Versuchungen nachgeben – Den wählen, der wirklich tragen kann


Die Texte am 1. Sonntag der Fastenzeit des Lesejahres C, die Lesung (Dtn 26, 4–10 und Röm 10, 8–13) und das Evangelium (Lk 4, 1–13), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron und beim Evangelium in leichter Sprache.

Liebe Schwestern und Brüder,
in dieser Fastenzeit begleitet mich ein Bild von Jean-Jacques Henner, das dieser in der Mitte des 19. Jahrhunderts gemalt hat. Es trägt den Titel: „Christus im Gefängnis“. Es zeigt Jesus nach der Gefangennahme, sitzend und allein mit gefesselten Händen, in sich versunken; ein rotes Tuch umhüllt Beine und Schoß des sonst nur mit einem Lendentuch bekleideten Jesus. Die Ruhe des Bildes strahlt eine tiefe Einsamkeit, ja Verlassenheit aus. Es ist so natürlich gemalt, dass man den Eindruck hat, Jesus würde direkt vor einem sitzen. Das regt meine Phantasie an: Was mag Jesus da jetzt denken, fühlen: Angst? Resignation? Gewissheit über den Weg, den Er nun noch zu gehen hat?
Denkt Er dabei vielleicht auch zurück an ein Ereignis Seines Lebens, in dem Er auch völlig allein war: die 40 Tage in der Wüste? Was wäre gewesen, hätte Er die Angebote Satans genutzt? ER wäre dann wohl kaum in diesem Gefängnis gelandet!
- Hätte Er Steine in Brot verwandelt, immer wieder, so wären die Massen Ihm nachgefolgt, gerade auch die Armen. Oder sagen wir besser: sie wären Ihm nachgerannt, ob sie Ihm gefolgt wären steht auf einem anderen Blatt. Nach den Steinen hätte Er sich die Krankheiten vorgenommen, die Wunden und Verletzungen, die in kaum einem Leben fehlen – und keiner hätte mehr Hand an Ihn gelegt, um Ihm zu schaden.
Hätte Er das Angebot angenommen, alle Macht und Herrlichkeit der Reiche dieser Welt zu erhalten, wären doch endlich Gerechtigkeit und Friede eingekehrt. Nicht nur in Judäa und Israel, überall wären Menschen von der Knechtschaft befreit worden – und niemand hätte Ihm die Fesseln angelegt, mit denen Er jetzt im Gefängnis sitzt.
Hätte Er den Sprung vom Tempel in die Tiefe gewagt und die Engel wären gekommen – jeder Zweifel an Ihm wäre verstummt, keiner hätte mehr Seine Autorität in Frage stellen können – und ER selbst müsste sich nie die Fragen stellen, die jetzt in diesem Verließ auf Ihn einstürmen.
Ja, wäre nicht alles anders gekommen – hätte Er sich nur mit dem Satan verbündet?! Natürlich: Es wäre alles anders gekommen!
Immer wieder komme ich im weiteren Freundes- und Bekanntenkreis mit Menschen in Berührung, die keinen Glauben haben und vor allem keine Hoffnung über dieses Leben hinaus. Wenn dann das Unvermeidliche eintrifft – unvermeidlich, da es jeden von uns trifft – ist die Traurigkeit ohne Trost, die Verzweiflung abgrundtief.
Der Glaube, mit dem ich beschenkt wurde, befreit mich nicht von Fesseln und Konflikten, von Trauer und Krankheit oder gar einem plötzlichen Tod. Dieser Jesus, der mir auf dem erwähnten Bild gegenüber sitzt, wird Seine Fesseln bis zu Seinem gewaltsamen Tod tragen. In den folgenden Stunden wird es für Ihn immer schlimmer und schmerzvoller werden. Er wird kaum mehr gehen können vor Schmerzen und Schwäche und am Ende – keine Rettung: Aus!
Ja, Jesus hätte Seine äußere Macht zeigen können, eine Macht, die uns Menschen immer wieder fasziniert. Aber weder eine solche Macht, noch Brot, noch Wunder würden erreichen, dass ER mir wirklich nahe kommen kann.
Nahe möchte Er mir sein, wo keine Macht der Welt mir mehr helfen kann, wo mir Brot egal geworden ist und keine Wunder mehr zu erwarten sind. Mir da nahe zu sein, wo alles zerbrochen ist, wo wir nichts mehr mit unserem Können und Wissen zu erreichen vermögen – um all das geht es in diesen Stunden, in denen Er allein in der Zelle sitzt. ER musste, ER wollte für uns alle vertrauen, dass nichts, wirklich nichts der Fügung und Führung des Vaters entgleitet und dass es ein Aufwachen gibt, das uns wirklich alle Augen öffnen wird.
Paulus sagt heute in der Lesung aus dem Römerbrief: Wenn du mit deinem Mund bekennst: „Herr ist Jesus“ – und in deinem Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, so wirst du gerettet werden (Röm 10, 9).
Das Bild des gefangenen Christus möchte mich in der Fastenzeit daran erinnern, was dieser Jesus, der mich Freund und Bruder nennen möchte, für mich auf sich genommen hat – damit ich endlich begreife, wer trägt, wenn sonst nichts mehr trägt. Und es lädt mich ein, mir Zeit zu nehmen mit Ihm zu sprechen …
Amen.
Zu Beginn der Heiligen 40 Tage bitten wir Christus für die Menschen in den Anliegen unserer Tage:
- Für alle, die in dieser Fastenzeit aus dem Gewohnten ausbrechen und dem heilenden Handeln Gottes in der „Wüste“ ihres eigenen Lebens begegnen möchten.
Herr Jesus Christus. A: Wir bitten dich, erhöre uns. - Für alle, die ganz persönlich umkehren und einen Neuanfang wagen. Für Jugendliche und Erwachsene, die sich auf die Taufe und die Firmung vorbereiten. Für Paare, die sich durch ihr Ja-Wort einander anvertrauen wollen. Für die, die nach einer schweren Krise wieder Tritt im Leben fassen.
- Wir bitten dich für Papst Franziskus und alle Kranken, dass sie sich voller Vertrauen von dir getragen fühlen und so Dein Wille an ihnen in Erfüllung gehen kann.
- Für die Politiker und Verantwortungsträger in Ost und West, Nord und Süd: dass sie angesichts von Kriegen und Konflikten den Mut und die Bereitschaft aufbringen, zum Wohle aller zu entscheiden und eigene Interessen hintanzustellen.
- Für unsere Toten; für alle, die in unserem Leben eine Lücke hinterlassen haben, und für all die die an einem Grabe trauern.
Jesus Christus, Heiland und Erlöser. Erbarme dich über uns und über die ganze Welt. Gedenke deiner Christenheit und führe uns zum Vater.
Amen
