"Bist du es?"
Liebe Schwestern und Brüder,
können Sie sich erinnern: Das Evangelium des letzten Sonntags berichtete von Johannes dem Täufer. Er trat in der Wüste auf und forderte die Menschen auf, dem Herrn die Wege zu bereiten. Dabei sagte er: „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen“ (Mt 3,10). Das wird der Messias tun. Endlich wird aufgeräumt, Ordnung geschaffen, Unrecht beseitigt. Wer würde sich das nicht wünschen? Wer so etwas verspricht, hat Zulauf. Manchmal reicht es schon, dass der Anschein erweckt wird, es könnte so sein. Was wieder international in der Politik geschieht, welche Heilsverheißungen da verkündet werden. Und: Dass religiöse Vorstellungen auch mit Gewalt einhergehen können, wissen wir aus unserer Geschichte und beobachten es irritiert in Teilen des Islam heute.
- Heute berichtet das Evangelium, dass Johannes im Gefängnis sitzt. Von all dem, was er erwartet oder angekündigt hat, ist nichts in Erfüllung gegangen. Er hat sein Leben eingesetzt. Wofür? Er will es jetzt wissen: „Bist du der, der kommen soll?“ Bei allem, was er bisher sehen konnte, war nichts, was ihn wirklich überzeugt hat.
Damit steht er nicht alleine. Wir haben oft den Eindruck, dass die Welt immer verrückter, immer brutaler, immer rücksichtsloser wird. Religion steht im Verdacht, Konflikte eher zu schüren, als sie zu lösen. In unseren Breiten engagieren sich jetzt immer mehr Christen für eine zeitgemäße Form des Kirche-Seins und hoffen, dass sich etwas ändert – während andere schon wieder deutlich machen, dass dies doch nur Beschäftigungstherapie sei! Bist du der, der kommen soll?
- Diese Frage kennen viele auch ganz persönlich. Menschen fühlen sich von Gott verlassen oder zumindest nicht getragen. Da wird versucht, in Ehe und Familie dem Glauben einen festen Platz einzuräumen und doch schenkt er kein Schutzschild gegenüber den vielen Gefährdungen, denen wir in unserer Welt ausgesetzt sind. Wir wollen dem Herrn den Weg bereiten – aber kommt Er denn auf diesem Weg? Kommt Er überhaupt?
Nehmen nicht auch Mächte und Gewalten um uns überhand und wir erkennen, dass wir ihnen gegenüber machtlos sind?
Die Frage des Johannes ist auch heute aktuell. Fromme Vertröstungen helfen da nicht weiter. Ebenso wenig ein „Wir-zeigen-es-Denen!“ – fundamentalistisches Verhalten greift auch unter uns mehr und mehr um sich und gerade junge Menschen sind dem gegenüber empfänglich. Klar: es gaukelt Sicherheit vor!
- Aber was antwortet Jesus denn: Er lässt Johannes nicht im Regen stehen. Die Antwort, die Er gibt, verweist auf Ihn selbst und auf Sein Leben. Jesus beschreibt die Effekte Seiner Anwesenheit: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Genau so beschreibt der Prophet Jesaja die Auswirklungen des Friedensreiches!
Das alles ist noch keine heile Welt – es sind aber Zeichen von Heil! Diese Zeichen sind da zu entdecken, zu erleben, wo Christus ist. Keine Systeme werden umgestürzt oder kuriert, sondern Menschen, der einzelne Mensch erfährt Heil und Heilung. Der Mensch, dem Christus begegnet.
Advent – Ankunft. Gott kommt beim Menschen an. „Bist du es“, fragt mich Jesus, „bist du es, durch den ich ankommen kann beim Menschen?“ In allererster Linie sind wir Christen es, die Christus in die Welt tragen und dabei immer mit dem konkreten Menschen zu tun haben. Mit dem, dem wir jetzt begegnen.
Reicht uns das als Antwort? Johannes wird am Ende nicht aus dem Gefängnis befreit, der Henker wird sein Leben beenden. „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ – das galt für Johannes und das gilt für uns heute: Es auszuhalten, dass Christus anders ist und anders handelt, als ich mir das wünsche und mir das vorstelle. Ihn dabei als den zu betrachten, der weiß, was Er will. Denn ER ist der Messias. Er kommt an. Advent. Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der gekommen ist und dessen Reich wächst, bitten wir:
- Blinde sehen wieder – wir bitten Dich für Deine Kirche, dass sie den Menschen Deine Botschaft glaubwürdig und barmherzig verkündet.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Lahme gehen – wir bitten dich für diejenigen, die auf ihrem Lebensweg ins Stolpern geraten sind und nicht mehr wissen, wie es weiter geht.
- Aussätzige werden rein – wir bitten Dich für alle Ausgestoßenen unserer Gesellschaft: die leiblich und seelisch Erkrankten, die Gestrauchelten, die schuldig Gewordenen.
- Taube hören – wir bitten Dich für diejenigen, die im Trubel unserer Welt ihre tiefe Sehnsucht nach Dir nicht mehr vernehmen können.
- Den Armen wird das Evangelium verkündet – wir bitten Dich um die Bereitschaft, gerade denen, die in nah oder fern in eine Notlage geraten sind, mit unseren Möglichkeiten zu helfen.
- Tote stehen auf - wir bitten Dich für unsere Toten, dass an ihnen Deine Verheißung in Erfüllung geht.
Dir möchten wir den Weg bereiten, der Du vom Vater kommst, mit dem Du in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.