"Die Begegnung am See - oder: Ostern leben"
Liebe Schwestern und Brüder,
Ostern leben – das wäre wohl der dritte Schritt nach „Ostern feiern“ und „Ostern erleben“. Ostern leben bedeutet: In allem, was ich denke und tue eine innere Richtung zu erkennen, einen Kompass, nach dem ich ausgerichtet bin. Da gibt es immer wieder Situationen, in denen ich unsicher bin. Dann frage ich, was zu tun ist. Was hilft mir? Strategien, Erfahrungen und eben auch meine grundsätzliche Überzeugung – das meint: Ostern leben.
Das ist oft nicht spektakulär – eher das stetige, ruhige Dahinfließen eines Stromes, meines Lebens also. In welche Richtung er grundsätzlich fließt, sollte ich bestimmt haben. Als Christ heißt das Ostern leben.
- Im Evangelium hören wir, wie 7 Jünger nach Ostern im Alltag ankommen. In ihrem Alltag in Galiläa, in dem sie, bevor sie Jesus kennenlernten, Fischer waren. Drei von ihnen werden namentlich genannt: Petrus, Thomas und Nathanael; dann noch die beiden Söhne des Zebedäus. Alles keine Musterknaben. Dann noch zwei völlig Namenlose – da kann ich mich selbst hineinsetzen: Auch kein Musterknabe!
Im Johannesevangelium ist dieses 21. Kapitel ein Zusatz, der angefügt wurde, um möglicherweise genau diesem gefühlten Mangel abzuhelfen: Wie kann ich Ostern im Alltag leben? Mache ich alles so, wie bisher? Mache ich es anders? Wie?
Die Jünger erleben eine Niederlage, eine Erfolglosigkeit. Damit stehen sie nicht alleine. Damit reihen sie sich ein in die Menge derer, die das auch heute in unterschiedlicher Weise erleben. Was bedeutet das für mich als Christ? Ist das im Bereich des Glaubens „egal?
- Ein Fremder ruft den Jüngern etwas zu. Einen Rat, der ihnen unsinnig scheinen muss, sind sie doch gelernte Fischer. Sie tun es trotzdem – mit Erfolg. Es heißt, sie werfen ihre Netze auf der „rechten Seite“ des Bootes aus. Rechts, die rechte Seite – das ist nicht beiläufig erzählt. „Rechts“, mit der rechten Hand, ist die „wichtige“ Seite des Menschen und es kann übertragen gesagt werden, dass mit der Rechten der ganze Mensch gemeint ist. Also: Tut es auf der rechten Seite, tut es „richtig“, „ganz“, mit ganzem Einsatz, nicht nur nebenbei.
Da sich eben Cenacolo-Freunde zum Gebet trafen kann, möchte ich von meiner Zeit dort erzählen: Es gibt in den Häusern dort sehr viele Möglichkeiten zu manueller Tätigkeit. Vieles scheint sehr stupide. Das ist aber nicht einfach eine Beschäftigung. Immer weder bekommt man gesagt: „Tu es richtig, nicht nebenbei!“ Es gibt keine Arbeit „nebenbei“: Unkraut rupfen, backen, kochen, putzen, bauen, schreinern – alles hat einen Sonn für das Ganze. Es braucht deinen Einsatz!
Es braucht mich. Ich bin austauschbar – und doch einzig!
- Als die Jünger an das Ufer zurückkommen, mit vollen Netzen, ist dort ein Feuer und auch Fisch ist schon gegrillt. Da braucht es den von ihnen gefangenen gar nicht. Und doch sagt Jesus: „Bringt von den Fischen, die ihr gefangen habt!“ Jesus gibt – aber immer „mit“: Mit mir, mit dem, was ich dazu gebe, bringe, eingefahren habe. Das ist nicht unwichtig. Auch wenn wir uns das einander im Alltag oft nicht spiegeln – für Gott gilt ein anderer Maßstab. Und das lässt Er mich erfahren. Immer wieder.
Der Fremde am Ufer wird erst für den erkennbar, der Gott liebt. So auch für uns: Die Hilfe, das gute Wort, auch die aufbauende Kritik eines anderen können mir Hinweis sein auf den verborgenen Christus im anderen.
Das ist kein neuer Gedanke: Hier im Rheingau haben wir mit Kloster Eberbach ein steinernes Zeugnis einer solchen Überzeugung. Für die Zisterzienser war der Mitbruder nicht einfach nur ein Gefährte, sondern er konnte der mich begleitende Christus werden. Immer wieder.
- Das ist es, was „Ostern leben“ heißen kann: Mein Leben aufmerksam leben, achtsam – beinahe möchte ich sagen „kontemplativ“: contemplari, beschauen, mein Augenmerk auf etwas richten. Tu es „richtig“ – es ist wichtig für das Reich Gottes. Ich bin dafür wichtig.
Das kann mir und meinem Handeln und damit natürlich auch dem, der neben mir steht, eine ganz neue Würde und Bedeutung geben.
Ostern leben. Amen.
Fürbitten
In unserer Bedürftigkeit rufen wir zu Jesus Christus. Unsere Anliegen sind ihm nicht fremd und unsere Nöte brauchen wir vor ihm nicht zu verbergen:
- Für alle Bedürftigen dieser Welt, lass sie offene Augen, aufmerksame Ohren, zärtliche Hände und weite Herzen finden.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns.)
- Für unsere Kommunionkinder: hilf ihnen, dass sie Dich als ihren Wegbegleiter und Freund niemals aus den Augen verlieren.
- Für alle, die in Nacht und Ausweglosigkeit leben: Lass sie Menschen finden, die ihre Sorgen hören und verstehen und gemeinsam mit ihnen auf einen neuen Morgen hoffen.
- Für die, die im Alltag in vielfältiger Weise ihren Dienst an der Gemeinschaf tun und oft nicht spüren, welchen Wert ihr Tun hat: Lass sie erkennen, dass ihr Einsatz zählt.
- Für unsere Verstorbenen: Zeige Dich ihnen als der, der sie aus den Fluten des Todes rettet.
Treuer Gott, Du liebst die Menschen. Lass deine Liebe in der Welt aufscheinen und erhöre unser Bitten, durch Christus unseren Herrn.