Lebenswasser - oder: Wovon geben wir Zeugnis?
Liebe Schwestern und Brüder,
wie und was soll ich in diesen Tagen angesichts einer weltweiten Besorgnis und gefühlten Bedrohungslage sagen? Das Evangelium spricht vom „Wasser des Lebens“ und es meint Christus. Es sagt, dass ER sich selbst so verstanden hat, dass ER als Person derjenige ist, der unsere tiefsten Bedürfnisse – im Bild eben Durst und Wasser – löschen kann. Es ist das eine, theoretische Überlegungen darüber anzustellen, worin unsere Bedürfnisse bestehen. Das andere ist, einfach die Realität anzuschauen: sie sagt uns sehr deutlich, welche Bedürfnisse als fundamental angesehen werden, die nun auch mit Macht durchbrechen.
Da nehme ich wahr: Sicherheit und körperliche Unversehrtheit; Sorge um das eigene möglichst schmerzfreie Überstehen einer Situation, die - für uns ungewohnt – nicht planbar und vorhersehbar ist. Dafür nehmen viele Menschen Einschränkungen in Kauf, die bisher für das Wohlbefinden und das soziale Überleben als undenkbar angesehen wurden. Vor allem macht sich eines breit: Angst. In ihrer infantilen Version taucht sie als Panik auf, gegen die argumentativ schlecht anzugehen ist.
- Was sagt hier das Evangelium? Ist da überhaupt etwas Brauchbares zu finden, etwas, das uns Orientierung, Trost, ja auch Halt geben kann?
Das Evangelium sagt uns etwas – aber es geht an der Bedürfnislage vieler Menschen vorbei. Und genau das ist für mich gerade jetzt und hier möglicherweise die Frohe Botschaft im Sinne des Korrektivs, das Religion immer sein will, ja sein muss, wenn sie „Re-ligio“ (wieder-Festmachen) sein will und nicht das nach außen verlagerte Selbstgespräch des Menschen!
Die Mühsal des Lebens, die tägliche Plackerei – im Evangelium kommt es im Gespräch Jesu mit der Samariterin zum Ausdruck. Gäbe es da eine Hilfe, eine Vereinfachung. Jesus geht auf die Sorgen der Frau ein und führt sie tiefer, dorthin, wo ihr wirkliches Problem oder besser: ihre existentielle Not ist. Sie sucht nach Liebe und findet sie nicht! Sie sucht nach Geborgenheit und Schutz – vergeblich.
„Ich bin es, ich, der mit dir spricht“, sagt ihr Jesus. In allem Bedürfnis nach Wasser und Brot und Gesundheit gibt es etwas, das – Religion! – tiefer reicht und letztlich Grund-Bedürfnis ist: Dass Wissen um mein Getragen-Sein von „woanders her“, der Sinnhaftigkeit meines Lebens, meiner restlosen, radikalen Annahme. Dieses Geschenk „von oben“ fließt wie Wasser hinab, in mein Menschsein, meine Alltäglichkeit, meine Sorgen und Nöte, es umspült alle Hindernisse. Das ist Liebe, die eben auch wie „von oben“ fließt und bis in die feinsten Verästelungen meines Alltags reicht. Verliebte wissen, was ich meine…
- Dieses Wasser „von oben“: ich habe den Eindruck, dass davon zurzeit sehr wenig davon „unten“ ankommt. Es ist Aufgabe der politischen Entscheidungsträger, Regelungen für uns alle zu treffen – unabhängig davon, was ich als Einzelner davon halten mag, ob sie objektiv oder subjektiv überzogen, angemessen, unzureichend oder unverhältnismäßig erscheinen. Ein Grundvertrauen in deren gute Absichten ist dabei unverzichtbar.
Etwas anderes ist aber das Zeugnis, das Christen in dieser Zeit geben, welches Vertrauen und welche Zuversicht uns auszeichnen – und diese klammern sich nicht an diese Welt, sondern an Christus. Gerade dieses Vertrauen – oder auch: das gläubige Wissen! – lädt uns dazu ein, gerade denen Mitmenschlichkeit, Rücksicht, Nähe, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken, die in dieser Situation wieder an den Rand gedrängt werden, weil sie zu den Armen und Schutzlosen zählen. Für die Bibel ist „Tod“ vor allem sozialer Tod: Kommunikationsabbruch mit Gott und dem Mitmenschen. Seien wir erfindungsreich, wie wir dem sozialen Tod ein Schnippchen schlagen – hier können die vielen Kommunikationsmittel ein Segen sein!
Für mich ist die Kraft, die ich aus dem Gebet ziehe, etwas fundamental Wichtiges. Auch aus dem gemeinsamen Gebet. Ich brauche diese tägliche Tiefenbohrung – oder den Kanal nach „oben“ – und werde niemanden abweisen, der dies gemeinsam mit mir tun will. „Wo zwei oder drei“ – das Versprechen Jesu. Zu Hause zu beten, miteinander. Kraftquelle sein gerade auch für andere, in einer Zeit, in der der Durst nach Leben so groß ist.
Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der sich uns als das Wasser des Lebens schenken möchte, das unseren Lebensdurst stillt, bitten wir:
- Für alle Christen, gerade auch dort, wo die Angst vor Krankheit zu Unsicherheit und Verwirrung führt: Lass uns ein Glaubenszeugnis geben, das deutlich macht, dass wir in allem in Deiner Hand geborgen sind
Christus, höre uns - Christus, erhöre uns.
- Wir vertrauen Dir diejenigen an, die sich in Medizin und Pflege denen widmen, die auf ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Stärke sie in ihrem Dienst und mehre unsere Dankbarkeit.
- Für alle Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: hilf ihnen in dieser weltweiten Krise Entscheidungen zu treffen, die dem Wohle aller dienen.
- Lass uns auch in diesen Wochen diejenigen nicht vergessen, die unter Hunger und Durst leiden, denen es am Nötigsten fehlt, die flüchten müssen und nach Schutz suchen.
- Für unsere Verstorbenen: lass sie bei Dir an der Quelle des ewigen Lebens sein.
Denn Du bist der, der kam, um den Willen des Vaters zu tun, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.