„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10)
Die Texte am 14. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Ez 1, 28c – 2, 5 und 2 Kor 12, 7–10) und das Evangelium (Mk 6, 1b–6), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
Schwäche zeigen. Wer tut das schon? Und: Wer tut das gerne?! In der Regel tun wir es erst dann, wenn es nicht mehr anders geht. Ich musste das am Anfang des Jahres: Rausziehen aus allem, den „Stecker ziehen“. Es ging nichts mehr.
„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ – dieser Satz des Paulus aus seinem 2. Korintherbrief, den wir gerade hörten, bekam für mich einen neuen Klang, eine neue Farbe.
Niederlagen, Schwächen: Wir können sie fromm überhöhen und uns und anderen einreden, dass dies alles gar nicht so schlimm sei, denn Gott wird das sicher noch in etwas Gutes und Starkes verwandeln. Das mag stimmen – aber hilft das in der Situation wirklich?
- Paulus erlebte Niederlagen in unterschiedlichen Zusammenhängen. Oft auch Enttäuschungen, denn Menschen, denen er vertraute, missbrauchten sein Vertrauen. Eine Gemeinde, der er sehr zugetan war – Korinth – wandte sich von ihm ab, da dort einige ihr eigenes Süppchen gegen Paulus kochen wollten. Paulus merkte: Mit den besten Absichten und dem besten Willen kommt er dagegen nicht an. Dann hatte er überdies – wir hörten heute davon – mit körperlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, einem „Stachel im Fleisch“, damit er sich nicht „überhebt“.
Paulus: ein unermüdlicher Missionar, dabei aber kein strahlender Held, sondern sehr verletzlich und verletzt. Und an diesem Punkt seiner Biographie hört er die Stimme Gottes in sich: „Paulus, meine Gnade, meine Freundschaft ist genug, denn dadurch kommt alle Kraft, die benötigt wird“. Das Nichtkönnen und die Schwäche als Instrumente Gottes. Hören wir diese biblische Botschaft?
Jedenfalls hat sie es schwer, sich gegen das zu behaupten, was angesagt ist: Stark sein; Durchsetzungskraft; Gestaltungsmacht; Dominanz. Das zählt. Und wer das nicht aufzuweisen hat, gehört – wenn überhaupt – in die zweite Reihe! Wer schwach wird, muss abtreten. Das ist demütigend.
Um dem zu entkommen, verbergen wir sie: die schwache Seite, die Ängste, das Nicht-Können. Wir haben gelernt, uns dafür zu schämen, uns nichts anmerken zu lassen. Wir Pfarrer erfahren das allgemein sehr schmerzlich: Die Gemeindemitglieder kommen mit ihren Sorgen nicht zu uns, mit ihrer Last – besser alleine leiden, als das ein anderer hinter die Fassade schaut!
Aber was würden wir denn da erblicken, hinter der Fassade? Dass der andere ein Mensch ist!
- Die Frohe Botschaft ist, dass Gott uns genau so annimmt, wie wir gerade auch in unserer Schwäche sind. Und dass wir uns das auch gegenseitig zusagen dürfen!
Wir wollen stark erscheinen, aber damit schwächen wir uns, weil wir nur eine Seite von uns zeigen. Damit sind wir nur „halbstark“. Mit Halbstarken kann man wenig anfangen – auch Gott nicht!
Erinnern wir uns als hier vor einem Jahr beim ZDF-Gottesdienst Thorben mit seiner Familie Zeugnis von seiner Schwäche, seinem Nichtkönnen gegeben hat? Wie Gott ihn und die Familie dadurch stark machen konnte?
Warum sind die Armen, Gescheiterten, Kranken, Ausgesetzen, Sünder und Geächteten die Lieblinge Jesu? Weil ihre schwache Seite so offensichtlich ist und sie sich nicht mehr darum bemühen müssen, sie zu verbergen. Da kann ER ansetzen: Meine Gnade genügt dir – sie will in deiner Schwäche ihre Kraft zeigen.
Liebe Schwestern und Brüder, Papst Franziskus sprach vor einigen Jahren von einer „verbeulten Kirche“, die ihm lieber sei als eine, die von Leid und Not unberührt in ihren gesicherten Grenzen bleibt; eine Kirche also, die durch Schwäche lernt, Christus groß sein und werden zu lassen.
Eine solche Kirche kann nämlich immer wieder, wie Paulus es erzählt, zum Werkzeug Gottes werden. Kirche, das sind doch auch wir. Jeder Einzelne. Jeder mit seinen Beulen und Schwächen.
Amen.
Zu unserem Herrn Jesus Christus, der als Mensch unter uns gelebt hat, um uns Gottes Liebe zu zeigen, wollen wir rufen:
- Für alle, die in der Kirche Dein Wort verkünden: Lass sie auch bei Widerständen darauf vertrauen, sich nicht umsonst zu mühen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Für alle, die unter persönlicher Erfolglosigkeit und Scheitern leiden, deren Einsatz nicht gewürdigt wird, die sich am Rand ihrer Kräfte fühlen.
- Für die Propheten unserer Tage: Lass sie unbekümmert von der öffentlichen Meinung für den Frieden, die Versöhnung, die Menschenwürde und die Menschenrechte eintreten.
- Für diejenigen, die in Ferien fahren oder es schon sind: Schenke ihnen eine Zeit der Begegnung mit dir und untereinander und lass sie gesund wieder nach Hause gelangen.
- Für unsere Toten: Lass sie in der Heimat angekommen sein, die du uns allen bereiten willst.
Wir bitten Dich, weil wir an Deine Nähe und Sorge glauben, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.