Auch wir glauben und darum reden wir
Die Texte am 10. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Gen 3, 9–15 und 2 Kor 4, 13 – 5, 1) und das Evangelium (Mk 3, 20–35), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Auch wir glauben und darum reden wir
2 Kor 4,13
Liebe Schwestern und Brüder,
eine Familie – Vater, Mutter und sechsjährige Tochter – befinden sich in einem Restaurant. Plötzlich das unerwartet Schreckliche: Das Kind verschluckt sich und droht zu ersticken. Alle Hilfeversuche bieten genau das nicht: Hilfe. Doch da greift plötzlich eine im Restaurant anwesende Frau ein: Sie ist Krankenschwester und kann mit kundigen und geübten Griffen die Gefahr abwenden. Wir können uns die unglaubliche Erleichterung vorstellen: Tränen, Lachen, lauter Dank. Das beherzte Eingreifen einer Krankschwester rettet ein Leben. Eine Heldin. Damit scheint das Happy End erreicht. Doch das Entscheidende kommt noch und deswegen erzähle ich es hier: Als die Mutter des Kindes sich noch einmal bei der Krankenschwester bedanken will, meint diese, dass eigentlich Jesus das Wunder bewirkt hätte! Wie sie das meinen würde, wird sie gefragt. Daraufhin antwortet die Krankenschwester, dass sie eigentlich an diesem Abend woanders essen gehen wollte, aber Jesus habe es anders gefügt und nun wisse sie auch warum: denn Gott sei gut! Damit nimmt die Geschichte Fahrt auf.
Sie ahnen: Es handelt sich um einen Film, von dem ich hier erzähle. Dieser Film „der Fall Jesus“ aus dem Jahre 2017 behandelt die wahre Geschichte eines atheistischen Reporters der „Chicago Tribune“, einer amerikanischen Zeitung, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, das Christentum und die Geschichte von Jesus für bare Münze nehmen zu sollen. Am Ende jedoch – sonst wäre kein Film daraus geworden – die intellektuelle Kapitulation und der Sprung in den Glauben.
„Auch wir glauben und darum reden wir“ – der Mut der Krankenschwester beeindruckt mich, der Mut, den eigenen Glauben so ins Gespräch zu bringen, so dass er verändert: das Leben einer anderen Familie. Obwohl: Mut? Braucht es Mut, den Glauben ins Gespräch zu bringen? Ja! Bei uns auf alle Fälle. Es wird auch in kirchlichen Kreisen als peinlich angesehen. Es ist peinlich wenn ich jetzt sage:
- Kürzlich kam ich in Eltville in der Frühe vor der Messe in die Kirche und ein verzweifelter junger Mann saß da. Er bat mich um ein Gebet, ja mehr noch: um einen Segen, denn er spüre, dass böse Geister um ihn seien. Ich wünschte mir in diesem Moment eine Person aus der Gemeinde herbei, die Erfahrungen im Heilungsdienst hat – in diesem Augenblick kam sie um die Ecke: „Ich wollte heute Morgen gar nicht kommen, aber irgendwie drängte es mich dazu!“ Sie sah mein Erstaunen und ich erzählte von meinem Stoßgebet. Sehr dankbar beteten wir gemeinsam, der junge Mann blieb noch zur Messe, sichtlich ruhiger, gefasster. Was danach geschehen ist, weiß ich nicht. Ich wusste nur: Das war jetzt genau das Richtige. Seine Geschichte mit dem Herrn wird schon irgendwie weitergehen!
Die Krankenschwester im Film und das eben Erzählte: Sie sind kein Einzelfall! Im Gegenteil. Wir glauben doch daran, dass Gott wirkt und Wirken will – immer auch durch uns! Wir glauben – und darum dürfen, ja müssen wir auch darüber reden. Das kann so entscheidend sein. Es kann uns Gläubigen helfen, die Augen für Gottes Gegenwart zu öffnen, die viel wirklicher ist, als wir das vermuten.
Wir sind in unserem Land nicht einfach in einer Kirchenkrise – wir erleben die Krise, die die Konsequenz einer Versandung des Glaubens ist. Keine böse Absicht. Es geht auch nicht um mangelndes soziales Engagement. Es geht darum, wen wir in die Mitte stellen und wem wir uns anvertrauen – so sehr, dass „der Dank vervielfacht“ wird, wie es Paulus ausdrückt, „zur Verherrlichung Gottes“.
Es mag sein, dass dies dem einen oder der anderen zu einfach, zu simpel erscheint. Gut. Ich gehe damit auch nicht in die Diskussion. Denn es geht um Erfahrungen. Erfahrungen, die so wirklich und greifbar sind, wie es Erfahrungen nun mal sind. Und sie zeigen mir eine Welt in unserer Welt, die stauen lassen kann, was alles geschieht und geschehen kann, wenn unser Herz voller Vertrauen nachvollzieht, was wir jeden Sonntag mit dem Mund bekennen: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen …“.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der unser Leben begleitet und den wir bitten dürfen, rufen wir an:
- Stärke Deine Kirche und jeden Getauften, dass wir Deine Botschaft der Freiheit den Menschen von heute mutig und glaubwürdig verkünden und vorleben, so dass sie Dir vertrauen können.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten für die, deren Leben von Angst gezeichnet ist; für die, die sich nicht trauen, sich und ihre Begabungen zu entfalten; für die, die im Gefängnis der Depression gefangen sind.
- Wir bitten Dich für die Frauen und Männer, die in der Europäischen Union politisch und gesellschaftlich Verantwortung tragen werden: Lass ihr Reden und Handeln dem Gemeinwohl dienen und die Demokatie in unseren Ländern stärken.
- Wir bitten Dich für unsere Kranken und die, die sie pflegen: Hilf ihnen, ihre Zukunft voll Vertrauen in Deine Hände zu legen.
- Führe unsere Verstorbenen in die Heimat bei Dir, die wir auch für uns selbst einmal erhoffen.
Dir, dem Vater sei Dank, der mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebst und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.