Zachäus – oder: wie begegne ich dem Suchenden?


- Zachäus – oder: wie begegne ich dem Suchenden?
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 31. Sonntag im Jahreskreis über die Begegnungen zum Download.
Die Texte des 31. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C, die Lesungen (Weish 11, 22 – 12, 2 und 2 Thess 1, 11 – 2, 2) und das Evangelium (Lk 19, 1–10), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist gar nicht so lange her, dass das heutige Evangelium, das vom Zöllner Zachäus spricht, bei Kinderkatechesen äußerst beliebt war: Klein aber oho! Der traut sich was und dann ist Jesus sein Gast. Eine solche und ähnliche Betrachtungsweisen von Evangelientexten, in denen ich gerne und provokant eine Gefahr der „Bambinisierung“ sehe, führen dazu, dass uns die Aktualität und Sprengkraft dieser Texte nicht mehr so recht bewusst wird.
Vor einigen Jahren veröffentliche ein bis dahin bei uns recht unbekannter tschechischer Priester und Theologe namens Tomáš Halík ein Buch mit dem Titel „Geduld mit Gott“, in dem er die Gestalt des Zachäus in besonderer Weise in den Mittelpunkt stellte. Für Halík verkörpert Zachäus die Gestalt des modernen Gottsuchers, des an Religion Distanziert-Interessierten. Sie stellen auch in unserer Gesellschaft eine immer größer werdende Gruppe dar, und in Bezug auf Jesus dürfen wir uns fragen: Wie gehen wir mit ihnen um?
- Jesus selbst hat keine Berührungsängste, das konnten Seine Zeitgenossen und auch wir schon oft sehen. ER überspringt Grenzen, die Begegnungen erschweren. Vor der Zachäuserzählung, von der nur der Evangelist Lukas berichtet, lesen wir bei ihm von der Heilung des Blinden auf der Straße nach Jericho. Dieser Blinde – der Evangelist Markus nennt ihn Bartimäus – wollte nach seiner Heilung Jesus nachfolgen, wurde also ein Jünger. Wie war das bei Zachäus?
Jesus sieht diesen in der Stadt bekannten und sicher verhassten Mann auf einem Baum sitzen. Reich ist er geworden und hat sich bei der römischen Besatzungsmacht einen wichtigen Posten ergattert: oberster Zollpächter. Dahin muss man erst einmal gelangen. Das gelingt nur mit einer gehörigen Portion Rücksichtslosigkeit! Dieser Mann bekommt viel mit und so hört er von Jesus: Von den Wundern, Seinem Umgang mit den Menschen, Seinen verstörend-befreienden Reden. Sicher hat er auch gehöhrt, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten nicht gut auf diesen Jesus zu sprechen waren – zumindest das hat er mit diesem Jesus gemein!
Jesus kommt nun an diesem Baum vorbei. Er sieht Zachäus – Er spricht ihn an – Er lädt sich bei ihm ein.
Es lohnt sich, das einmal in Ruhe zu betrachten, es sich so bildhaft wie möglich vorzustellen. Und es lohnt sich auch, darüber nachzudenken, was nicht erzählt wird: Zachäus wird nicht getadelt. Er bekommt keine Absolution und er folgt Jesus anschließend nicht nach. Und doch ist das keine vergebliche Liebesmüh‘ Jesu. ER ist zufrieden.
Wäre, ist das nicht auch heute skandalös? Einen Menschen, der offensichtlich Unrecht verübt, nicht nur freundlich anzusprechen, sondern sich von ihm auch noch Gastfreundschaft zu erbitten? Zachäus legt kein Schuldbekenntnis ab – aber seine Absichtserklärung, unrechtmäßig Erworbenes vierfach zurückzuerstatten, zeigt, was die Güte Jesu bei ihm auslöste. Das ist es, was Beichte und Absolution im Tiefsten auslösen sollte!
Zachäus legt auch kein Glaubensbekenntnis ab und wir können spekulieren, ob Jesus für ihn der Messias war. Auf jeden Fall aber wird diese Begegnung ihn verändert haben. Sie hat freigelegt, welcher Kern in ihm steckt – so sehr, dass er ein beliebter Star in Kinderkatechesen wurde!
- Wir erleben in der Kirche hier bei uns einen „Niedergang“, zumindest eine dramatische Veränderung. Es geht im Christentum aber nicht um die Kirche, um ihre Gestalt und ihre gesellschaftliche Anerkennung. Es geht um Gott und um Sein Wort. Es geht um Seine Menschenliebe, Seine unaufhörliche Suche nach dem, der sich und sein Leben „verloren“ hat, der nicht wirklich er selbst sein kann.
Dafür braucht es uns Christen nach wie vor. Auch jetzt. Wie sehr wünschte ich mir, wir würden ein Vorbild darin sein, wie man miteinander umgeht, so dass andere darin ein Beispiel erkennen. Wie beschämend ist es zu sehen, wie wir innerkirchlich aufeinander einschlagen …
Dabei geht es vielen Menschen wie dem Zachäus: Sie sind distanziert-interessiert und Christus sendet uns heute zu ihnen: Sie zu sehen – anzusprechen und Gemeinschaft anzubieten, die verändern kann.
Amen.
Unser Herr Jesus Christus ist gekommen, um uns zu heilen und uns zu befreien, uns vom Tod ins Leben zu rufen. Wir bitten Ihn:
- Auch heute sind Menschen wie Zachäus auf der Suche nach dem, was ihrem Leben Sinn und Richtung verleiht. Lass sie auch durch unser Zeugnis Deine Nähe entdecken und so lernen, Dir zu vertrauen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Lass diejenigen, die durch eigenes Versagen, durch Schuld und Schicksalsschläge isoliert und vereinsamt sind, auch durch uns Deine liebende Aufmerksamkeit erfahren.
- In unserer Gemeinde bereiten sich Jugendliche auf das Sakrament der Firmung vor. Öffne die Augen ihres Herzens für Deine Gegenwart und lass sie danach fragen, welchen Weg Du mit ihnen gehen willst.
- Sei besonders den Menschen in der Ukraine und allen Kriegs- und Krisengebieten unserer Welt nahe und lass sie Solidarität erfahren.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass Du ein Freund des Lebens bist.
So kommen wir zu Dir und stellen uns Deinem Blick, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.
