Vom Warten bei anbrechender Nacht
Die Texte am 32. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A, die Lesungen (Weish 6, 12–16 und 1 Thess 4, 13–18) und das Evangelium (Mt 25, 1–13), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ist das Frohe Botschaft? Was sicher einige aus dem heutigen Gleichnis heraushören ist: Ein Bräutigam, der rücksichtslos andere warten lässt; fünf Jungfrauen, die andere in einer Notlage hängen lassen; ein Fest, bei dem diejenigen, die zu spät kommen, nicht mitfeiern dürfen. Frohe Botschaft?
Wer sie verstehen will, muss den orientalischen Hintergrund kennen, muss wissen, was für Jesus und Seine Zeitgenossen normaler Teil des Lebens war.
Hochzeit: Sie war das höchste Fest im persönlichen Leben eines Menschen. Sie war immer auch religiös gedeutet: Mann und Frau – Gott und Mensch – sie verbinden sich und daraus wird Segen, dargestellt im neuen Leben, das geboren wird. Der Bräutigam holt seine Braut ab, holt sie in seine Familie. Er bzw. seine Familie hat für sie einen hohen Preis bezahlt. Auf dem Weg zu seiner Braut wird er „spielerisch“ immer wieder aufgehalten und soll so zusätzlich noch das eine oder andere Geschenk herausrücken. Je öfter das geschieht, umso deutlicher wird, wie wertvoll dem Bräutigam die Braut ist. Ihr „Wert“ steigt. So etwas gehört zur Kultur: Es wird erwartet, belächelt, ertragen. So gesehen: Ein Bräutigam muss sich auf dem Weg zu seiner Braut verspäten!
Die Freundinnen der Braut wissen das, sie sind darauf vorbereitet. Es kann ein langes Warten werden und wenn dann der Bräutigam endlich kommt, soll es beim Fest an nichts fehlen. Vor allem nicht am Licht!
- Fünf der Jungfrauen werden in dem Gleichnis als „töricht“ bezeichnet: (moros) ist ein hartes Wort und meint mehr als einfach nur dumm oder einfältig. Es beschreibt auch den Charakter einer Person, ihr Herz: Diesen fünf Jungfrauen ist ihr Dienst für ihre Freundin, die Braut, eigentlich egal. Sie bedeutet ihnen nichts, zumindest setzen sie sich nicht übermäßig ein – im religiösen Kontext kann das Wort hier auch als „gottlos“ übersetzt werden!
Merken wir, dass das Gleichnis in diesem Licht eine ganz andere Farbe bekommt? Das Öl, das die anderen noch in Reserve haben, lässt sich nicht auf andere Lampen aufteilen, wenn sie die Nacht über brennen sollen.
- Es braucht Menschen, die genug Leidenschaft für Gott haben, die genug Ölreserven haben, um eine bleierne Wartezeit zu überbrücken. Es braucht sie, damit das Fest stattfinden kann. Ein Fest, das sich verzögert, weil Christus aufgehalten wird, da Ihm die Braut so viel bedeutet. Vor zwei Wochen hörten wir vom wichtigsten Gebot, der Gottesliebe: Sie, die Agape, die Entscheidung für Gott, gibt meinem, unseren Tun die entsprechende Prägung.
- Manche von uns mögen das Empfinden haben, das kirchlich gesehen bei uns die Nacht anbricht. Wenn wir aufmerksam sind: Dieser Eindruck geht über die Kirche hinaus!
Wie verbringen wir diese Zeit? Was hält uns und trägt? Von der Zeit des Wartens wird im Evangelium nur erzählt, dass alle schließlich müde werden und einschlafen. Nicht beschrieben wird die Stimmung: Voller Erwartung? Ärger? Ungeduld? Resignation? Hoffnung?
Ich gehöre sicher nicht zu denen, die die derzeitige kirchliche Situation schön reden. Gerade deswegen ist es gut, dass wir uns immer wieder unter das Wort Gottes stellen. Es geht um Christus und Sein Ankommen beim Menschen, bei Seiner „Braut“. Es kann sein, dass in dieser Zeit eine bestimmte Gestalt von Kirche vergeht – aber Christus ist und bleibt treu. Und um Ihn und Seine Botschaft geht es. Dafür wird ER sicher immer wieder die Kirche auch neu formen, „formatieren“, denn sie ist Sein Instrument, Sein Werkzeug. Lassen wir uns also nicht entmutigen. Haben wir gegenseitig acht auf uns, dass unser Öl nicht ausgeht!
- Ein Schlussgedanke: Die fünf törichten Jungfrauen möchten alles dafür tun, ihren Vorrat an Öl neu aufzufüllen. Was wäre gewesen, wenn sie dem Bräutigam entgegen gegangen wären und gesagt hätten: „Es tut uns so leid, wir haben zu sehr an uns gedacht und nicht an Deine Leidenschaft und Liebe für Deine Braut; wir waren zu sehr mit uns beschäftigt. Wir haben Dich aus dem Blick verloren!“
Der Bräutigam, der auf seinem Weg so großzügig Geschenke verteilte – könnte er da engherzig sein?
Amen.
Unser Herr Jesus Christus, der uns heute zur Begegnung mit Ihm ruft, bitten wir:
- Lass Deine Kirche und unsere Gemeinde gerade in dieser Zeit nicht resignieren. Hilf uns, den Menschen Zeugen Deiner verborgenen Gegenwart sein.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich in dieser bedrängenden Zeit um den Frieden und die Versöhnung im Heiligen Land, in der Ukraine und überall dort, wo Menschen sich hasserfüllt begegnen.
- Lass die Jugendlichen unserer Gemeinde, die in diesen Tagen gefirmt wurden, den Weg des Glaubens froh und entschieden gehen und so ein Segen für die Welt werden.
- Hilf denen, die in der Dunkelheit und Routine ihres Alltags die Lebensfreude verlieren und keine Ahnung mehr davon haben, dass der Vater sie zu Großem erschaffen hat.
- Lass unsere Verstorbenen bei dem Fest anwesend sein, dessen Gastgeber Du selber bist.
Herr, wachsam und bereit lass uns Deine Ankunft jeden Tag erwarten, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.