Von der Ehe – oder: vom Licht in der Welt
Die Texte am 27. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Gen 2, 18–24 und Hebr 2, 9–11) und das Evangelium (Mk 10, 2–16), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
es war vor einigen Jahren bei einer Pilgerfahrt der Gemeinde nach Rom: Wir besuchten auch die Glaubenskongregation und der damalige Sekretär und spätere Kardinal Luis Ladaria empfing uns zum Gespräch. Schon bald ging es um das Thema Ehe und Ehescheidung – man spürte, dass einige Teilnehmer da persönlich sehr belastet waren. Ladaria betonte, wie sehr das Belastende dieser Frage bewusst sei und auch der damalige Papst Benedikt damit ringen würde, dieser sich aber letztlich nicht in der Lage sähe, sich „über“ das Wort Jesu, das uns die Evangelien überliefern hinwegzusetzen. Wie können wir das verstehen?
Stellen wir uns doch einmal der Bibel, gerade in den ersten Kapiteln der Genesis.
Zuerst einmal wird betont, dass Gott den Menschen – alle! – nach Seinem Abbild schuf: als Mann und Frau. Unterschiedlich und gleichwertig. Im zweiten Schöpfungsbericht hingegen (dem zeitlich gesehen älteren der beiden) hörten wir heute, dass der Mensch – Mann – alleine war und schließlich in der Frau, aus seiner Rippe gebildet, jemanden fand, mit dem er sprechen konnte. Die Frau hatte hier eine reine Funktion!
Aber: Es geht weiter und es ist gut, auch das zu hören! Der Sündenfall bewirkte einen entscheidenden Sprung in diesem Verhältnis und es ist der britische Rabbiner Lord Jonathan Sacks, der hier den alten Strom jüdischer Überlieferung ins Bewusstsein holt. Der Sündenfall ist Ausdruck von Ungehorsam und er führt zur Vertreibung aus dem Paradies – also zur Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Ob als Strafe oder nicht: Letztlich wird der Mensch erst dann religiös, wenn er seine eigene Sterblichkeit annimmt! Und: In dieser Situation nennt der Mensch – Adam – seine Frau nicht mehr „Männin“, „Adama“, sondern Eva, Mutter der Lebenden. Sie bekommt einen Namen. Erst jetzt werden die zwei zu Partnern. Gleichwertig und unterschiedlich.
Was hat das mit der eingangs erwähnten Thematik von Ehe und Ehescheidung zu tun? Viel! Denn es geht im jüdisch-christlichen Verständnis darum, dass der Mensch in all seiner Gebrochenheit und Verletzlichkeit Teil hat am Schöpfungsauftrag Gottes, ja dass er „Mitschöpfer“ sein kann. Der sterbliche Mensch kann und soll sein Leben nicht bewahren, sondern weitergeben. Das kann er nicht alleine. Dafür brauchen Mann und Frau einander, als Personen, als Partner. Mehr noch: In der gefahrvollen Welt bekommen nach Gen 3 Adam und Eva Kleider aus Fell, aus Haut gemacht. Schon Rabbi Meir, ein Gelehrter des frühen 2. Jahrhunderts, betonte, dass im Hebräischen das Wort für „Haut“ und das Wort für „Licht“ von der Aussprache nicht zu unterscheiden sind: „ôr“. Mann und Frau, verbunden, werden von Gott in Licht gehüllt, also Seine eigene Gegenwart wird erfahrbar, spürbar – gerade im Wunder des neuen Lebens. Mann und Frau als Bild, mehr noch: als reale Gegenwart des mächtigen, lebensspendenden und so demütigen Gottes. Das meint Helligkeit der Ehe, der Familie.
In Jesus Christus hören wir, dass Gott Seine Gegenwart an die Liebe bindet, sogar identisch mit ihr ist. Die Familie ist nach unserer tiefen Überzeugung die Keimzelle der Kirche, der Ort, an dem Gott selbst präsent ist. Dies gilt es zu sehen, zu schützen, zu bewahren.
Und ja: In unserer Welt „jenseits von Eden“ ist manches nicht ideal, zerbrochen, von Wunden gezeichnet – und Gott sei Dank wird dafür bei uns niemand mehr ausgegrenzt! Aber in all unserem Mitgefühl mit all denen, die gestolpert sind und nach neuen Wegen suchen, die anders leben wollen oder müssen, sollten wir dennoch Anwalt für die Institution sein und werden, die am meisten zur Humanisierung, zur Mitmenschlichkeit beigetragen hat und dies auch weiterhin tut: in der stabilen Verbindung von Mann und Frau, die dem Kind Raum bietet. Nur hier können Kinder in einer Umgebung von Stabilität und Liebe aufwachsen, die das Fundament von Vertrauen legen. Ein Vertrauen, dass immer mehr Menschen heuten fehlt. Es erscheint als modern, Partnerschaft, Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit nicht mehr als Einheit zu sehen, sondern sie je nach Bedarf zu trennen und auszuleben. Modern ja, aber auch menschlich?
Schauen wir wieder neu auf den Kern, das Zentrum einer lebendigen Gesellschaft und – Kirche – dann ergibt sich im Geiste Jesu die richtige Weise, mit denen umzugehen, die sich am Rande fühlen. Sie sind gleichwertig – und verschieden.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns ermutigt, der Liebe Raum zu geben, bitten wir:
- Für die Paare, die in ihrem Alltag Deine Treue zu uns sichtbar machen: Stärke ihre Liebe auch in schweren Zeiten.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten für die Ehepaare, die es schwer miteinander haben: Lass sie nicht müde werden, nach neuen Wegen des Miteinanders zu suchen und dabei auch nach Hilfe Ausschau zu halten.
- Wir bitten Dich für die Paare, die sich getrennt haben: Lass sie in ihrem Scheitern nicht alleine und stärke sie im Vertrauen, dass Du sie zu einem Leben in Fülle berufst.
- Stärke die Synodenteilnehmer in Rom, die in diesen Tagen gemeinsam mit dem Papst darum ringen, eine neue Weise des Miteinanders in der Kirche zu finden.
- Wir bitten Dich um das Wunder des Friedens: Im Heiligen Land, in der Ukraine und überall dort, wo Menschen sich der Versöhnung verweigern.
- Wir bitten Dich auch für unsere Verstorbenen: Lass sie bei Dir die Heimat finden, nach der sie sich gesehnt haben.
Du bist der, der uns zum Leben in Fülle ruft. Dir sei Dank, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.