Von der Macht, Kind Gottes zu sein
Die Texte an Weihnachten des Lesejahres B, die Lesungen (Jes 52, 7–10 und Hebr 1, 1–6) und das Evangelium (Joh 1, 1–18), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache. Dort finden Sie auch die Texte des 4. Advents und der Heiligen Nacht, sowie weitere für Feiern an Weihnachten.
Liebe Schwestern und Brüder,
„wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt“ (vgl. Jes 52,7). Was wäre, wenn wir heute Morgen alle mit der Nachricht geweckt und überrascht werden wären: Es ist Frieden! Endlich! Die Waffen schweigen, die Hände werden über Gräben den Feinden gereicht: im Heiligen Land, in der Ukraine, überall. Überall dort, wo Unfrieden herrscht. Können wir uns das vorstellen, wagen wir es überhaupt? Der Gedanke an all das Unheilige, gerade aus dem Land, an dem auch in diesem Jahr wieder das Friedenslicht kommt, ist belastend.
Stattdessen haben wir den Heiligen Abend gefeiert, die Heilige Nacht, jeder und jede so gut, festlich und wohltuend, wie es eben möglich war. Und dabei alles andere ausblenden. Ist das Weihnachten?
- Genau vor 800 Jahren geschah in Greccio, im Rietital, etwas Eigenartig-Besonderes: Der heilige Franziskus wollte für die Bewohner des ärmlichen Ortes Weihnachten begreifbar, anschaulich machen: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Das ließ er darstellen. Eine lebendige Krippe: ein Stall, Ochs und Esel, eine Futterkrippe mit Stroh, eine Heilige Familie. Alles so, wie die Menschen in Greccio lebten: einfach, arm, gerade einmal das Nötigste zum Leben. Hierhin kam das Jesuskind. Es wurde wie sie, genau so, nichts Besonderes: und doch der Himmel auf Erden. Dort, in der Nacht, wurde dann unter freiem Himmel die Heilige Messe gefeiert: Christus ist wirklich da, so real, so unmittelbar, wie es die Krippendarstellung zeigte.
- Dort, in Bethlehem, in Kiew und Moskau, wurde auch heute Nacht und wird heute am Tag das Wunder gefeiert, dass Gott da ist – so, wie hier auch. Hier. Jetzt.
Soll das ein Trost sein? Nein, kein Trost, sondern Zusage Gottes und Ansporn für uns!
Im Johannesevangelium hörten wir eben: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Ja, das ist die eine Seite der Wirklichkeit und wir beklagen es, betrauern es: Dass ER wieder einmal nicht aufgenommen wird! Aber Johannes fährt weiter fort und es heißt: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12).
Weihnachten heißt, nicht einfach gerührt vor der Krippe zu stehen, sondern tatsächlich ergriffen zu werden: Ich bin und ich werde Kind Gottes. Immer mehr. Das ist – nach Gott – unser Recht unsere Macht!
Wir können doch nicht sagen, dass sich nach dieser Nacht in Bethlehem die Welt nicht verändert hätte. Das hat sie – gewaltig! Mehr und mehr zum Wohle der Menschen. Wir mögen sagen: dass ging und geht aber viel zu langsam. Das mag sein. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir selbst unsere Macht, unser Recht nicht genug in Anspruch nehmen: Kind Gottes zu sein. So, wie ER es ist. In der Weise, wie ER Sein Kindsein unter uns gelebt hat. Das ist auch uns gegeben!
Im Blick auf die Kriege und Konflikte in der weiten Welt sind wir einerseits scheinbar machtlos. Aber andererseits – globalisiert! – haben wir doch Einfluss. Hier, jetzt, bei uns.
Von Bethlehem ging damals ein Licht aus, das die Welt erleuchtete. Das geht auch von hier aus: Lasst uns unseren Beitrag leisten – lasst uns unsere Macht, unser Recht in Anspruch nehmen und dieses Licht verbrieten: durch unser Denken, unser Reden, unser Tun.
Wie willkommen sind auch heute auf den Bergen, in den Dörfern und Städten, in der Dunkelheit und den Finsternissen die Schritte der Freudenboten, die Frieden ankündigen.
Solche Zeugen, eine solche Kirche ist auch heute allemal willkommen.
Ich möchte dabei sein!
Der Priester und Dichter Andreas Knapp schreibt:
das wort will fleisch werden
Wenn worte wirklich etwas sagen könnten
und nicht nur
hohle hülle blieben
wenn worte finderspitzen hätten
und sich einfühlen könnten
bis unter die haut
wenn worte hand und fuß bekämen
und schrittmacher wären
für eine bessere welt
wenn worte etwas bewegen könnten
und ihre wahrheit
mit händen zu greifen wäre
wenn gott selbst ein solches wort wäre
in fleisch und blut
uns übergegangen
(Andreas Knapp, Höher als der Himmel, Echter 2010, 29.)
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, das Ewige Wort, das uns trägt und hält, bitten wir:
- Für alle Christen, dass wir das Licht Deiner Gegenwart in unserer Welt verbreiten können, und so denen neue Hoffnung schenken, deren Leben von Finsternis geprägt ist.
(Christus, höre uns - oder: gesungener Ruf) - Du wurdest in Einfachheit und Armut geboren. Wir bitten darum, dass gerade die Armen auch durch uns wieder Deine Nähe und Begleitung erfahren und Dir so neu vertrauen können.
- Für alle, die unter Krieg und Verfolgung leiden und sich nach Frieden sehnen; für die, die auch bei uns unter materieller Not leiden und für all die, die heute in besonderer Weise ihre Dunkelheiten und Einsamkeit spüren: Lass sie Deine Nähe erfahren.
- Für all die, die in diesen Tagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, sozialen Einrichtungen und Gefängnissen Dienst tun: schenke Du ihnen die Kraft, die sie gerade jetzt brauchen.
- Wir bitten Dich für alle Menschen, denen wir uns heute auf besondere Weise verbunden fühlen, für die Toten, die wir schmerzlich vermissen und alle Verstorbenen
(Kurze Stille)
In der Freude über Deine Nähe loben und preisen wir Dich mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen