In der Pfarrei: Dezentrale Feier der Marienthaler Prozession
Liebe Schwestern und Brüder,
es wäre ja schön, wenn unser Problem nur mangelnder Wein wäre! Natürlich weiß ich um die Bedeutung der „Hochzeit zu Kana“, dieses ersten Zeichens Jesu, innerhalb der Komposition des Johannesevangeliums. Aber heute, im Kontext unserer dezentralen Wallfahrt nach Marienthal und der Verbindung mit dem vom Papst ausgerufenen „Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung“ können wir es ja auch einmal anders hören:
- Mittlerweile fällt es ja auch bei uns jedem ins Auge, wie die Schöpfung leidet und nicht nur das Wasser fehlt! Wie verletzlich sie ist. Dass das, was für uns „normal“ war, ins Wanken gerät. Papst Franziskus spricht in seiner Botschaft zum Weltgebetstag davon, dass es auch um die „Wiederherstellung der ursprünglichen Harmonie der Schöpfung und der Heilung zerrütteter menschlicher Beziehungen“ geht. Die Zerstörung der Schöpfung als Ausdruck gestörter menschlicher Beziehungen: jeder und jede ist davon betroffen. Die Pandemie zeigt uns, dass es nicht immer nur die Armen sind, die leiden. Wir sind hier nicht in einem Parlament oder auf einem Kongress, sondern als Christen zum Gottesdienst versammelt. Was lässt sich da sagen?
Die Gestalt der Maria wird ja immer auch als Bild der Kirche verstanden, die Gefährtin Christi, die aufmerksame Beterin, die die Nöte der Menschen wahrnimmt und sie dem Herrn anvertraut: Sie haben keinen Wein mehr! Wir Christen sind nicht nur Mit-Leidende und Mit-Verursacher dieser globalen Krise – wir sind auch die, die wachsam-aufmerksam sind, wie es uns Papst Franziskus vormacht. Aufmerksam, mitfühlend, ja vielleicht auch klagend-fordernd ins Wort bringen, woran Menschen leiden. Wie Maria in Kana: Der Wein der Lebensfreude, der Unbeschwertheit geht zu Neige!
- Was dann bemerkenswert ist: Auf die Bitte Mariens hin lässt Jesus leere Krüge mit Wasser füllen. Noch nicht einmal das stand bereit, es musste erst gebracht werden: das Wasser, das dann zu Wein werden kann.
Für mich ist dieses Wasser Ausdruck des Mangels, ein Mangel, der durch Jesus dann in Fülle verwandelt wird. Es ist auch so etwas wie „Tränenwasser“: Vielleicht besteht unsere Aufgabe als Christen erst einmal darin, dabei behilflich zu sein, die Tränen der Verzweiflung, des Verlustes, der Rat- und Hilflosigkeit zu sammeln. Wir sahen, wie unterschiedlich die Reaktionen auf die Appelle von Greta Thunberg und die von ihr ausgelöste Bewegung waren und sind. Wenn es nicht gelingt, die „Krüge“ zu füllen, wird kein „Wunder“ geschehen können. Dass wir Christen dabei behilflich sind, ohne moralischen oder besserwisserischen Unterton das Scheitern, die Klage und das Unvermögen zu sammeln. Solange wir als große Menschheitsfamilie nicht gemeinsam die Not sehen, wie kann sich da grundlegend etwas ändern? Christen als diejenigen, die die Not sehen und benennen – einfach auch dadurch, dass es immer wieder auch Christen sind, die in vielen Teilen der Welt an der Seite der Armen zu finden sind, gerade auch dort, wo die Reichen und Mächtigen sich gerne zurückziehen. Maria wird gerne als demütig, milde und zurückhaltend beschrieben: was aber nicht erklärt, warum Jesus sie im Evangelium so schroff zurückweist! Sie muss da schon sehr fordernd aufgetreten sein!
Wir dürfen uns in der Spur Mariens trauen, deutlich aufzutreten. Die Gottesmutter von Marienthal hat ihren toten Sohn im Schoß – die Schöpfung hat mit Gott zu tun, sie leidet und droht, verödeten Lebensraum zu hinterlassen. Das dürfen wir, das müssen wir ins Wort bringen, deutlich! Der Papst ruft uns dazu auf, er bittet uns. Es ist Zeit!
- Was dann geschehen wird, wissen wir nicht. Aber als Christ vertraue ich grundsätzlich der Vorsehung Gottes, dem es um Heil geht. Das Heil wirkt Er mit uns. Er hat die Macht, das Wasser in den Krügen, das „Tränenwasser“ in etwas Wunderbares zu verwandeln, etwas Neues. Die Welt braucht den Dienst von uns, den Christen. Der Zukunft begegnen wir zuversichtlich, weil wir tief im Vertrauen verwurzelt sind. Darum sollten wir jetzt auch deutlicher klagen, die Stimme erheben, damit wir alle den Ursachen unserer zerrütteten Beziehungen auf den Grund gehen können.
Amen.