Aschermittwoch 2023: Versöhnung


Die Texte des Aschermittwochs des Lesejahres A, die Lesungen (Joël 2, 12–18 und 2 Kor 5, 20 – 6, 2) und das Evangelium (Mt 6, 1–6.16–18), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20), hieß es eben in der Lesung. Mich versöhnen lassen. Darum geht’s in der Fastenzeit! Und gerade noch einmal jetzt in der Zeit nach Corona!
Schon an Silvester bemängelte ich das Nicht-Einlösen dessen, was der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn zum Beginn der Pandemie sagte: Dass wir uns am Ende viel zu vergeben hätten.
Religion ist nicht abgelöst von unserem „normalen“ Leben zu betrachten – und unser „normales“ Leben war drei Jahre lang einer enormen Herausforderung ausgesetzt: Menschen wurden in ihren Wohnungen eingesperrt; Kranke und Sterbende konnten nicht besucht werden; Kirchen waren geschlossen – und die Kirchenvertreter nahmen das größtenteils einfach so hin; Kinder und Jugendliche wurden isoliert und nicht wenige haben jetzt mit psychischen Schwierigkeiten zu kämpfen; Freiheitsrechte wurden beschnitten…
Kaum ein Bereich des gesellschaftlichen Lebens war davon nicht betroffen. Weltsichten prallten aufeinander – und führten dazu, dass Menschen, teilweise auch Familien, sich nicht mehr verstanden: Eine mehr materialistische Sicht sah und sieht die körperliche Gesundheit als höchstes Gut an. Eine eher spirituelle Sicht sieht den Schwerpunkt mehr auf dem Seelischen und letztlich in der ewigen Bestimmung des Menschen. Bei den einen herrschte Angst vor und sie wollten den Freiheitsdrang der Gesellschaft einschränken; bei den anderen wiederum wurde das Sicherheitsbedürfnis ängstlicher Mitbürger missachtet.
Auch im Religiösen führte das zu einer Verunsicherung: Gibt es bei Gott Schutz oder muss da jeder für sich selber sorgen? Ist Gott ein gütiger Vater oder doch eher ein uninteressiert ferne Thronender? Gibt Kirche mir Schutz und Heimat oder ist sie „geschlossen“, wenn es darauf ankommt?
- Wir tun so, als ob jetzt alles – oder beinahe alles – wieder normal wäre. Aber das stimmt nicht! Es stimmt solange nicht, wie keine Versöhnung geschehen ist. Wenn nicht Vergebung erbeten und zugesprochen wird. Natürlich können wir sagen: Es wusste doch niemand, was in dieser Situation richtig ist! Das stimmt. Dennoch sind aus heutiger Sicht Fehler geschehen, falsche Entscheidungen getroffen worden. Das gilt es zu bekennen.
- Jeder und jede mag sich fragen, wo die Pandemie solche Verwerfungen im persönlichen Leben erzeugt hat. Ich kann manche benennen. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass jetzt alles wieder „normal“ ist. Das ist es nicht. Es bleibt etwas zurück: Es bleibt der Groll, das Unverständnis, die Verletzung. Es bleibt auch die Erkenntnis des eigenen Versagens und die Notwendigkeit, hier andere um Vergebung zu bitten. Wenn das nicht geschieht, dann bleibt auf der Seele etwas „Dunkles“ zurück, etwas Unerlöstes, die sprichwörtliche „Leiche im Keller“.
- Wenn wir in den letzen Wochen in der Bergpredigt gehört haben, dass wir „das Licht der Welt“ sind, dann haben wir auch eine besondere Verpflichtung, dieses Licht Christi klar durch uns hindurchscheinen zu lassen. Es gilt, diese Fastenzeit ernst zu nehmen und es sich nicht zu leicht zu machen. Wir dürfen und sollten auch im Religiösen wieder etwas von uns verlangen. Die alten Fastenregeln – Gebet, Fasten, Almosen – haben ihre Berechtigung und jeder und jede mag schauen, wie hier im persönlichen Leben etwas neu ausgerichtet werden kann.
Als Gemeinde und Kirche haben wir da auch gemeinsam eine Aufgabe. Mit Interessierten und Verantwortlichen möchte ich in diesen Wochen schauen, wo wir dieses Thema der Versöhnung „nach Corona“ zu einem öffentlichen Anliegen machen können, das in unsere Gesellschaft hineinstahlt. Nach all den Skandalen und innerkirchlichen Themen, mit denen wir uns zurzeit fast ausschließlich befassen, wäre das ein spezifisch kirchlicher Beitrag für das gesellschaftliche Miteinander in einer pluralen Gesellschaft.
Nehmen wir uns die Aufforderung des Paulus zu Herzen: Lassen wir uns versöhnen – stellen wir das Thema der Versöhnung in das Zentrum des gemeinsamen Weges auf Ostern zu.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns zur Versöhnung ruft, wollen wir bitten:
- Der Apostel Paulus bittet: „Lasst euch mit Gott versöhnen“. Wir bitten in diesen Wochen um die Bereitschaft, uns mit Dir dort auszusöhnen, wo wir Vertrauen in Dich verloren haben, wo Beziehungen gestört sind und auch wir Schuld auf uns geladen haben.
(Christus, höre uns - Christus erhöre uns.) - Hilf Deiner Kirche in dieser Zeit der Umkehr zu einer neuen Glaubenskraft zu finden, um so der Welt Deine Nähe und Barmherzigkeit glaubhafter als bisher zu bezeugen.
- Begleite unsere Gemeinde in dieser Fastenzeit durch Deine heilende Gegenwart: in unseren Familien und Gruppen, an unseren Arbeits- und Wirkungsstätten.
- Du sagst: „Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut.“ Lass uns in dieser Zeit besonders die nicht vergessen, die bedürftig sind und sich Deiner Sorge entzogen fühlen.
- Mit Sorge schauen wir in die Ukraine, in der seit beinahe einem Jahr Krieg herrscht. Wir sehen das Elend der Menschen in der Türkei und Syrien. Dabei bekennen wir unsere Ohnmacht. Hilf uns und allen Verantwortlichen, Schritte des Friedens und der Solidarität zu gehen.
Gott, unser Vater, wir danken Dir für diese 40 Tage der Gnade und der Versöhnung, die Du uns jedes Jahr schenkst. Begleite und stärke uns. So bitten wir Dich durch unseren Herrn Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
