Wir wollen Jesus sehen – oder: Leben aus dem Tod
Liebe Schwestern und Brüder,
zugegeben, ein eigenartiges Evangelium und wir spüren, dass nicht nur die Sprache ein Hindernis darstellen kann, sondern auch Kultur und Mentalität.
Was mich am heutigen Evangelium beschäftigt und nicht mehr loslässt ist die Bitte: „Wir wollen Jesus sehen!“ Es sind Griechen, also Volksfremde und Ausländer, die diese Bitte äußern und sie gehen dafür zu den Jüngern, die durch ihre griechischen Namen so etwas wie eine Brückenfunktion sein können. Diese gehen darauf ein – und Jesus? Jetzt sei Seine Stunde gekommen! Die Stunde desjenigen, der dem Tod ausgeliefert und am dritten Tag auferstehen wird! Die Stunde desjenigen, der die Welt aus den Angeln heben wird. Die Stunde desjenigen, der dem Tod die Macht nimmt und zum Vertrauen gegenüber dem Vater einlädt.
Dafür ist Jesus gekommen. Das war und ist Seine Mission. Darum ging es Ihm immer – so schwer es Seinen Jüngern auch fiel, dies zu verstehen.
„Wir wollen Jesus sehen“ – ich frage mich, ob dieser Wunsch heute überhaupt noch geäußert wird? Woran besteht überhaupt das Interesse, wenn es um Kirche und Glaube geht?
Wenn wir uns in diesen Tagen und Wochen in unserem Land umschauen, dann ist das auf allen Ebenen beschämend: es geht um Macht und Missbrauch; es geht um Liebe und Anerkennung; es geht um Organisation und Finanzen. Aber nirgends geht es um Ihn; nirgends geht es um den Glauben; nirgends geht es darum, dass durch Sein machtvolles Wirken das konkrete Leben des konkreten Menschen verändert, verbessert, geschweige denn geheilt wird.
„Wir wollen Jesus sehen“ – Er macht sich sichtbar in und durch diejenigen, die Ihm die eigenen Hände und Füße, Ohren und Lippen zur Verfügung stellen. Er wird dort erfahrbar, wo das Leben siegt, wo die Resignation überwunden wird und Menschen dem Leben wieder trauen.
- Was ist in unserem Lande los? Ich bin ratlos. Und: Kirche, wie sie sich hier präsentiert, hat nichts mit dem zu tun, wie ich sie bisher verstanden habe. Natürlich: ich bin nicht der Maßstab! Und dennoch: Was ich über den Glauben und die Tradition gelernt habe, finde ich derzeit nicht wieder! Es geht wohl wirklich hauptsächlich um Macht und das, was andere ein „Wohlfühlchristentum“ nennen. Dabei reicht es, das Evangelium zur Hand zu nehmen: Hier ist der Maßstab, an dem es sich zu orientieren gilt. Es geht darum, das Leben dem Tode zu entreißen. Wer wirklich Jesus sehen will, der bekommt es mit dieser Dimension des Glaubens zu tun – und doch nicht damit, ob ein Segen angebracht ist oder nicht oder Priester heiraten dürfen oder nicht! Angesichts des dramatischen Substanzverlustes in Glaubensdingen, der gerade bei denen zu beobachten ist, die sich der Kirche noch zugehörig fühlen, müssen wir uns doch fragen: Sind wir noch Christen? Haben wir noch eine Ahnung von dem, was das Credo formuliert?
- „Wir wollen Jesus sehen“ – ich bin davon überzeugt, dass Menschen Sehnsucht haben nach dem Glauben, der ihnen Hoffnung und Orientierung schenkt. Aber wo sind die Christen, die ihnen diese Orientierung schenken können? Die sie ermutigen, auf diese Karte zu setzen? Wir müssen uns fragen, ob wir hierzulande nicht ein Christentum domestiziert haben, das so nichtssagend und harmlos geworden ist, dass es nur noch um die korrekte Anwendung der Gendersternchen geht?! Dabei aber eine Empörungskultur entwickelt hat, die für nicht wenige die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht.
- Wir gehen auf Ostern zu – auf das Fest des Lebens! Was ist davon unter uns zu spüren? Jesus sehen – etwas davon ahnen, was es heißt, dass der Tod keine Macht mehr hat. Das ist es, wofür Jesus angetreten ist. Und wem dies ein Anliegen ist – dem wird Er sich auch zeigen.
Amen.
Fürbitten
Wir bringen unsere Bitten und Anliegen vor den Herrn – unser Mund soll denen eine Stimme sein, die nicht gehört werden und die zu kurz kommen:
- Für alle Getauften und die, in eine Verantwortung in Deiner Kirche tragen: Schenke uns Offenheit für neue Ideen und Wege in deinem Geiste. Lass uns glaubwürdig werden durch ein Leben und einen Einsatz aus Deinem Geist.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Für alle, die Macht haben in Politik und Wirtschaft. Lass sie ihre Verantwortung für unsere Weltgemeinschaft erkennen und annehmen und so daran mitwirken, dass nicht Gier und Machtstreben unser Miteinander weiterhin gefährden.
- Wir bitten Dich für die Armen, die unter uns leben, die oft nicht teilnehmen können am Leben der Gesellschaft, die verbittert sind und keinen Ausweg aus ihrer Not sehen.
- Wir bitten Dich für uns: dass wir die Angst überwinden und uns hier und weltweit dafür einsetzen, dass Menschen menschenwürdig leben können.
- Tröste und ermutige die Kranken in unserer Gemeinde und weltweit und führe alle Verstorbenen zum Leben in Dir.
Denn du willst uns zum Vater führen, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.