Jesus der Hirte – oder: Um wen geht es eigentlich?
- Jesus der Hirte – oder: Um wen geht es eigentlich?
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 4. Sonntag der Osterzeit und dem Beginn der 2. Staffel von Pit & Paula zum Download.
Die Texte des 4. Sonntags der Osterzeit des Lesejahres C der Lesungen (Apg 13, 14.43b–52 und Offb 7, 9.14b–17) und das Evangelium (Joh 10, 27–30) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
geht es hier wirklich um mich? Werde ich mit meinen Bedürfnissen, Anliegen, Fähigkeiten und Begabungen gesehen? Mit meiner Geschichte und meinen Wunden? Ist der Eindruck falsch, dass sich immer mehr Menschen verloren fühlen, haltlos? Dass unsere Gesellschaft immer mehr fragmentiert – bis in unsere Kirche hinein? „Meine“ Gruppe gibt mir Halt und die „anderen“ sind im besten Falle interessant. Gibt es das noch: Das Bewusstsein von der Kirche, die gemeinsam unterwegs ist, der Gemeinde, die Geborgenheit vermittelt?
- Als „Guter Hirte“ versteht sich Jesus. Als einer, dem es um die Herde geht, um die Menschen. Das ist keine Romantik: Dieser Hirte verteidigt Seine Herde, nicht nur mit „Stecken und Stab“ (vgl. Ps. 23), sondern mit Seinem ganzen Leben. Es kostet Ihn den Einsatz Seines Lebens. Dieser Hirt sorgt sich nicht nur um die Herde als Ganze, sondern geht dem verlorenen Schaf nach. Er sucht es, bis er es findet und – wenn es verletzt ist – auf Seinen Schultern nach Hause trägt. Was für ein Bild! Was für ein Kunststück vollbringt Er: Diesem Hirt geht es sowohl um die Herde, um die Gemeinschaft als Ganzer, und ebenso um den Einzelnen, dessen Ringen und Sorge. Fast zu schön, um wahr zu sein!
- Jesus möchte, dass es wahr wird. Konkret. Erfahrbar. Als Auferstandener beauftragt Er den schuldig gewordenen Petrus, die Schafe zu weiden. Wobei immer klar sein muss, wer der Auftraggeber ist und um wen es geht.
Klar, dass Menschen enttäuscht sind, gerade hier bei uns. Momentan treten sie wieder in Scharen aus. Sie suchen woanders nach Halt – zumindest finden sie ihn in der Kirche nicht mehr. „Meine Schafe hören auf meine Stimme“, sagt Jesus im Evangelium. Seine Stimme. Offensichtlich dringt sie nicht mehr durch. Was kann man da machen? Wir suchen nach Gründen, nach Schuld und schuldig Gewordenen. Wird’s das bringen, die Wende? Nicht nur ich bin da sehr skeptisch …
- „Ich kenne sie“, sagt Jesus, und Er meint die Schafe der Herde. Das Wort, das der Evangelist Johannes hier für „kennen“ benutzt, meint, dass Jesus mich deswegen kennt, weil Er Umgang mit mir hat. Ich bin Ihm bekannt, Er versteht mich.
Wenn ich dann den Auftrag Jesu an Petrus ernst nehme: Kirche als der Ort, an dem Menschen die Augen dafür geöffnet wird, wer ihnen da nahe kommen will. Braucht es da nicht den Einsatz aller, die sich in der Kirche noch beheimatet fühlen? Braucht es da nicht ein Umdenken, da wir das „Werben“ für diesen Jesus auf ein paar wenige delegiert haben? Noch vor wenigen Jahren sagte Papst Franziskus zu den Priestern, sie sollen Hirten mit dem „Geruch der Schafe“ sein. Tolles Bild. Aber wenn ich auf meine Wirklichkeit schaue: Selbst beim besten Willen ist mir nur eine begrenzte Kontaktaufnahme möglich! Und begrenzt ist auch meine Fähigkeit, jeden Geruch auszuhalten. Und umgekehrt: Begrenzt ist die Zahl derjenigen, die meinen Geruch annehmen wollen, denen ich nicht „stinke“!
