand quer und ich will mich nicht versöhnen! Ich bin Christ und will es sein: Gesellschaftliche Veränderungen und globale Verschiebungen machen auch vor meinen Gewohnheiten nicht halt und ich weigere mich, jetzt nach dem Auftrag Jesu zu fragen.
Unser Gemeindeleben verändert sich, auch deswegen, weil immer weniger junge Menschen bereit sind, sich mit Haut und Haar in die Nachfolge einbinden zu lassen und damit am Dienst an Seinem Reich. Verbleiben wir in dem, was wir gerade noch haben – was längst über unsere Kraft geht! – oder suchen wir gemeinsam nach Gemeinschaft, nach Kirche, die auch junge Menschen spüren lässt, was wir innen mit uns tragen.
Das Innen: Meine Freude am Herrn; mein Wissen um mein und unser Getragensein; die Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. All das gibt im Außen Zeugnis, ob uns das bewusst ist oder nicht. Das Außen entspricht dann der Haltung Jesu, der in meinem Inneren leben darf.
Amen.
Auf die Fürsprache des Heiligen Ägidius, der uns in die Freundschaft zu Christus ruft, wollen wir bitten:
- Stärke die Kirche in ihrem Bemühen, in unserer Welt ein glaubwürdiges Zeugnis von Dir zu leben.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Lass in unserem Alltag deutlich werden, was wir mit dem Mund bekennen: dass Du der Sohn Gottes bist.
- Auf die Fürsprache des hl. Ägidius bitten wir dich für alle Mütter, die sich um ihre Kinder sorgen; für alle Kranken und die, die mit einer Behinderung leben: Lass sie an Deiner Nähe und Begleitung nicht verzweifeln.
- Stärke in unserem Land den Geist der Solidarität und Einigkeit, dass wir in allen Unterschieden, die uns trennen, im Blick auf das verbindende Erbe das Gemeinsame suchen und fördern.
- Erfülle an unseren Verstorbenen die Hoffnung, die sie in ihrem Herzen getragen haben.
Denn in Dir steht uns das Herz des Vaters offen, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.