"Wer bin ich? - oder: Kind Gottes sein"


Liebe Schwestern und Brüder,
wer oder was bin ich? Eine scheinbar banale Frage, die es in sich hat. Immer wieder beschäftigt sie uns, zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Zusammenhängen: Vielleicht das erste Mal heftig, verwirrend und gleichzeitig lustvoll in der frühen Jugend. Da bricht manches zusammen, anderes bricht auf oder kündigt sich an: Wer bin ich? Wenige Jahre später taucht die Frage wieder auf, mit einem Zusatz: Wo möchte ich hin, was möchte ich sein? Selbstkritisch kommt diese Frage wieder, wenn ich das erste Mal Bilanz ziehe: Wer bin ich geworden? Will ich das sein und bleiben? Wie diese Frage weiter geht, müssen die Älteren unter uns sagen – so weit bin ich selbst noch nicht! Allerdings weiß ich, dass Menschen, die bewusst auf den Tod zugehen, noch einmal sehr dringend die Frage erleben: Wer oder was werde ich sein?
- Wer bin ich? Es geht um Identität. Das ist keine Nebensache. Wir merken auch: Alles verändert sich, ständig, wir selbst uns auch – was bleibt, was ist stabil und fest genug, um Halt zu geben? Die große Sehnsucht ist doch: Bei einem anderen! Ein anderer gibt mir diesen Halt, diese Sicherheit; in der Veränderung bekomme ich die Sicherheit geschenkt, ausgehalten und geliebt zu sein. Aber selbst das hält nicht für immer – dafür stehen an Allerselen die vielen Kerzen! Aber gerade die Liebe, die Beziehung kann uns ein Hinweis sein: Bei der Ehe sagen wir, sie sei ein „Sakrament“ ein „Zeichen“, ein Hinweis – ein Hinweis darauf, dass uns, hinter dem Gesicht des Partners, ein ganz anderer hält, weil ER uns liebt!
Johannes nennt uns deswegen in seinem Brief „Kinder Gottes“! Wir Christen feiern Allerheiligen und Allerseelen, zwei Seiten einer Medaille. Wir feiern die Größe des Lebens vor und nach seiner Verwandlung. Als Menschen können wir unterschiedliche Antworten auf die Frage nach „wer bin ich?“, nach unserer Identität erhalten. Als Christen allerdings eine ganz besondere:
- Ich bin Kind Gottes – mindestens so sehr, wie wir Kinder unserer Eltern sind. So, wie sie nie aufhören oder aufgehört haben, uns das Gute zu wünschen, mindestens so ist auch Gott. Johannes ist sich ganz sicher: Wir werden durch den Tod nicht vergehen – ver-enden – sondern verwandelt werden, so, dass ich, dass wir Gott sehen können. Die Verwandlung, die wir Tod nennen, ist nicht Endstation, sondern Durchgang, eine letzte und ganz entscheidende Veränderung!
Im Blick auf Allerseelen ist das Trost: Unsere Gräber sind Zeichen, dass die Liebe das entscheidende Band ist, in aller Veränderung des Lebens, zu der auch der Tod gehört. An einem Grab bekennen Christen: Es gibt eine Entwicklung nach vorwärts, zum Leben hin – nicht nach rückwärts, in die Erinnerung!
- Wenn ich das erhoffe, das „weiß“, wie es Johannes sagt, dann lebe ich jetzt schon anders. Wir hörten in der Lesung: „Jeder, der diese Hoffnung auf (Gott) setzt, heiligt sich, wie er heilig ist“ (1 Joh, 3,3).
Heiligen – eigentlich heißt es „weihen, reinigen“ – ich lebe im Blick auf diesen Gott, ich „reinige“ mich von allem, was mir nicht entspricht; ich werde also ganz so, wie ich wirklich bin, kurzum: heilig!
Heilige sind die, die ganz sie selbst geworden sind und werden. Da fallen jedem von uns sicher ganz spontan Namen ein. Aber diese Menschen, kunterbunt und unterschiedlich, standen – wie jeder von uns auch – vor der Aufgabe, ihr eigenes Leben zu meistern, zu leben, Schwerpunkte zu setzen, sich zu entscheiden, wem oder was sie den Vorzug geben wollen. Heilige entstammen keiner Elite, sie haben keinen Sonderstatus beansprucht. Jedem von uns ist das gleiche auf je sehr individuelle und persönliche Wiese angeboten: Das Leben zu leben.
Wenn ich begriffen habe, wohin die Reise geht, was letztlich zählt, dann lebe ich anders. Oder besser: Nach meinen Möglichkeiten. Nach den Möglichkeiten, die Gott in mich hineingelegt hat. An den Heiligen sehen wir, wohin das führt. Das macht das Leben für uns alle noch einmal wunderbar und lebenswert.
Wenn ich weiß, wer ich für Gott bin, lebe ich anders. Hier nach meinen Möglichkeiten – und später: Darüber hinaus!
Amen
Fürbitten Allerheiligen
Zu Christus, der uns einlädt, in Seinem Licht zu leben, bitten wir:
- Für die Menschen, die sich bemühen, aus dem Geist der Bergpredigt die Sorge Jesu zu teilen: für die Verkünder der Frohen Botschaft, für die Missionare und Ordensleute, für alle, die als Christen auf vielfältige Weise im Alltag Zeugnis geben.
(Du Quell der Heiligkeit – wir bitten Dich, erhöre uns)
- Für diejenigen, die mit Liebe und Verständnis für andere da sind: in der Seelsorge, in den Pflegeberufen, in unseren Familien.
- Für die Menschen, die sich einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit unter den Völkern und Staaten: für die Politiker und Entwicklungshelfer und alle, die mutig für die Menschenrechte eintreten.
- Für unsere Kinder und Jugendlichen: Dass wir sie auf dem Weg zur Heiligkeit ermutigen und ihnen selbst darin Vorbild sind.
- Für unsere Verstorbenen: dass in Deinem Licht ihre Heiligkeit erstrahlen möge.
Barmherziger Gott, mit allen Heiligen loben und preisen wir Dich durch Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.
