Christus sichtbar machen


- Christus sichtbar machen
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore zu Fronleichnam 2021 unter Pandemiebedingungen zum Download
Die Texte zu Fronleichnam wie der Lesungen (Ex 24, 3–8 und Hebr 9, 11–15) und des Evangeliums (Mk 14, 12–26) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
eine Pilgerreise nach Rom kann so manches in Bewegung bringen: Der Ort an sich ist von Geschichte überladen; die Zeugnisse des Glaubens an beinahe jeder Ecke zu bestaunen; die Tradition so lebendig wie sonst selten. Das kann aber auch dazu führen, dass genau dieser Glaube in Frage gestellt wird: Glaube ich das alles?
So erging es wohl einem böhmischen Mönch, der ausgerechnet Peter hieß, als er 1263 auf dem Pilgerweg nach Rom war. Während einer Station in Bolsena in Umbrien feierte er wie gewohnt die Heilige Messe und es passierte etwas: Aus der Hostie, mit der er die Messe feierte, tropfte Blut! Ihm war klar, was das bedeutete – und er erschrak gewaltig. Denn: Schon länger plagte ihn ein Zweifel, ob die erst wenige Jahrzehnte alte Lehre der „Transsubstantiation“, dass sich also Wein und Brot tatsächlich in die Substanz von Blut und Fleisch Jesu wandelten, wirklich stimmt. Jetzt war kein Zweifel mehr möglich. Aber noch etwas anders muss ihn erschreckt haben: Gott kennt ihn, ihn und seine Zweifel – seine Unwürdigkeit! Es wird berichtet, dass er daher das Altartuch – das Korporale – versteckte und vergrub. Wie auch immer die Geschichte nun genau weiterging: der Papst erfuhr davon und in der Folge wurde nicht nur ein prächtiger Dom für dieses Korporale in Orvieto gebaut, wo der Papst eine Sommerresidenz hatte, sondern das Fronleichnamsfest in der ganzen Kirche eingeführt. Prächtig sollen diese Gottesdienste sein, mit einer Prozession, die allen zeigt: schaut her! Christus mitten unter uns!
- In diesem Jahr fallen die Prozessionen pandemiebedingt schon wieder aus. Wir könnten aber auch sagen: In diesem Jahr sind wir wieder gezwungen, auf das Wesentliche zu reduzieren! Was genau ist das Wesentliche bei Fronleichnam?
Für Papst Urban IV., der dieses Fest einführte, war es ganz klar die Gegenwart Jesu unter uns! Darum herum wurde und wird eine ganze Fülle von Bräuchen entwickelt – Blumenteppiche, Musik, Folklore-Gruppen, Feste – aber das Zentrum muss klar sein. ER ist da, mitten unter uns – und wir zeigen es, wir bekennen es, wir geben Zeugnis. Fällt das aus, weil wir keinen Umzug veranstalten können?
- In dieser Pandemie kommen wir wirklich in Vielem an den Kern der Dinge: Der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar meinte, dass wir als Brüder und Schwestern Jesu auch etwas in uns haben müssten, dass den Himmlischen Vater Seinen eigenen Sohn in uns entdecken, erkennen lässt. Auf den Punkt gebracht: Jeder und jede von uns ist – wenn wir den Namen „Christ“ tragen – eine Monstranz! Ein „Schaugefäß“ also, indem andere mehr sehen und erkennen, als das, was offensichtlich ist! Nein, Fronleichnam fällt nicht aus – im Gegenteil: die eine Monstranz wird vervielfacht! Wir sind’s – oder wir sind’s nicht. Wie der böhmische Mönch Peter zweifeln auch heute viele Menschen an der Gegenwart Gottes, vor allem daran, dass ER sie, jeden von uns, persönlich kennt, um mich, um uns weiß. Das wäre ein Dienst der Christen: Dass sie Gott erkennen mögen – durch uns, durch mich!
Etwas anderes ist aber genauso auch zu sehen: Mutter Teresa von Kalkutta lebte wie ihr ganzer Orden auch von der täglichen Anbetung des Altarsakramentes und der Kreuzesbetrachtung. Dies befähigte sie zu etwas ganz Entscheidendem: Zu der Erkenntnis, dass sie im Mitmenschen, gerade in den Armen und Sterbenden, diesen gleichen Jesus erkannte, berührte.
Vielleicht sind wir jetzt wieder in einer Kirchenzeit angelangt, in der wir den Christus „draußen“ verehren, gerade in denen, die auch bei uns unter die Räder geraten sind, die an den Rändern leben. Als Mutter Teresa einmal von einem Reporter begleitet wurde, der sah, wie sie die Sterbenden auf der Straße auflas und ihre Wunden versorgte, welche Sorgfalt und Zuwendung dabei sichtbar wurden, meinte dieser zu ihr: „Mutter Teresa, das könnte ich nicht für eine Millionen Dollar tun!“ Sie antwortete schlicht und kurz: „Ich auch nicht!“
Christus zu berühren, Seine Gegenwart zu erkennen, ist das größte Glück, das uns Menschen geschenkt werden kann. Dabei sind zwei Wege denkbar: Von der Anbetung zur Erkenntnis, dass Christus sich auch im Mitmenschen verbirgt. Und von der Begegnung mit den Menschen hin zu dem, der mich in unseren Kirchen zur Begegnung einlädt – und mich so nach und nach selbst zu einem Tempel Seiner Gegenwart macht – zu einer Monstranz.
Fronleichnam – machen wir Christus sichtbar!
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der unser Leben trägt und hält und unter uns gegenwärtig ist, bitten wir:
- Du bist das lebendige Brot: Lass uns als Deine Gemeinde davon Zeugnis geben, dass die Freundschaft mit Dir von der Angst und zu wahrem Leben befreit.
(Gesungener Ruf) - Du hast Dein Blut für uns vergossen: Schenk uns den Mut, Deinen Weg zu den Menschen mitzugehen und für sie eine Monstranz Deiner Gegenwart zu sein.
- Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Sicherheit und Schutz, sie brauchen Vorbilder und sie brauchen Menschen, die ihnen von Deiner Liebe erzählen. Wir bitten Dich: Lass sie auch durch unser Reden und Tun Deine Nähe erfahren und so das Vertrauen in Dich lernen.
- Menschen sind in dieser Zeit der Pandemie tief verunsichert und haben Angst. Andere bangen um ihre wirtschaftliche und berufliche Zukunft. Hilf uns, ihnen beizustehen und ihnen Solidarität zu schenken.
- Du schenkst das ewige Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, dass Du sie aufnimmst in Deine Gemeinschaft.
Denn mit Dir sind wir auf dem Weg zum Vater, der mir Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
