Auseinandersetzungen – oder: Einer ist unser Vater


Die Texte am 31. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A, die Lesungen (Mal 1, 14b – 2, 2b.8–10 und 1 Thess 2, 7b–9.13) und das Evangelium (Mt 23, 1–1), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
das heutige Evangelium und alles, was im 23. Kapitel bei Matthäus noch folgt, ist im engen Zusammenhang mit dem zu sehen und zu verstehen, was über die Auseinandersetzungen Jesu mit Seinen Gegnern, den Schriftgelehrten und Pharisäern, vorher berichtet wird. Scharfe Worte Jesu!
Eine oberflächliche Betrachtung könnte jetzt dabei stehen bleiben, was an der Kritik auf die heutige Kirche anwendbar ist: Quasten, Ehrenplätze, Autorität und Mitsprache … Wir könnte uns auch vorstellen, dass jeder jetzt mal fröhlich drauflos dreschen dürfte – und dann selbst Vorwürfe hören müsste. Am Ende führte das allerdings kaum zu einer Lösung auch tatsächlicher Konflikte und Problemfelder. Im besten Falle wäre es ein reinigendes Gewitter. Und dann?
Bitte jetzt nicht missverstehen: Das alles, was auch in der Kirche nicht gut läuft, gehört angeschaut, immer wieder, weil wir Menschen dazu neigen, nach alten Strukturen wieder neue zu schaffen, und uns in ihnen genauso einzurichten, wie in den alten – oft mit den gleichen Konsequenzen.
Am letzen Sonntag hörten wir vom wichtigsten Gebot und da ist Jesus eindeutig: Gottesliebe, Agape, die Haltung also, Ihm den ersten Platz einzuräumen. Daraus ergibt sich dann alles Weitere: das zweite Gebot, die Liebe zum Nächsten und zu sich selbst als natürliche Antwort darauf, von Gott angenommen und gewollt zu sein.
Auch im heutigen Text können wir den entscheidenden Punkt entdecken, um den sich alles dreht und der uns hilft, die vielen Fragen um das rechte Miteinander ins richtige Licht zu rücken: „Einer ist euer Vater!“ (12,9).
Als Geschwister können wir uns nur dann richtig zueinander verhalten, wenn wir den Vater im Blick haben. Nicht nur im Blick: Wenn uns das erste Gebot wirklich das Wichtigste ist. Wenn sich aus dieser Beziehung unser Denken mehr und mehr speisen würde, dazu unser Reden und Handeln – das wäre ein Gewinn!
Natürlich: das verhindert keine Konflikte. Davon erzählt schon die Apostelgeschichte, wenn sie davon berichtet, wie zwischen Judenchristen und Heidenchristen ein neuer und gemeinsamer Weg gefunden werden muss. Aber in welchem Geist diese Konflikte ausgetragen werden, ist so entscheidend – wenn also der gemeinsame Vater dabei nicht übersehen wird.
- Das heutige Evangelium: Ich kann nicht verschweigen, dass es angesichts der bedrückenden weltpolitischen Lage nur begrenzt meine Aufmerksamkeit findet. Ich empfinde mich beinahe wie gelähmt. Dazu kommt, dass wir uns gerade auch hierzulande innerkirchlich – immer wieder auch in der Gemeinde – so sehr „zerlegt“ haben, das wir keine Stimme mehr haben für die Vielen, die sich wie wir auch so sehr sorgen.
Wir alle sind Brüder und Schwestern, keine Meister, keine Lehrer – es wäre schon viel, wenn wir unsere Hilfsbedürftigkeit ins Wort bringen könnten, unser Nicht-Wissen und Nicht-Verstehen.
Und wenn Menschen spüren würden: Auch die Christen haben keine Antwort, aber sie versammeln sich um den, den sie „Vater“ nennen und stärken sich gegenseitig im Vertrauen auf Ihn.
So hat es der Papst vor etwas mehr als einer Woche im Petersdom getan: Kein Appell an die Welt, an die Konfliktparteien, an die Mächtigen – es wurde einfach nur unsere Ohnmacht vor den Herrn gebracht, in schlichten Gebeten und Schriftlesungen, dabei auch in einem Raum der gemeinsamen Stille.
Vielleicht wären das zurzeit erst einmal der wichtigste Dienst und das glaubwürdigste Zeugnis, das wir geben könnten: Dass wir als „Kinder“ eben manches nicht lösen können, dass wir machtlos sind – aber auf einen Vertrauen, der Halt gibt: Der Vater.
Amen.
Herr Jesus Christus, du berufst uns, einander so anzunehmen, wie Du es getan hast, als Deine Brüder und Schwestern. So bitten wir Dich:
- Stärke in Deiner Kirche den Geist der Geschwisterlichkeit und lass uns so gemeinsam an Deinem Reich bauen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Schenke uns ein erneuertes Gespür dafür, wo wir selbst durch unser Denken, Reden und Tun Deine Botschaft verdunkeln und zeige uns Wege der Erneuerung.
- Angesichts der bedrückenden Nachrichten aus den Kriegsgebieten im Heiligen Land und in der Ukraine, der vielen Vertriebenen und Flüchtlinge, der Verletzen und Vermissten flehen wir auch in ihrem Namen um den Frieden.
- Lass alle, die jetzt in der Politik Macht und Einfluss haben, Wege der Versöhnung und Verständigung finden und ermutige sie, der Mitmenschlichkeit ihr Gesicht zu geben.
- Führe unsere Verstorbenen in die neue Gemeinschaft der Schwestern und Brüder, in der Du selbst die Mitte bist.
Im Vertrauen darauf, dass Du beim Vater für uns eintrittst, kommen wir zu Dir, der du mit ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