Ich bin trotz und in aller tatsächlichen oder angeblichen Kirchenkrise zuversichtlich, dass Christen langsam wieder am Bodensatz der Erfahrung ankommen, von denen uns das Evangelium und die neutestamentlichen Briefe erzählen: Die Erfahrung, dass die Begegnung mit Jesus, dem Guten Hirten, das Leben nicht nur verändert, sondern trägt, heilt, bereichert, glücklich und sinnvoll macht. Und das wird Menschen zum Erzählen bringen – weil man etwas so Großartiges gar nicht für sich behalten kann. Sie erzählen vom dem Hirten und Menschen finden das „dufte“!
Das wird Folgen haben und das Gesicht unserer Kirche verändern: Wenn plötzlich viel mehr „Gerüche“ wahrnehmbar sein werden: Der Geruch des Konservativen und der des Progressiven; des Armen und des Reichen; des Glücklichen und des Trauernden; des Alten und des Jungen; des Schwulen und des Transgenders. Der Geruch des überzeugten Katholiken und der des skeptischen Grenzgängers… Der Herr wird sich all dieser „Gerüche“, dieser Begabungen bedienen, die auf ihre Weise bezeugen, dass es bei Ihm wirklich um jeden und jede geht.
Das wird keineswegs zu einer harmonischen Gemeinschaft führen – davon erzählt die Apostelgeschichte schon sehr ausführlich – also nicht zu einer Kirche, die sich toll findet. Sondern IHN, den Guten Hirten!
Amen.
Unser Herr Jesus Christus, der Gute Hirte, gibt, was wir brauchen. Ihn bitten wir:
- Wir bitten Dich für Deine Kirche und alle Getauften, dass wir den Menschen von heute ein glaubwürdiges Zeugnis davon vorleben, dass ein Leben in Deiner Freundschaft Glück und Erfüllung schenkt.
(Christus, höre uns – Christus – erhöre uns) - Am heutigen Weltgebetstag für Geistliche Berufe bitten wir dich: Hilf den jungen Menschen, ihre Berufung zu entdecken und lass sie in uns aufmerksame und ermutigende Wegbegleiter finden.
- Am heutigen Muttertag bitten wir Dich für alle Mütter: Segne ihr Tun, lass sie immer wieder Dankbarkeit spüren und sei besonders den Müttern nahe, die sich um ihre Kinder sorgen.
- Wir hören nicht auf zu hoffen und um den Frieden in der Ukraine zu bitten: Dafür, dass alle Verantwortlichen ihre Kräfte und Möglichkeiten für einen Waffenstillstand einsetzen und dafür, dass auch wir das Leid der vielen Flüchtlinge lindern können.
- Und wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, für Eltern, Priester und engagierte Gläubige, die uns den Glauben vorgelebt und uns Mut gemacht haben, Dir immer mehr zu vertrauen: Nimm Sie bei Dir auf.
Herr Jesus, du bist der Gute Hirt. Du sorgst Dich um uns und rufst Menschen in deine Nachfolge. Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit.
Amen.
Fürbitten Pit & Paula
Jesus ist der Gute Hirte, der jeden von uns kennt. Wir bitten Ihn:
- Wir bitten Dich für unsere Kinder: Dass wir ihnen Dich und Deine Liebe so vermitteln und bezeugen können, dass sie Deine Freundschaft annehmen wollen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich für unsere Jugendlichen, die sich auf die Suche nach ihrem Weg und ihrer Bestimmung machen: Schenke ihnen aufmerksame Wegbegleiter und Ermutigter, so dass sie die Möglichkeiten ausschöpfen können, die Du in sie gelegt hast.
- Wir bitten Dich für unsere Gemeinde, für die ganze Kirche: Lass uns daran mitwirken, dass Menschen hier bei uns spüren, dass Du ein Gott bist, der sie so liebt, wie sie sind, und ihrem Leben Sinn und Orientierung gibt.
- Wir hören nicht auf zu hoffen und um den Frieden in der Ukraine zu bitten: Dafür, dass alle Verantwortlichen ihre Kräfte und Möglichkeiten für einen Waffenstillstand einsetzen und dafür, dass auch wir das Leid der vielen Flüchtlinge lindern können.
- Lass die, die durch das Tor des Lebens gegangen sind, Deine bleibende Gegenwart erfahren.
Denn Du bist der, der das Leben liebt. Dir sei Dank, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.